Dreieinhalb Stunden 3/12
© ARD Degeto/REAL FILM/AMALIA Film/Bernd Schuller

3 1/2 Stunden

Inhalt / Kritik

Dreieinhalb Stunden 3/12
„3 1/2 Stunden“ // Deutschland-Start: 7. August 2021 (Das Erste) // 3. September 2021 (DVD)

Als der Interzonenzug D-151 am 13. August 1961 die Fahrt nach Ostberlin aufnimmt, konnte keiner an Bord ahnen, dass dies ein ganz besonderer Tag für sie alle werden sollte. Eine Mauer soll gebaut werden, mitten durch Berlin, und damit den Westteil vom Ostteil trennen. Für die Passagiere, welche gerade auf dem Weg zurück in ihre Heimat in der DDR sind, stellt sich damit die Frage: Weiterfahren, in dem Wissen, dass sie später nicht wieder herauskommen werden? Oder kurzfristig aussteigen und ohne jegliches Hab und Gut ein neues Leben in Westdeutschland anfangen? Vor allem bei Familie Kügler führt dies zu hitzigen Diskussionen: Während Marlis (Susanne Bormann) überzeugte Kommunistin ist, steht ihr Mann Gerd (Jan Krauter) dem Regime kritisch gegenüber und will seinen Kindern ein Leben in Freiheit ermöglichen. Aber auch die ostdeutsche Lokomotivführerin Edith Salzmann (Luisa-Céline Gaffron) hadert, ob sie tatsächlich diese historische Fahrt übernehmen soll …

Erinnerungen an die Berliner Mauer

Als der Fall der Berliner Mauer 2019 sein 30-jähriges Jubiläum feierte, waren Kino und Fernsehen voll von Titeln, die sich auf die eine oder andere Weise mit dem historischen Ereignis auseinandersetzten. Während manche Filme wie Zwischen uns die Mauer oder Fritzi – Eine Wendewundergeschichte jeweils anhand persönlicher Schicksale erzählten, wie sich der Mauerfall auf das Leben der Einzelnen auswirkte, nutzten andere die Gelegenheit, um an die Schattenseiten der DDR im allgemeinen zu erinnern. Werke zum Bau der Mauer sind hingegen recht rar gesät. Wenn mit dem ARD-Film 3 1/2 Stunden nun ein solches gezeigt wird, darf man daher grundsätzlich hellhörig werden. Umso mehr, da man sich hier eines recht interessanten Zugangs bedient.

Genauer hat das Drehbuchduo Robert Krause und Beate Fraunholz zum Mauerbau selbst nichts zu sagen. Wir sehen weder, wie sie entsteht, wie in Hinterzimmern die politische Entscheidung getroffen wurde. Auch von den Auswirkungen bekommt man hier als Zuschauer und Zuschauerin zwangsläufig nichts mit, die werden sich erst später einstellen. Stattdessen spielt 3 1/2 Stunden tatsächlich überwiegend in dem besagten Zug und zeigt die Reaktionen der Menschen an Bord, als sie von der Mauer erfahren. Die fallen dann auch recht unterschiedlich aus, je nach Zugehörigkeitsgefühl zur DDR und dem politischen System. Während manche den Plan begrüßen, sind andere eher neutral – oder empfinden eben panische Angst bei der Aussicht, die dieser auch symbolische Bau bedeutet.

Harte Entscheidung unter Zeitdruck

Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht mit Spannung verbunden. Zum einen sind da die Spannungen innerhalb der Reisenden, die sich schlagartig entladen – pointiert am Beispiel der Familie Kügler. Hinzu kommt der Zeitdruck, denn dem Titel entsprechen bleibt in 3 1/2 Stunden den Leuten nicht viel Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Vor allem nicht eine Entscheidung, die den Rest des eigenen Lebens maßgeblich bestimmen wird. Bedächtig die Argumente pro und contra abzuwägen, ist in einem solchen Rahmen natürlich nicht möglich. Fast schon wie in einem Thriller arbeitet Regisseur Ed Herzog (Kaiserschmarrndrama) mit dem Gefühl, dass hier ein Kampf um Leben und Tod stattfindet. Keiner will eine falsche Entscheidung treffen. Aber was wäre denn die richtige?

Dass das Drama, welches auf dem Filmfest München 2021 Premiere feierte, darauf keine ultimative Antwort liefern kann, liegt in der Natur der Sache. Aber auch die hohe Zahl an Figuren führt dazu, dass vieles zwangsläufig eher schematisch bleibt. Wenn sich Familie Kügler zofft, dann erfahren wir letztendlich nur etwas zur Einstellung zur DDR. Tatsächliche Charaktere hat 3 1/2 Stunden weder bei den beiden noch dem Rest zu bieten, die sich an Bord des Zuges befinden. Diese sowie ein paar inhaltliche Mängel wie ein völlig überflüssiger Nebenstrang um medikamentöse Experimente an Sportlern und Sportlerinnen sowie die grundsätzlich geringe Glaubwürdigkeit muss man deshalb ein wenig in Kauf nehmen. Dafür gibt es eine packende Atmosphäre und Stoff, über den man sich selbst dreißig Jahre und unzählige Themenfilme später immer noch unterhalten kann.

Credits

OT: „3 1/2 Stunden“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Ed Herzog
Drehbuch: Robert Krause, Beate Fraunholz
Musik: Stefan Will
Kamera: Ngo The Chau
Besetzung: Jeff Wilbusch, Alli Neumann, Jan Krauter, Susanne Bormann, Martin Feifel, Moritz Katzmair, Jördis Triebel, Hannah Schiller, Johannes Meister, Karl Schaper, Luisa-Céline Gaffron

Bilder

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„3 1/2 Stunden“ spielt an Bord eines Zuges, der auf dem Rückweg in die DDR ist, als die Nachricht vom Mauerbau öffentlich wird. Das Szenario ist eine originelle Annäherung an ein altbekanntes Thema, das auch durch den Zeitdruck innerhalb der Geschichte eine packende Atmosphäre kreiert. Allerdings bleibt vieles aufgrund des engen Rahmens notgedrungen eher schematisch.
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