Mr Corman Apple TV+
Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt in der tragikomischen Serie "Mr. Corman" (© Apple TV+)

Joseph Gordon-Levitt [Interview]

In der tragikomischen Serie Mr. Corman lernen wir den Mittdreißiger Josh kennen, der ursprünglich mal Musiker werden wollte, jetzt aber als Lehrer arbeitet. Und auch wenn er diese Arbeit eigentlich gerne macht, so richtig zufrieden ist er mit seinem Leben nicht. Immer wieder kommt es zu Konflikten mit seiner Familie, wenn er nicht gerade mit seiner Unsicherheit oder Angstattacken zu kämpfen hat. Zum Start am 6. August 2021 auf Apple TV+ haben wir uns mit Joseph Gordon-Levitt unterhalten, der sich die Geschichte ausgedacht hat, Regie führte und zudem die Hauptrolle spielt.

Warum wolltest du die Geschichte von Mr. Corman erzählen? Was hat dich dazu inspiriert?

Die Idee zu der Geschichte kam mir schon 2015, das Jahr, in dem ich Vater wurde. Und wenn du Vater geworden bist, dann besteht kein Zweifel mehr: Jetzt bist du ein Erwachsener! Vorher war das mit dem Erwachsensein eine eher vage Angelegenheit, bei der du gar nicht so genau weißt, was das ist und was dich erwartet. Ideen, wie das später mal wird, hast du natürlich schon. Aber wie das nun einmal ist beim Erwachsenwerden, einige Sachen sind so eingetroffen, wie du es dir vorher vorgestellt hast. Und einige Sachen sind ganz anders gekommen. Das kann eine ziemliche Enttäuschung sein und dich ziemlich fertig machen. Manchmal können dich diese Unterschiede aber auch auf eine positive Weise überraschen oder sogar komisch sein. Und eben dieses Lachen darüber, wie das Leben manchmal ganz unerwartete Wege einschlägt, wollte ich mit Mr. Corman rüberbringen.

Die Geschichte, die du erzählst, ist eine sehr persönliche. Denkst du, dass sich das Publikum damit identifizieren kann?

Meiner Meinung nach kann man sich mit den Geschichten am besten identifizieren, in denen jemand sich ganz ehrlich mit dem eigenen Leben auseinandersetzt und offen damit umgeht, wer er ist. Nicht falsch verstehen: Ich spiele mich nicht selbst in Mr. Corman, das ist keine Autobiografie. Aber meine Figur und ich haben einiges gemeinsam. Wir verhalten und reden ähnlich und haben auch einen ähnlichen Geschmack. Wenn ich nicht das Glück hätte, meinen Lebensunterhalt im Showgeschäft verdienen zu können – und ich glaube wirklich, dass das vor allem eine Frage des Glücks ist –, würde ich es lieben, als Lehrer arbeiten zu können. Lehrer sind so inspirierend für mich, wahre Helden. Ich würde mir wünschen, dass sie sehr viel mehr Wertschätzung bekommen, als es der Fall ist. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich hoffe, dass sich die Leute in der Geschichte wiederfinden können und über das lachen, worüber ich selbst gelacht habe.

In der Serie reden die Figuren oft darüber, wie man Erfolg hat, aber auch, was Erfolg überhaupt bedeutet. Wie würdest du selbst Erfolg definieren?

Das ist eine wirklich gute Frage. Für mich setzt sich Erfolg aus zwei Bestandteilen zusammen. Da wäre zum einen mein eigenes Glück. Denn klar, jeder will in seinem Leben glücklich sein. Gleichzeitig bedeutet für mich Erfolg aber auch, andere Menschen bei ihrer Suche nach dem Glück zu helfen. Beides ist sehr wichtig. Ich denke, dass es schwierig ist, das eine ohne das andere zu tun. Josh kriegt beides in Mr. Corman schon irgendwie hin. Er hat eine Menge, wofür er dankbar sein muss. Und er ist manchmal glücklich, wenn auch nicht immer und zu hundert Prozent. Ich denke auch, dass er ein freundlicher Mensch mit einem guten Herzen ist und dazu ein guter Lehrer. Er arbeitet hart und ihm sind seine Schüler und Schülerinnen sehr wichtig. Aber manchmal wird er eben von seiner Unsicherheit und seinen Ängsten überwältigt und teilt in diesen Momenten kräftig aus. Er macht Fehler dabei. Aber das ist menschlich. Wir alle machen Fehler.

Nachdem du die Geschichte geschrieben hattest, stand es von Anfang an fest, dass du auch Regie führen und die Hauptrolle übernehmen würdest?

Ja, ich habe mir von Anfang an vorgestellt, dass ich Josh spielen würde und bei Teilen der Serie auch Regisseur sein würde. Denn wenn ich etwas schreibe, dann schreibe ich nicht nur, sondern stelle mir auch gleich immer vor, wir man das alles umsetzen könnte. Wie könnte die Serie aussehen? Wie werden die Darstellungen sein? Wie sieht es mit der Kamera oder sogar dem Schnitt aus? Deswegen sehe ich das alles nicht als separate Prozesse, sondern als ein großes Ganzes, bei dem das eine in das andere übergeht.

