Nicht nur der Traum, Arzt zu werden, ist eine Motivation für den jungen Neurochirurgen Jo Hauser (Barnaby Metschurat), sondern auch eines Tages in der Lage zu sein, seinem wegen Muskeldystophie an den Rollstuhl gefesselten jüngeren Bruder zu helfen. Gerade deswegen lässt er sich von seiner Stelle in Duisburg nach Berlin an eben jene Klinik versetzen, an welcher der renommierte Professor Müller-LaRousse (Herbert Knaup) arbeitet und forscht. Von ihm wie auch seiner kleinen, erlauchten Forschertruppe erhofft sich Jo, neue Impulse, um seinem Bruder wie auch vielen anderen helfen zu können. Doch es dauert eine Weile, bis der neue Arzt die Aufmerksamkeit des Mediziners erlangt, der seine Forschungen im Geheimen hält und diese nur mit einem jungen Stab von Mitarbeitern teilt. Da Müller-LaRousse den Einsatz Jos bemerkt, lädt er ihn schließlich zu sich nach Hause ein und macht ihn mit seinem Kollegen bekannt, die schon seit vielen Jahren mit ihm an einem Projekt zur Erneuerung von Muskelgewebe forschen. Viel mehr noch sind es künstliche Implantate, welche die jungen Mediziner sich teils selbst implantieren ließen als Zeichen ihrer Treue und ihres Engagements. Auch Jo soll ein solches erhalten, damit er zu der Gruppe gehört und damit sie ihre Forschungen weiter durchführen müssen, was dieser auch nach kurzem Überlegen über sich ergehen lässt.
Schon nach kurzer Zeit zeigen diese Wirkung, denn Jo ist nicht nur schneller, sondern auch leistungsfähiger, was aber auch seinen Preis hat, da er im Laufe der Zeit wegen der Schmerzen immer mehr Medikamente zu sich nehmen muss. Auch die Praktiken des Professors befremden Jo zusehends, besonders als er wegen seiner mutmaßlichen Verbindungen zu der Loge der Antihippokraten, einer Gruppe Mediziner, die sich über ethische Bedenken bei ihrer Forschung hinwegsetzen, verhört wird. Als Jo schließlich erkennt, welchen Plan Müller-LaRousse verfolgt und welche Opfer dieser bereits forderte, will er diesen aufdecken, hat aber nicht mit der Loyalität der Mitarbeiter des Professors gerechnet, die Bauer nun aus dem Weg schaffen wollen.
Götter in Weiß
Als Regisseur Stefan Ruzowitzky eines Tages von einem befreundeten Chirurgen das Hörgerät eines Patienten vorgestellt bekam, welches per Fernbedienung ein- und ausschaltbar war, hatte er die Idee für die Fortsetzung zu seines bis heute erfolgreichsten Filmes. Dieser Kontrast auf der einen Seite einem Menschen als Arzt helfen zu können, doch diesen auch kontrollieren zu können, wenn man es darauf anlegt, bildete die Grundlage für Anatomie 2. War der erste Teil, der im Jahre 2000 die kommerziell erfolgreichste heimische Produktion in den deutschen Kinos war, noch sehr dem Slasher-Genre verpflichtet, geht der zweite Teil eigene Wege und ist erzählerisch gereifter.
Abermals ist es der Konflikt zwischen Helfen und dem Streben nach Perfektion, der im Vordergrund steht. Im Gegensatz zu der von Franke Potente gespielten Paula ist Barnaby Metschurats Figur jedoch wesentlich ambivalenter, wie sich im Laufe der Handlung herausstellt. Durch seine Verbindung mit den „Göttern in Weiß“, wie die Clique um Professor Müller-LaRousse genannt wird, erhält eine Dunkelheit in seinen Charakter Einzug, bei der niemals sicher ist, ob diese Tendenzen bereits vorher da waren oder nicht. Zeichnete die Heldin des vorherigen Teiles sich durch ihre Intelligenz aus, ist es im Falle von Jo Hauser eher dessen Verführbarkeit, was seiner Geschichte an manchen Stellen durchaus tragische Aspekte gibt, was besonders in den Szenen über Jos Bruder und dessen Erkrankung deutlich wird.
Diese Fehlbarkeit, welche Ruzowitzky in seinem Drehbuch herausstellt, und Metschurat gekonnt spielt, ist eine wirklich gelungene Veränderung, die Anatomie 2 zu einer wirklich soliden Fortsetzung macht. Dabei entfernt man sich vom Slashergenre und wird eher zu einem Thriller über die Verführbarkeit des Menschen sowie seinen beinahe tragischen Hang zum Perfektionismus.
Der Pfad zur Selbstoptimierung
Besonders dieses zweite Thema findet sich wieder in der Idee der Selbstoptimierung, welche die Rolle des Körpers aus dem ersten Teil aufgreift, diese aber weiterdenkt. Die jungen Ärzte um Müller-LaRousse sind nicht nur erfolgreich, sondern auch schön und intelligent, also Abkommen einer neuen Elite, die nicht mehr länger geboren wird, sondern von Medizinern wie ihnen gemacht wird. Es ist nunmehr nicht die Untersuchung an einem fremden Körper, dafür ist nun der eigene Körper Gegenstand der Forschung und im Zentrum eines Optimierungswahn, der durchaus als Sinnbild für den heutigen Optimierungswahn, seiner Grenzen und Nebenwirkungen gesehen werden kann. Die Suche nach dem Supermenschen wird letztlich zu einer Suche nach dem besten Ich, welches höher, schneller und weiter kommt, dabei aber immer weniger zum Menschen und mehr zur Maschine wird.
Die Art und Weise, wie mit diesen neuen Fähigkeiten umgegangen wird, ist noch etwas unbeholfen, wie auch teilweise die Inszenierung dieser, doch im Großen und Ganzen interessanter als manch andere Fortsetzungen, die nur einen lauen Aufguss des ersten Teils präsentieren.
OT: „Anatomie 2“
Land: Deutschland
Jahr: 2003
Regie: Stefan Ruzowitzky
Drehbuch: Stefan Ruzowitzky
Musik: Marius Ruhland
Kamera: Andreas Berger
Besetzung: Barnaby Metschurat, Herbert Knaup, Heike Makatsch, Roman Knižka, Wotan Wilke Möhring, Frank Giering, Rosie Alvarez, Franka Potente
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