Sonderlich weit ist Adem (Torben Föllmer) nach dem Ausbruch aus dem Gefängnis nicht gekommen. Kaum ist er mit Mühe und Not bei einem Wrack angelangt, in dem er Schutz suchen will, da steht bereits Novak (Milan Pesl) vor ihm. Sein Auftrag: den geflüchteten Sträfling einzufangen und zurückzubringen. Doch dann kommt es anders. Als die beiden Männer feststellen, dass es sich bei dem Wrack um ein zwar heruntergekommenes, aber trotz allem noch funktionstüchtiges Raumschiff handelt, beschließen sie, gemeinsam von dem Planeten zu fliehen und woanders eine neue Heimat zu suchen. Einfach ist das jedoch nicht. Nicht nur die mangelnde Ausrüstung macht den zweien zu schaffen. Es kommt auch immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen …
Der schwierige Weg ins All
Dass das Genrekino in Deutschland keinen besonders guten Stand hat, ist kein wirkliches Geheimnis. Interesse von Seiten der Filmschaffenden gibt es dabei natürlich durchaus. Es stößt jedoch auf viel Skepsis von Seiten des Publikums wie auch der Förderanstalten, die darin keinen wirklichen Wert sehen möchten. Ganz besonders schwer hat es in der Hinsicht das Science-Fiction-Genre. Schließlich ist dieses in der öffentlichen Wahrnehmung heutzutage nur noch als Blockbustervariante eine Option. Wenn da nicht mindestens dreistellige Millionenbeträge investiert werden und es zu effektreichen Schlachten kommt, bei denen man schon gar nicht mehr weiß, wo man hinschauen soll, ist man bei vielen schon untendurch.
Dabei geht das auch ganz anders, wie das Beispiel Das letzte Land zeigt. Klar, wer von dem Genre knallige Effektgewitter erwartet, der wird hier enttäuscht. Der deutsche Film musste überwiegend ohne Budget auskommen, was naturgemäß viele Einschränkungen mit sich bringt. Das zeigt sich bereits an den Schauplätzen. Anstatt wie bei Hollywood-Kollegen à la Interstellar eine Reihe höchst unterschiedlicher Welten aufzuzeigen, bei der jeder Planet zu einem Ereignis wird, gibt es hier praktisch nichts zu sehen. Dann und wann wagen wir einen kurzen Blick nach draußen und bekommen auf diese Weise eine Ahnung, was da draußen alles auf die Menschheit warten könnte. Aber das sind nicht mehr als Schnappschüsse. Ein Großteil der Aufnahmen stammen aus dem Raumschiff selbst, so sich die Geschichte abspielt.
Die Suche nach dem Sinn
Beispiele für solche Science-Fiction-Werke gibt es natürlich nicht zu wenige, in den unterschiedlichsten Ausführungen. 2001: Odyssee im Weltraum machte aus einem solchen Setting eine philosophisch ausgerichtete Grenzerfahrung, Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt entdeckte in der Abgeschiedenheit den Horror, Passengers interessierte sich in erster Linie für den zwischenmenschlichen Aspekt. Bei Das letzte Land gibt es von allem ein wenig, ohne dabei jedoch eine Richtung konsequent zu verfolgen. Da treffen Mystery-Anleihen, wenn über das Schicksal der vorherigen Crew spekuliert wird, auf konstante Spannungen zwischen den beiden Männern. Dazu die in dem Genre immer wieder gern aufgebrachte Beschäftigung mit der Sinnhaftigkeit von Existenz als solcher. Warum gibt es mich überhaupt? Was will ich? Was kann ich wollen?
Tatsächliche Antworten darauf gibt es jedoch keine. Das letzte Land ist einer dieser Filme, die es gern etwas weniger konkret haben und stattdessen lieber dem Publikum die Aufgabe überlassen, aus allem schlau zu werden. Wem schon die Vorstellung eines offenen Endes die gute Laune verdirbt, braucht sich auf die Reise erst gar nicht einzulassen. Regisseur und Co-Autor Marcel Barion legt den Schwerpunkt mehr auf das Erleben und Überlegen, weniger auf das Finden und Erfahren. Es gibt auch keine Abenteuer in dem Sinne, selbst wenn der Nachwuchsfilmemacher die beiden Männer auf ein Himmelfahrtskommando schickt. Hier kann jeder Moment der letzte sein, selbst ohne Außerirdische oder feindliche Raumschiffe. Dafür sorgt die mangelnde Technik. Die Enge des Raumschiffs, welches immer etwas Beklemmend-Unheimlich hat. Dafür sorgen auch die beiden Männer, aus denen nie mehr als eine Zweckgemeinschaft wird.
Sehenswerte Retro-Zukunft
Das wird nicht allen gefallen. Das Science-Fiction-Werk, welches 2019 beim Max Ophüls Preis uraufgeführt wurde, ist sperrig, ein wenig seltsam und so gar nicht geeignet für ein wachsendes Publikum mit geringer Aufmerksamkeitsspanne. Für einen Film, der immerhin 113 Minuten lang ist, ist der Inhalt schon recht spärlich. Aber er ist faszinierend präsentiert. Wo andere sich bei ihren Visionen betont futuristisch geben, da hat Das letzte Land einen sehr handgemachten Retrolook. Selbst wenn die Erde hier zu einer fernen Erinnerung geworden ist, von der man nicht mehr sagen kann, ob sie je real war: Der Film selbst scheint aus einer lang vergessenen Zeit zu stammen. Die Ausrüstung des Raumschiffs mit den klobigen Tastaturen, die an selige C64-Zeiten erinnernde grüne Bildschirmschrift, auch die Kostüme lassen einen nostalgisch werden. Das kann dann zwar alles nicht ganz die unweigerlichen Längen überdecken. Aber sie machen das No-Budget-Werk zu einem sehenswerten Beweis, wie sich mit minimalen Mitteln viel Atmosphäre erzeugen lässt, die sich aus dem betont Haptischen, dem ungewöhnlichen Sound Design und natürlich der ewigen Suche nach einem Sinn zusammensetzt.
OT: „Das letzte Land“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Marcel Barion
Drehbuch: Marcel Barion
Musik: Marcel Barion, Oliver Kranz
Kamera: Marcel Barion
Besetzung: Torben Föllmer, Milan Pešl
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