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Vom Tonstudio ins Klassenzimmer: Im Leben von Josh (Joseph Gordon-Levitt) lief nicht immer alles so wie geplant (© Apple TV+)

Josh ist einerseits ein sehr einfühlsamer Mensch. Gleichzeitig zeigt er immer wieder auch ein toxisches Verhalten. Wie hast du die Balance aus beidem gefunden?

Das war mir tatsächlich sehr wichtig. Meiner Meinung nach werden in Filmen und Serien Figuren oft sehr einfach, wenn nicht sogar zu vereinfacht dargestellt. Sie sind dann entweder glücklich oder traurig, entweder gut oder schlecht. Und ich glaube nicht, dass Menschen so sind, zumindest nicht in meiner Erfahrung. Außerdem liebe ich Geschichten über Menschen, die nicht perfekt sind. Das kann nicht nur sehr lustig sein, sondern bringt mich auch zum Nachdenken darüber, wie ich selbst bin und was ich an mir vielleicht verändern will.

Josh arbeitet als Lehrer, wollte ursprünglich aber eigentlich Musik machen. Ist es überhaupt möglich, als Künstler ein glückliches Leben ohne die Kunst zu führen? Und warst du selbst einmal in einer solchen Existenzkrise wie er?

Absolut. Als ich mit Hinterm Mond gleich links fertig war, wollte ich erst einmal eine Pause von der Schauspielerei einlegen und studieren. Als ich dann wieder mit der Schauspielerei anfangen wollte, wollte mich niemand. Das war für mich furchtbar, weil ich unbedingt dieses kreative Ventil der Schauspielerei wollte. Ich denke, dass die meisten von uns den Drang haben, sich irgendwie kreativ zu beschäftigen oder auch auszudrücken. Vielleicht hat sogar jeder irgendwo diesen Drang. Aber das bedeutet oft auch einen ziemlichen Kampf, wenn man sich hinsetzen und etwas erschaffen möchte, aber nicht genau weiß wie. Ich hatte das Glück, schon sehr jung künstlerisch tätig zu sein. Denn wenn du jung bist, hast du weniger Hemmungen, einfach mal etwas auszuprobieren. Ich habe mit fünf schon im Chor gesungen und bin in kleinen Theatern aufgetreten. Deswegen war ich es immer gewohnt und es fühlte sich für mich sehr natürlich an.

Für andere ist das schon deutlich schwieriger, auch weil sie denken, dass sie das nicht können und nicht die richtigen dafür sind. Mein Bruder war so ein Mensch. Er war immer sehr schüchtern, als er aufgewachsen ist, und arbeitete später als Programmierer. Deswegen stand das für ihn außer Frage, dass er etwas Künstlerisches tun könnte. Aber er hat sich eines Tages entschieden, das einfach mal zu versuchen. Und darum geht es auch in HitRecord, das wir zusammen gegründet haben. Wir sind dort eine echte Gemeinschaft, in der sich jeder einfach mal ausprobieren kann. Die Idee dafür geht auf diese Krise zurück, von der ich eben erzählt hatte. Für mich war das eine Möglichkeit, wieder künstlerisch aktiv zu sein. Und davon handelt auch Mr. Corman. Am Anfang ist Josh frustriert, weil er schon seit einem Jahr keine Musik mehr gemacht hat und er nicht richtig rein findet. Aber am Ende der ersten Episode fängt er wieder an. Die ganze Staffel lang kämpft er damit, was es heißt ein Musiker zu sein.

Gegen Ende der Staffel fällt der Satz: „This is where we are. The question is: What do we do now?“ Ist das die Quintessenz von der Reise, die Josh in der Serie unternimmt?

Das könnte man tatsächlich so sagen. Wie ich vorhin gemeint habe: Dein Leben verläuft oft nicht so, wie du es dir als Kind oder selbst als Jugendlicher noch ausgemalt hast. Darauf hast du keinen Einfluss. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Du kannst nur beeinflussen, was du daraus machst. Es ist deine Entscheidung, ob du der Situation mit einer positiven Einstellung oder negativen Einstellung begegnest. Das ist die Reise, die Josh im Laufe der Staffel unternimmt. Das klappt nicht immer so, wie er das möchte. Er hat immer wieder mit seiner Negativität zu kämpfen. Aber er lernt, immer öfter das Positive zu sehen, optimistisch zu sein und auch wieder einen Bezug zu seiner Kreativität herzustellen, die er verloren hatte. Und das finde ich sehr schön.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Joseph Gordon-Levitt wurde am 17. Februar 1981 in Los Angeles, USA geboren. Er begann schon früh mit der Schauspielerei, im Alter von vier Jahren stand er das erste Mal auf der Bühne. Danach folgten eine Reihe von Auftritten in TV-Filmen und Serien. Den großen Durchbruch schaffte er als Darsteller in den Christopher Nolan Filmen Inception und The Dark Knight Rises, hoch gelobt wurde zudem seine Arbeit in den Tragikomödien (500) Days of Summer und 50/50: Freunde fürs (Über)Leben. Gleichzeitig begann er auch selbst Regie zu führen und Drehbücher zu schreiben, 2013 folgte nach diversen Kurzfilmen sein Langfilmdebüt Don Jon, in dem er einen Pornosüchtigen spielt.



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