Für Volker (Bjarne Mädel) läuft es schon länger nicht mehr so rund. Von seiner Frau hat er sich trennen müssen, weil er nicht länger mit ihrer Alkoholsucht klar kam. Auch seinen Job beim Fußballverein ist er nach einem unschönen Zwischenfall los. Zwar träumt er davon, wieder dort anzufangen, sobald seine Sperre rum ist. In der Zwischenzeit muss er sich und seinen 16-jährigen Sohn Benny (Nick Julius Schuck) aber irgendwie über Wasser halten und arbeitet deshalb als Paketzusteller. Doch die Arbeitszeiten sind mörderisch, die Bezahlung katastrophal, weshalb das Geld bei den beiden immer knapp ist. Als auch noch eine Abschlussfahrt nach Mallorca ansteht, steht für Volker fest: Er muss irgendwie anderweitig noch etwas verdienen …
Durch das gesellschaftliche Netz gefallen
Die Reichen werden immer Reicher, die Ärmer immer ärmer. Das ist ebenso wenig ein Geheimnis wie das Phänomen, dass viele Geschäftskonzepte maßgeblich auf der Ausbeutung der eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen basieren. In Folge steigt die Zahl derjenigen, die trotz eines festen Jobs kaum das Geld aufbringen, um am Ende des Monats die Miete zu bezahlen. Ein Beispiel für solche prekären Jobs: Paketdienste. Gebraucht werden die immer, seit der Corona-Pandemie und dem damit einhergehenden veränderten Einkaufsverhalten der Leute umso mehr. Doch auch wenn diese zu einem essenziellen Bestandteil heutiger Gesellschaften geworden sind, die Arbeitsbedingungen wurden dadurch nicht besser. Der große Sozialdrama-Meister Ken Loach zeigte vor einigen Jahren anhand von Sorry We Missed You, wie eine Familie der Mittelschicht nach unten durchgereicht wird, während der Vater sich für eben einen solchen Paketdienst kaputt schuftet.
Geliefert ist quasi die deutsche Antwort auf den britischen Kollegen. Der Titel gibt dabei schon auf passende Weise vor, dass wir uns nicht nur im Milieu der Paketzusteller aufhalten, sondern auch dass der Protagonist nicht Herr der Lage ist. Die grundlegende Situation schildert Regisseur und Drehbuchautor Jan Fehse (München Mord: Der Letzte seiner Art) recht früh. Einige Leerstellen, was bei ihm alles schief gelaufen ist, füllt er später noch auf. Er schont Volker dabei auch nicht sonderlich. Als wäre die allgemeine Lage nicht schon schwierig genug, legt er ihm immer mehr Steine in den Weg. Wobei nicht alles davon fremdverschuldet ist. Während manches Unglück tatsächlich auf Pech zurückzuführen ist, zeigt Volker regelmäßig ein beachtliches Talent darin, falsche Entscheidungen zu treffen oder alles noch schlimmer zu machen.
Ein bisschen viel des Schlechten
Bei solchen Anhäufungen von Schicksalsschlägen darf man sich natürlich immer fragen, wie realistisch das alles noch ist. Der TV-Film, der auf dem Filmfest München 2021 Premiere feierte, lässt kaum einen Ruhemoment oder Lichtblick zu. Kurzzeitig sieht es zwar so aus, als könnten Volker und Benny ihre Probleme doch noch in den Griff bekommen. Es dürfte aber nur wenige überraschen zu erfahren, dass das nicht von Dauer ist. Stattdessen lässt Geliefert die Ereignisse eskalieren. Alles, was irgendwie mit einem Risiko verbunden ist, geht am Ende verlässlich auch schief. Ganz überzeugend ist das nicht. Auch wenn das grundlegende Szenario glaubwürdig genug ist und eine Reihe von wichtigen Problemfeldern anspricht, wird hier doch unnötig dramatisiert. Und zum Schluss wird dann – das deutsche Fernsehen verlangt es so – auf einmal aus heiterem Himmel eine Lösung gefunden.
Sofern man sich nicht daran stört, dass die Geschichte an mehreren Stellen konstruiert ist, gibt es aber schon einiges, was es sich zu sehen lohnt. Zum einen funktioniert das Zusammenspiel von Bjarne Mädel (Sörensen hat Angst) und Nick Julius Schuck (Club der roten Bänder) gut, als leicht dysfunktionales Vater-Sohn-Gespann. Der zunehmende Zusammenbruch von Volker, der sich irgendwann selbst nicht mehr wiedererkennt, hat ebenfalls das Potenzial, das Herz der Zuschauer und Zuschauerinnen zu rühren. Die in Geliefert angesprochenen Themen, etwa zum respektlosen Umgang innerhalb einer Gesellschaft und sozialen Schieflagen, sind es ohnehin wert, ein wenig beleuchtet zu werden. Selbst wenn das deutsche Drama hierbei nicht sonderlich in die Tiefe geht und sich auf vielen bekannten Elementen ausruht, es reicht, um sich kräftig darüber aufzuregen, wie hier mit Menschen umgegangen wird.
OT: „Geliefert“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Jan Fehse
Drehbuch: Jan Fehse
Musik: Arash Safaian
Kamera: Michael Wiesweg
Besetzung: Bjarne Mädel, Nick Julius Schuck, Anne Schäfer, Stefan Merki, Ivan Shvedoff, Nadja Sabersky, Ingrid Resch
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