Candyman 2021
© Universal Pictures

Candyman (2021)

Inhalt / Kritik

„Candyman“ // Deutschland-Start: 26. August 2021 (Kino) // 6. januar 2021 (DVD/Blu-ray)

Wie in vielen Städten der USA haben auch in Chicago städtebauliche Maßnahmen wie auch Gentrifizierung dafür gesorgt, dass eine andere Klientel von Mietern in Bezirke zieht, die entweder vollständig renoviert worden sind oder vormals Standort von Sozialbauwohnungen waren. So konnte sich unter anderem der Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) mit seiner Frau Brianna Cartwright (Teyonah Parris) eine gemeinsame Bleibe leisten, welche er auch als Studio nutzt. Schon seit geraumer Zeit ist es seine Mangel an Inspiration, der Anthony zu schaffen macht. Durch Zufall stößt der Künstler dann auf die Geschichte des Sozialbauprojekts Cabrini-Green, in dem in den 1990ern eine Mordserie verübt wurde, welche mit dem Flammentod der vermeintlichen Mörderin Helen Lyle, einer Reporterin, endete. Was zunächst wie eine Gruselgeschichte in Anthonys Ohren klingt, entpuppt sich bald schon als Wahrheit und bringt ihn zu dem Thema, welches Helen vor ihrem Tod untersuchte, nämlich die mythische Gestalt des Candyman, einem hünenhaften afroamerikanischen Mann, der statt einer rechten Hand einen Haken hatte, mit welchem er seine Opfer tötete, als Rache für ein erlittenes Unrecht. Fasziniert geht Anthony der Geschichte weiter nach und lässt sich von ihr inspirieren zu neuen Werken, und verbringt schon bald ganze Tage im Atelier, wo er wie besessen an gleich mehreren Installationen und Gemälden arbeitet.

Als dann bei einer Ausstellung seine neuen Werke gezeigt werden, ist das Kritikerecho eher verhalten und man wirft Anthony Sensationalismus vor. Besonders die makabre Natur der Werke, beispielsweise eines Spiegels, der den Betrachter auffordert, fünfmal den Namen des Candyman zu sagen, als eine Art Mutprobe, irritiert viele Menschen. Als aber nach ein paar Tagen in der Galerie ein Doppelmord begangen wird, ist Anthonys Kunst auf einmal in den Schlagzeilen und auch die Kunstwelt interessiert sich wieder für ihn. Jedoch fragen sich Anthony und Brianna, ob sie nicht mit der Ausstellung den Fluch des Candyman neu entfacht haben und dieser hinter den Morden steckt.

Ein dunkle Legende kehrt zurück

Bereits in den frühen 2000er Jahren gab es im Zuge der erfolgreichen Neuverfilmungen und Crossover-Filme mit Ikonen des Horrorgenres wie Michael Myers, Freddy Krueger und Leatherface Bemühungen, auch den Candyman wiederauferstehen zu lassen, wobei jedoch die Idee von Regisseur Bernard Rose, welcher den ersten Film des Franchise gedreht hatte, auf wenig Anklang bei Produzenten stieß. Erst 2018 wurde die Idee eines neuen Candyman-Films wiederaufgegriffen, und zwar von Produzent Jordan Peele, der zuvor mit Werken wie Get Out und Wir sein Talent für das Genre gezeigt hatte. Als Regisseurin wurde Newcomerin Na DaCosta engagiert, die zuvor das Indie-Drama Little Woods inszeniert hatte.

Bei der Idee eine existierende Geschichte neu zu verfilmen oder eine etablierte Figur in die Neuzeit zu versetzen, haben gerade Fans des Horrorgenres wohl immer gemischte Gefühle. Betrachtet man alleine das zwiegespaltene Echo, auf das David Gordon Greens Halloween oder Fede Alvarez’ Neuinterpretation von Sam Raimis Evil Dead stießen, wird sofort klar, dass ein derartiges Unterfangen nicht gerade einfach ist, zumindest nicht in künstlerischer Hinsicht. Von daher geht Nia DaCostas Candyman einen durchaus mutigen, aber cleveren Weg, wenn die Geschichte als Fortsetzung des Originalfilms angesetzt ist. Anders als jedoch Greens Halloween, der denselben Weg beschreitet, geht es weniger um das Wieder-Aufgreifen visueller Themen oder um die Entwicklung etablierter Charaktere, vielmehr versteht das Drehbuch, an dem Peele und DaCosta mitschrieben, die Geschichte als eine logische Weiterführung des Candyman, der nicht mehr länger nur ein austauschbarer Killer ist, wie es sie im Genre so häufig gibt, sondern vielmehr verstärken sie das Konzept der Figur als Metapher. War dieser bereits in Roses Film ein Sinnbild für Unrecht, Armut und Ungleichheit, wird er in der Fortsetzung weitergedacht als eine Spiegelung von Konflikte, welche besonders in den letzten Jahren immer weiter hochgekocht sind innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung.

Der Fluch des schwarzen Mannes

Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass Candyman ein politischer Film ist, denn neben den sozialkritischen Elementen bedient DaCosta in ihrer Inszenierung traditionelle Elemente des Genres. Neben der Dramaturgie der blutigen Szenen sowie der für die Reihe typischen Atmosphäre, bei der nie ganz klar ist, ob eine Figur träumt oder sich in der Wirklichkeit bewegt, ist besonders das Bild der Stadt interessant, welches in diesem neuen Candyman gezeigt wird. Wie in Roses Film ist Chicago zu verstehen als eine eigenständige Figur, ein Spiegel der unheimlichen Elemente, beispielsweise durch die omnipräsenten düsteren Geschichten, welche besonders an Orten wie Cabrini-Green eine Rolle spielen. Zugleich spielt DaCosta mit der Idee des Überschreitens von Grenzen, der zwischen Traum und Wirklichkeit, aber auch der zwischen den besseren Vierteln hin zu jenen sozialen Brennpunkten, an denen der Candyman und dessen Legende nach wie vor verbreitet sind.

Der bereits aus Wir und The Trial of the Chicago 7 bekannte Yahya Abdul-Mateen II führt ein tolles Ensemble an, wobei er heraussticht als ein Künstler, der sich in seiner Obsession für ein Thema selbst zu verlieren scheint. Insbesondere den sehr aktuellen Konflikt eines Künstlers um Authentizität und das Finde der eigenen Stimme wird von ihm beeindruckend dargestellt, sodass man gespannt sein darf, was man von diesem Darsteller in der Zukunft sehen wird.

Credits

OT: „Candyman“
Land: USA, Kanada
Jahr: 2021
Regie: Nia DaCosta
Drehbuch: Jordan Peele, Win Rosenfeld, Nia DaCosta
Musik: Robert A. A. Lowe
Kamera: John Guleserian
Besetzung: Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett, Colman Domingo, Vanessa A. Williams

Bilder

Trailer

Interview

Vanessa A. Williams spielte schon in Candymans Fluch seinerzeit mit, auch beim neuen Candyman ist sie mit von der Partie. Das nehmen wir zum Anlass, um uns mit der Schauspielerin in unserem Interview über die Arbeit an den beiden Filmen und die gesellschaftliche Relevanz von Horror zu unterhalten.

Vanessa A. Williams [Interview]

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„Candyman“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung der Horrorreihe. Regisseurin Nia DaCosta verbindet Elemente des Genres mit aktuellen, sozialkritischen Bezügen und macht „Candyman“ zu einer gruseligen wie auch relevanten Frischzellenkur für die Reihe.
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