Bei Georg (Murathan Muslu) läuft es gerade nicht besonders. Seitdem seine Frau Eva (Antje Traue) bei einem Unfall erblindet ist, kriselt die Beziehung. Umso wichtiger wäre es, dass er beim Sicherheitsdienst eines Einkaufszentrums zum Teamleiter ernannt wird. Doch eben diese Position will auch sein Kollege Mario (Paul Wollin), mit dem er immer wieder aneinander gerät. Da kann er den Stress mit Mira (Julia Koschitz) nicht brauchen, die in eben diesem Einkaufszentrum bestohlen wird. Dabei steht sie selbst unter hohem Druck: Nicht nur, dass sie Schwierigkeiten mit ihrer Mutter Ingeborg (Ulrike Willenbacher) hat. Ihr Kollege Richard (Anian Zollner), mit dem sie eine Affäre hat, will sie über den Tisch ziehen. Auch die Ärztin Sarah (Johanna Wokalek) hat beruflich zu kämpfen: Ihre Praxis läuft schlecht, die Bank will ihren Kredit nicht verlängern. Saschi (Lea Zoë Voss), die im Einkaufszentrum als Friseurin arbeitet, hat wiederum eher privat zu kämpfen. Die Beziehung mit Mario läuft nicht so gut. Gleichzeitig macht ihr der Kellner Lorenz (Jonas Holdenrieder) schöne Augen …
Hintergrund eines Amoklaufs
Auch wenn die Fälle eher selten sind, so kommt es doch auch in Europa immer mal wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen in der Öffentlichkeit. Das können die gefürchteten Anschläge sein, wenn ideologisch verblendete Terroristen meinen, die Welt nach ihrer Vorstellung formen zu müssen. Oder eben Amokläufe, wenn Leute aus den unterschiedlichsten Gründen Wildfremde mindestens verletzen, wenn nicht gar töten wollen. Solche brutalen Eingriffe in den Alltag schockieren jedes Mal aufs Neue und lösen zahlreiche Diskussionen aus. Kein Wunder also, dass immer mehr Filme und Serien diese Themen aufgreifen. In Therapie erzählte unter anderem von Betroffenen, die das Erlebte verarbeiten müssen. Wenn die Stille einkehrt zeigte die Vorgeschichte, aber auch die Folgen eines terroristischen Anschlags auf ein Restaurant.
Bei Am Anschlag – Die Macht der Kränkung ist es wiederum ein Amoklauf, um den sich alles dreht. Schauplatz ist hier das Einkaufszentrum, in dem die Fäden zusammenlaufen und mit dem die diversen Protagonisten und Protagonistinnen auf die eine oder andere Weise zu tun haben. Dabei verrät die Serie quasi gleich zu Beginn, dass es zu einem tödlichen Zwischenfall kommen wird. Anders als man dabei erwarten könnte, steht aber nicht der Amoklauf als solcher im Mittelpunkt. Stattdessen folgt die ZDFneo Produktion den Pfaden einer ganzen Reihe von Leute und erzählt deren Geschichten. Die sind grundsätzlich unabhängig voneinander, weshalb die ersten fünf Folgen auch die Namen einzelner Figuren tragen. Erst die letzte Folge „Tag X“ nimmt sich dann des großen Ereignisses an sich an.
Spannende Eskalation …
Spannend ist dabei, wie Am Anschlag – Die Macht der Kränkung offen lässt, wer von den ganzen Leuten wie an diesem Amoklauf beteiligt ist. Die Männer und Frauen sind dabei größtenteils Opfer, die – so wird stark impliziert – einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Gleichzeitig drängt sich aber auch schnell der Eindruck auf, dass irgendjemand aus diesem Kreis der oder die Mörderin sein wird. Aber wer? Das ist als Idee durchaus interessant und auf eine gewisse Weise die Umkehrung des aus dem Krimigenres bekannten Whodunnit-Prinzips. Während dort die Geschichte normalerweise mit dem Mord beginnt und man als Zuschauer und Zuschauerin miträtseln darf, wer dahintersteckt, ist hier die spannende Frage: Wer wird später einen Mord begehen?
Die einzelnen Folgen dienen daher nicht nur dem eigentlichen Spannungsaufbau, wenn die Ungeduld des Publikums immer mehr steigt: Man will ja schließlich wissen, wer es ist. Sie dienen vor allem der Charakterisierung der verschiedenen Figuren. Sie alle befinden sich, so wird recht bald klar, in einer Form der Krise. Die kann mal berufliche Gründe haben oder auch private. Manchmal ist es beides. Überhaupt fällt Am Anschlag – Die Macht der Kränkung dadurch auf, wie sehr sich vieles überschneidet. Selbst wenn die Protagonisten und Protagonistinnen nicht einem gemeinsamen Bekanntenkreis entstammen, kreuzen sich die Wege doch immer mal wieder. Und fast immer führen solche Kreuzungen zu weiteren Stressfaktoren und Auseinandersetzungen, so als würden sich alle gegenseitig zum Amoklauf anstacheln, bis dann eben bei einem oder einer die Sicherungen durchknallen.
… bis es irgendwann knallt
In dieser geballten Form ist das natürlich schon ein wenig überzogen. Es fehlt bei der Ansammlung von Problemen, Streitigkeiten und Konflikten ein Ausgleich, eine Art Alltag. Positivbeispiele gibt es ohnehin nicht. Fast alle Figuren in der Serie sind auf die eine oder andere Weise unsympathisch. Und natürlich bleibt am Ende auch irgendwie die Frage offen: Wieso nehmen die meisten Leute diese Demütigungen und Niederlagen trotz ihres Frustes an, während Einzelpersonen ausrasten. Gerade weil die Serie so vielen eine mögliche Motivation mitgibt, selbst Amok zu laufen, bleibt es ein Rätsel, was einige wenige die Schwelle überschreiten lässt. Aber Am Anschlag – Die Macht der Kränkung ist eben auch sehr spannend, wie es diese Rätsel mitgibt und dabei nach und nach die Intensität erhöht. Sie zeigt zudem, wie in einer Gesellschaft, in der die meisten nur um den eigenen Vorteil kämpfen, das Risiko steigt, dass jemand irgendwann so sehr zur Seite gedrängt wird, bis es zu einer gewalttätigen Gegenreaktion kommt.
OT: „Am Anschlag – Die Macht der Kränkung“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2021
Regie: Umut Dağ
Drehbuch: Agnes Pluch
Musik: Iva Zabkar
Kamera: Cristian Pirjol
Besetzung: Murathan Muslu, Julia Koschitz, Johanna Wokalek, Antje Traue, Jonas Holdenrieder, Lea Zoë Voss, Ulrike Willenbacher, Anian Zollner, Paul Wollin, Luis Aue
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