Son of the South
Szenenbild aus Barry Alexander Browns Drama "Son of the South" (© Busch Media Group)

Barry Alexander Brown [Interview]

Barry Alexander Brown ist ein US-amerikanischer Filmeditor und -regisseur. Vor allem seine zahlreichen Kollaborationen mit Filmemacher Spike Lee machten Brown berühmt, denn er hat den Schnitt bei Werken wie Do the Right Thing (1989), Malcolm X (1992), He Got Game (1998), 25 Stunden (2002), Inside Man (2006) und zuletzt BlacKkKlansman (20218) übernommen, für welche er in der Kategorie Bester Schnitt bei der 91. Oscarverleihung nominiert war.

Neben seiner Arbeit als Editor führte Brown bei vielen Dokumentarfilmen Regie, wie beispielsweise The War at Home (1979), den er zusammen mit Glenn Silber inszenierte und welcher sich mit der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg in Madison, Wisconsin befasst. Neben Dokumentation führte er auch bei Spielfilmen Regie, wie etwa der Komödie Winning Girls Through Psychic Mind Control (2002).

In seinem Spielfilm Son of the South (2020) erzählt Brown die Geschichte von Bob Zellner, einem Mitglied der Bürgerrechtsbewegung in seiner Heimat Alabama. Der Film basiert auf Zellners Biografie The Wrong Side of Murder Creek: A White Southerner in the Freedom Movement. Anlässlich des deutschen Kinostarts von Son of the South am 26. August 2021 unterhalten wir uns mit Brown über die Rolle Bob Zellners innerhalb der Bürgerrechtsbewegung, warum seine Geschichte so lange unbekannt war und über die zwei Gesichter der Südstaaten der USA.

Was hat dich an der Geschichte Bob Zellners und seines Engagements für die Bürgerrechtsbewegung fasziniert?

Die meisten Menschen wissen nicht, wer Bob Zellner war, es sei denn man war selbst oder jemand aus der Familie war Teil der Bürgerrechtsbewegung in den 60ern in den USA. Dabei war Bob essenziell für die Bewegung, doch letztlich war er Teil einer Organisation, die damals hunderte von Mitglieder hatte, von denen heute vielleicht eine Handvoll bekannt sind.

Was ich an Bob bewundere, ist, dass er in einer Zeit, in der das besonders schwierig war, sich daran erinnert hat, welcher Mensch er eigentlich sein will und sich damit gegen den Strom der Zeit und immensen Druck von außen gestellt hat. Er wollte das Richtige tun und war bereit notfalls sein Leben dafür einzusetzen. Ich selbst komme aus dem Süden der USA und finde Bobs Geschichte ungemein inspirierend.

Im Film beschreibt Bob, wie er bereits als Kind einen Perspektivwechsel erlebte, nachdem ihm klar wurde, dass es keinesfalls vertretbar ist, andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe zu diskriminieren. Was muss geschehen, damit eine solche Erkenntnis sich auf ein ganzes Land wie die USA überträgt?

Das braucht vor allem Zeit und wird nicht in einer Generation zu leisten sein. Es braucht aber vor allem einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel sowie Menschen, die sich für einen solchen einsetzen, da ansonsten alte Ressentiments und Verhaltensweise von der nächsten Generation übernommen werden.

Darüber hinaus muss man an die Prinzipien vieler Menschen appellieren, die an christliche Werte zwar glauben, aber die de facto nicht praktizieren. Wenn es um die Frage geht, was Jesus tun würde und auf welcher Seite er stehen würde, dann muss den Menschen klar werden, dass er es keinesfalls hingenommen hätte, dass man andere Menschen diskriminiert.

Dazu gehört in erster Linie eine Akzeptanz und ein Verständnis dafür, welche fundamentale Rolle Afroamerikaner innerhalb der Geschichte der USA spielen. Was wir heute als amerikanisch verstehen, haben sie mitgeprägt und es gehört zu einem Wandel dazu, sie alleine deswegen als Amerikaner anzusehen und nicht als Minderheit.

Diese Einsicht, dass es nicht einen selbst auf der Erde und in diesem Land gibt, und dass andere Menschen ebenso ein Recht haben zu existieren und ihre Leben zu leben, ist wichtig, doch es braucht wohl eine Weile, bis das bei jedem angekommen ist.

Was waren die Herausforderungen ein Geschichtsdrama wie Son of the South zu inszenieren?

Wenn ich ehrlich sein soll, hat sich Montgomery, Alabama nicht so sehr verändert seit 1961, also der Zeit, in welcher der Film spielt. Andere Teile der Stadt haben hingegen einen fundamentalen Wandel hinter sich und stehen im Kontrast zu jenen Bezirken und Gegenden, in denen wir Son of the South drehten.

Ein besonderer Aspekt dieser Zeit hatte mit der Art zu tun, wie sich Menschen damals anzogen. Viele Kritiken des Filmes behaupten, ich würde Dinge beschönigen, weil die Figuren alle so elegant und sauber gekleidet sind, aber wenn man sich Archivmaterial aus dieser Zeit ansieht, stellt man schnell fest, dass die Menschen damals wirklich so aussahen. Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung waren stets adrett gekleidet: die Männer in blütenweißen Hemden und die Frauen in sehr schönen, farbenfrohen Kleidern. Selbst wenn abzusehen war, dass sie in eine Demonstration geraten würden oder in eine Auseinandersetzung mit Weißen, waren sie so gekleidet. Eloise Crane Stammerjohn, meine Produktionsdesignerin, hat nicht nur viel Berufserfahrung, sondern stammt aus Montgomery. Zusammen mit ihr habe ich diese Zeit für den Film wiederauferstehen lassen und ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen.

