Mit nur drei Regeln herrscht Bademeister Karl (Milan Peschel) über sein Reich. Erstens: immer Recht haben. Zweitens: null Toleranz. Und drittens: stets zeigen, wo der Hammer hängt. Vermutlich kennt jeder solche Spaßbremsen am Beckenrand, aber Karl übertrifft sie alle. Seit 30 Jahren markiert Karl den Kim Jong-un im Freibad des bayerischen Örtchens Grubberg. Doch nun droht Ungemach. Der Bürgermeisterin (Gisela Schneeberger) ist das Bad zu teuer und Baulöwe Albert Dengler (Sebastian Bezzel) giert danach, die Fläche mit „Townhäusern in Landhaustil“ zu verunstalten. Zum ersten Mal in seinem Leben ist Karl auf Unterstützung angewiesen. Er braucht massenhaften Protest gegen das Aus. Doch woher nehmen, wenn um das Ekelpaket alle einen Bogen machen? Hat vielleicht sein ungeliebter Azubi, der aus Nigeria stammende Sali (Dimitri Abold), eine Idee? Oder Lisa (Sarah Mahita), die in der Krise steckendende Profischwimmerin? Oder gar die tyrannische Trainerin (Johanna Wokalek) des Herren-Wasserballteams?
Gemütliche Lagesondierung
Gemächlich wie ein früher Schwimmbadmorgen vor der Öffnung sondiert die bayerische Wohlfühlkomödie die Lage. In aller Ruhe stellt sie das Personal vor, allesamt gestandene Sturköpfe, genretypisch zur Karikatur überzeichnet. Gemütlich sondiert sie die Lage. Wer ist mit wem verbandelt? Wessen Erzfeind ist wer? Wo wird gemauschelt? In welchen Hinterzimmern werden die entscheidenden Allianzen geschmiedet? Einige Zeit sieht der neue Film von Marcus H. Rosenmüller wie eine recht konventionelle deutsche Komödie aus: träge zusammengebastelt, mit Klischees nicht sparend, ein mühelos durchschaubarer Mix, in dem für jeden ein müder Witz dabei ist. Aber wie am Beckenrand, so auch im Film: Die Schule ist aus, Kinder wollen Spaß, das Bad füllt sich im Nu. Das Chaos kommt unaufhaltsam und mit Macht. Das Tempo zieht an, Slapstick macht sich breit, die Turbulenzen drehen sich immer schneller.
Als Erfinder des „neuen bayerischen Heimatfilms“ wird Regisseur Marcus H. Rosenmüller seit seinem charmant-skurrilen Debüt Wer früher stirbt, ist länger tot (2006) gehandelt. In Beckenrand Sheriff bietet er nun auch ein paar Zugereisten Asyl. Dadurch wird die auf ein großes Publikum angelegte Komödie nicht allein von der bayerischen Mundart geprägt, deren filmische Variante übrigens überall verständlich ist. Zum Zug kommen daneben etwa die überragenden hessischen Einlagen von Rick Kavanian als Vogelforscher Dr. Rieger, der als Münchner einen hervorragenden Dialektcoach gehabt haben muss. Und der gewohnt hervorragende Milan Peschel muss als Berliner keinerlei Verrenkungen machen, um bei Rosenmüller mitzuspielen. Er darf einfach so loswettern, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
Viele Themen am Beckenrand
Grundiert wird die herrlich überdrehte Sommerkomödie von ein paar ernsten Themen. Zum einen ist da natürlich das allseits bekannte Phänomen, dass Frei- und Hallenbäder vielerorts auf der Kippe stehen. Zum anderen spielt die Migration hinein. Und drittens gibt es einen zeitlosen Vater-Tochter-Konflikt. Aber das Drehbuch von Marcus Pfeiffer zieht daraus kein billiges Alibi, um ansonsten dem Komödienaffen hemmungslos Zucker zu geben. Der kleine Hauch von Sozialrealismus hat eher damit zu tun, dass die Figuren trotz aller Überspitzung aus dem Leben gegriffen sind. Beckenrand Sheriff nutzt die Charakterstereotypen, um sie zu brechen. So wie die Herrentrainerin, die vor dem entscheidenden Match ein Muster des Sportfilms zitiert: Eine Mannschaft von Losern kann nur dank einer entscheidenden Rede gewinnen, die alles verändert. Sagt’s und feuert an: „Das ist die Rede, ihr seid die Loser“. Wer mit dem Genre spielt, macht etwas Neues daraus.
Schon öfter hat Regisseur Rosenmüller bayerische Dorfgemeinschaften gezeichnet, die in Bewegung geraten, am deutlichsten in Sommer in Orange (2011). Verhärtete Fronten weichen auf, Erzfeinde wagen ein Tänzchen. Der Kampf ums Schwimmbad in Beckenrand Sheriff verflüssigt die versteinerten Verhältnisse. Selbst eingefleischte Zwangsneurotiker bekommen eine zweite Chance, vor allem, wenn sie sich zusammentun. Vielleicht wird nicht komödientypisch alles gut, Tyrannen bleiben eben Tyrannen. Trotzdem ist etwas in Fluss gekommen, nicht nur beim hyperkontrollsüchtigen Bademeister.
OT: „Beckenrand Sheriff“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch: Marcus Pfeiffer
Musik: Andrej Melita
Kamera: Torsten Breuer
Besetzung: Milan Peschel, Sebastian Bezzel, Gisela Schneeberger, Rick Kavanian, Johanna Wokalek, Dimitri Abold, Sarah Mahita
Was hat ihn an dem Film gereizt? Und wie steht er selbst zu Schwimmbädern? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarsteller Milan Peschel in unserem Interview zu Beckenrand Sheriff gestellt.
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