Die 16-jährige Sarah (Jennifer Connelly) könnte sich viele Orte vorstellen, an denen sie den Abend gern verbringen würde. Ihr Zuhause gehört da eher nicht dazu, vor allem nicht, wenn sie dabei auf ihren kleinen Halbbruder Toby (Toby Froud) aufpassen soll, während ihr Vater und die Stiefmutter essen gehen. Heute ist er mal wieder besonders unerträglich. Als würde er mit seinem ständigen Geschrei nicht auch so schon tierisch auf die Nerven gehen, hatte man doch tatsächlich die Frechheit, ihm Sarahs alten Teddy Lancelot zu geben. Irgendwann hat selbst die geduldigste Jugendliche die Schnauze voll. Und so ruft sie in ihrem Ärger den Goblinkönig herbei, damit der ihr gefällst die Nervensäge abnimmt. Zu ihrem Entsetzen steht der König (David Bowie) kurze Zeit später tatsächlich vor ihr und nimmt Toby mit in sein Schloss. Wenn sie ihren Halbbruder zurück will, so erfährt sie, muss sie wohl oder übel durch ein gefährliches Labyrinth gehen und den Weg zum Schloss finden …
Die späte Anerkennung
Jim Henson hat in seinem viel zu kurzen Leben Großartiges geleistet, daran besteht kein Zweifel. Mit seinen Puppen, die er für die Sesamstraße und die Muppets erschaffen hat, hat er Geschichte geschrieben. Figuren wie Kermit der Frosch sind auch mehr als 30 Jahre nach dem Tod des US-Amerikaners unsterblich. Mit seinen Versuchen, als Regisseur Fuß zu fassen, hatte er hingegen sehr viel weniger Glück. Der dunkle Kristall stieß 1982 auf ein nur gemischtes Echo, war auch an den Kinokassen nicht wirklich erfolgreich. 1986 versuchte er sich noch einmal an der Aufgabe, diesmal mit Die Reise ins Labyrinth. Aber auch dieses Mal hielt sich die Resonanz in Grenzen. Während erneut die Puppen viel Lob einfuhren, konnten Kritiker nicht wahnsinnig viel mit dem Film anfangen. Das zahlende Publikum ignorierte das Fantasyabenteuer ebenfalls.
Ein bisschen überraschend war das schon, schließlich wurde mit David Bowie ein echtes Aushängeschild engagiert. Der Sänger und spätere Teilzeitschauspieler durfte nicht nur mehrere Lieder für den Soundtrack einspielen, sondern wurde zu Marketingzwecken auch überdimensional groß auf dem Poster platziert. Dabei spielt die Hauptrolle eigentlich Jennifer Connelly, welche als verträumte und tendenziell selbstsüchtige Teenagerin das gefährliche Labyrinth durchqueren muss. Das ist in dem Fall nicht nur wegen der irreführenden Werbung ein Problem. Die damals noch weitgehend unbekannte Schauspielerin glänzt in Die Reise ins Labyrinth zudem nicht unbedingt mit Leinwandpräsenz. Sarah ist sogar, von Baby Toby vielleicht einmal abgesehen, die langweiligste Figur im gesamten Labyrinth.
Kuriose Puppen in allen Ecken und Enden
Wenn der Film später dennoch Kultstatus errang, dann auch weniger wegen ihr. Selbst Bowie ist, trotz überdimensionaler Perücke und gewöhnungsbedürftiger Kleidung, nur ein mäßig spannender Nebendarsteller. Die eigentlichen Stars sind, wie so oft bei Jim Henson Produktionen, die Puppen. Die haben es dafür in sich: Visuell ist Die Reise ins Labyrinth bis heute ein Ereignis. Der Film ist dabei, trotz der allgegenwärtigen Gefahren, weniger düster als Der dunkle Kristall. Dafür ist das zweite anfangs unterschätzte Abenteuer des Muppet-Meisters ungemein verspielt. Die eigenartigsten Kreaturen durchstreifen das Labyrinth, von bissigen Feen über die helfenden Hände in dem Schacht bis zur Müllsammlerin und den geschwätzigen Türklopfern. Auf Schritt und Tritt begegnet die Reisende irgendwelchen Figuren, eine sonderbarer als die andere.
Wobei diese Stärke gleichzeitig auch wenig die Schwäche des Films ist. Die zahlreichen Männer und Frauen, die an dem offiziell von Monthy Python Terry Jones stammenden Drehbuch arbeiteten, hatten zwar zahlreiche Ideen für Einzelszenen. Wie man diese zu einer durchgängigen Geschichte zusammenfasst, wusste hingegen keiner so recht. Und so gleicht Die Reise ins Labyrinth mehr den diversen TV-Shows Hensons, ist wie bei der Die Muppet Show eine Art Nummern-Revue, bei der von Einsatz zu Einsatz gesprungen wird. Sarah bleibt da nichts anderes übrig, als hinterher zu hetzen, in der Hoffnung, irgendwann am Ende schon richtig rauszukommen. Eine wirkliche Entwicklung macht sie dabei kaum mit, selbst wenn sie zum Schluss zumindest die Kunst der Selbstbehauptung gelernt hat – eine Art Coming of Age, wenn man so will.
Wunderbar handgemacht
Wer aber nicht den Anspruch hat, dass ein Abenteuer unbedingt viel Sinn ergeben oder große Erkenntnisse mit sich bringt, der kann 35 Jahre später immer noch jede Menge Spaß haben. Im naheliegenden Vergleich zu den Buchklassikern Alice im Wunderland und Der Zauberer von Oz zieht Die Reise ins Labyrinth zwar schon den Kürzeren, was nicht zuletzt an den Restriktionen des Labyrinths selbst liegt. Innerhalb dieser gibt es aber so viele wunderbare Einzelmomente, dass nicht ohne Grund so viel später noch immer von der Möglichkeit einer Fortsetzung gesprochen wird. Hinzu kommt, dass seinerzeit fast alles noch handgemacht war, was maßgeblich zum großen Charme des Films beiträgt. Auch wenn die Figuren so durchgeknallt sind und viele Gesetze außer Kraft gesetzt wurden, fühlt sich das hier trotz allem auf eine wohltuende Weise echt an. Eine Welt, die wir alle kennen und doch ganz anders ist.
OT: „Labyrinth“
Land: USA
Jahr: 1986
Regie: Jim Henson
Drehbuch: Terry Jones
Musik: Trevor Jones
Kamera: Alex Thomson
Besetzung: Jennifer Connelly, David Bowie
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