Der Film zeigt ein sehr widersprüchliches Bild des Südens der USA, der auf der einen Seite unglaublich schön ist, dann aber eine sehr dunkle Geschichte hat. Inwiefern war es deine Absicht diese beiden Seiten in Son of the South widerzuspiegeln?

Das war meine Absicht, obwohl diese ersten Bilder, auf die du dich beziehst, von meinem Sohn Nick Brown stammen, der bei Son of the South als Second Unit Regisseur fungierte. Montgomery, Alabama zeichnet sich durch seine besondere Schönheit aus und seine Natur, doch dann gibt es auch diese allseits präsente Geschichte der Sklaverei und der Rassentrennung, wie in vielen anderen Städten im Süden der USA.

Alabama hat eine so facettenreiche Geschichte. Dort war eine wichtige Bastion der Konföderierten während des Amerikanischen Bürgerkrieges und dort wurde die Bürgerrechtsbewegung der 60er gegründet. Darin liegt eine gewisse Logik, denn wo sonst sollte der Kampf gegen Unterdrückung beginnen, wenn nicht in einem Bundesstaat, in welchem das Maß dieser so immens war. Nur wenige Meter von der Stelle, von der aus das Telegramm aufgegeben wurde, welches den Beginn des Bürgerkriegs bildete, bestieg Rosa Parks in den 50ern jenen Bus, in dem sie sich auf den Sitz, der für Weiße gedacht war, setzte.

Als der echte Bob Zellner im Drehbuch las, dass Montgomery eine wunderschöne Stadt mit einer hässlichen Geschichte ist, sagte er nur, dass man das wohl über viele Städte im Süden der USA sagen könne, womit er wohl recht hat.

Wie kam es dazu, dass du Lucas Till für die Rolle des Bob Zellner besetzt hast?

Lucas kommt auch aus dem Süden, er wuchs ins Georgia auf. Wenn ich ehrlich bin, sieht er dem jungen Bob Zellner sehr ähnlich, hat die gleichen blauen Augen und die blonden Haare. Für die Rolle des Bob Zellner haben wir einen langen Castingprozess veranstaltet und Lucas hat mich sehr beeindruckt bei seinem Vorsprechen, weshalb ich froh war, als wir uns letztlich auch für ihn entschieden.

Wenn du mich fragt, hatte ich vielleicht einen Schutzengel bei diesem Projekt, denn nicht nur war Lucas begeistert von der Rolle, er engagierte sich in jeder Szene und wir beide konnten gut miteinander arbeiten. Er verstand die Nuance dieses Charakters, beispielsweise, wenn Bob am Anfang des Filmes noch Bedenken hat, ob er sich wirklich mit der Bürgerrechtsbewegung einlassen soll und dafür sich selbst und seine Familie in Gefahr bringt. Lucas hat diesen inneren Kampf gespielt, aber genauso diesen Mut zu sagen, dass man ein Unrecht, das anderen widerfährt, nicht länger hinnehmen will, weil es gegen alles geht, was man gelernt und erfahren hat.

Wenn der echte Bob Zellner, mit dem ich seit vielen Jahren befreundet bin, seine Geschichte erzählt, bekomme ich das Gefühl, dass er einmal genauso war, wie ihn Lucas im Film gespielt hat. Er war und ist jemand, der sich zwar der Risiken seines Tuns bewusst war, aber auch nicht anders konnte, als für andere einzustehen.

Viele Biopics begnügen sich bekanntlich damit, das Leben einer bekannten Person herunterzurattern, gehen aber gar nicht auf das Besondere an ihr ein oder warum man sich für sie in der heutigen Zeit interessieren sollte. Was ist deine Philosophie, wenn es um das Inszenieren von Biografien fürs Kino geht?

Das stimmt leider, denn viele Biopics berühren nur die Oberfläche, wie ein flacher Stein, der nur gelegentlich das Wasser berührt, wenn man ihn richtig wirft. Doch den Kern einer Person, was diese aufmacht, beschreiben sie nicht, was auch eine fast schon unmögliche Aufgabe ist.

Im Falle von Bobs Geschichte dachte ich auch nicht, dass ich, wenn ich mich auf vielleicht fünf bis sechs Jahre beziehe, begreifbar mache, was ihn ausmacht und was er geleistet hat. Letztlich entschied ich mich, nur wenige Monate in Bobs Lebens als Ausgangspunkt zu nehmen, weil diese sein Leben maßgeblich prägten. Diese zeigen, wie er von einem Befürworter der Bürgerrechtsbewegung zu einem Aktivisten für diese wurde und wie er sich der Frage stellen muss, auf welcher Seite der Geschichte er nun stehen will.

Im Film wird von der Figur des John Lewis dieser berühmte Satz gesagt: „Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann?“ Dieses Zitat fasst gut zusammen, um was in Son of the South geht und warum diese wenigen Monate Anfang der 60er Jahre so besonders waren für Bob Zellner.

Vielen Dank für das nette Gespräch.



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