Théo (Maleaume Paquin) hat eine große Leidenschaft in seinem Leben: der Fußball. Darin ist er auch richtig gut, der Junge ist in seiner Mannschaft eine feste Stütze. Sein Trainer (André Dussollier) hält große Stücke auf ihn. Inzwischen hat sich die Begabung auch herumgesprochen, ein Talent Scout vom englischen Topclub Arsenal hat sich angekündigt! Dummerweise ist Théo aber auch für sein Alter recht klein, weshalb er den Spitznamen „Ameise“ trägt. Zu klein, um im prestigeträchtigen Trainingslager des Vereins aufgenommen zu werden. Die Enttäuschung ist natürlich groß bei Théo. Dennoch hält er an der Geschichte fest, um auf diese Weise seinem Vater Laurent (Francois Damiens) neuen Lebensmut zu geben. Der leidet seit Jahren unter seiner Alkoholsucht, die Ehe mit Chloé (Ludivine Sagnier) ist vor vielen Jahren schon zerbrochen. Die Aussicht, dass sein Sohn nach England gehen könnte, motiviert ihn jedoch dazu sich zu bessern – was Théo zu einigen Tricks greifen lässt …
Wackeliges Lügenkonstrukt
Eines muss man dem deutschen Verleih von Lügen haben kurze Beine lassen: Der Titel ist schon echt clever gewählt. Heißt der französisch-belgische Film im Original weniger aussagekräftig Fourmi, also Ameise, greift die hiesige Version in mehrfacher Hinsicht das Thema auf. Nicht nur, dass in dem Familienwerk ein Junge im Mittelpunkt steht, der tatsächlich etwas kurz geraten ist und zum Lügner wird. Das deutsche Sprichwort lässt einen außerdem bereits vermuten, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. So eine Lüge lässt sich schließlich nicht endlos fortsetzen. Irgendwann muss und wird dieses Konstrukt in sich zusammenkrachen.
Dramaturgisch folgt Lügen haben kurze Beine damit ganz klar den üblichen Regeln, die solche Lügenfilme immer haben. Praktisch immer sehen wir in diesen Leute, die mal aus einer Not heraus, mal zum Zwecke der persönlichen Bereicherung, auf eine Lüge zurückgreifen. Das geht dann eine Weile gut, der Lügner oder die Lügnerin schafft es, die anderen zu täuschen und genießt dadurch gewisse Vorteile. Über kurz oder lang fliegt die Geschichte aber auf, da auf die eine Lüge noch andere folgen oder anderweitig immer mehr Arbeit notwendig ist, um die erste Lüge aufrecht zu erhalten. Nach einem kurzen heftigen Drama geht das Ganze dann aber doch gut aus, die Hauptfigur hat ihre Lektion gelernt und weiß nun, dass das mit Ehrlichkeit letztendlich besser geht.
Zwischen Leichtigkeit und Ernst
Bei Lügen haben kurze Beine ist das ähnlich und doch nicht ganz vergleichbar. Wenn Théo hier lügt, dann weniger aus Eigennutz oder weil es sein Ego erfordert. Es ist vielmehr die Sorge nach seinem Vater, die ihn antreibt. Die Sehnsucht danach, wieder ein normales Leben mit ihm führen zu können, nachdem dieser wegen seiner Alkoholexzesse und gewalttätiger Ausfälle alles kaputt gemacht hat. Die schönsten Szenen des Films sind dann auch die der Annäherung zwischen den beiden. Wenn Laurent mit dem Jungen trainiert und an sich arbeitet, um den Lebenstraum seines Sohnes zu erfüllen, dann ist das reinstes Wohlfühlkino. Da wird selbst das unspektakuläre Zubereiten von Fleischklößen zu einem Ereignis.
Richtig viel Fußball gespielt wird hier nicht, das ist mehr ein Mittel zum Zweck. Stattdessen setzt Regisseur und Drehbuchautor Julien Rappeneau bei seiner Adaption einer Graphic Novel von Mario Torrecillas und Artur Laperla auf eine Mischung aus Humor und Tragik. So spricht der Film eine Reihe von ernsten Themen an, wie der besagten Alkoholsucht, Gewalt und auseinanderbrechenden Familien. Hinzu kommt Théos Freund Max (Pierre Gommé), der seit Ewigkeiten die Wohnung nicht mehr verlassen hat und schon Angstzustände bekommt, wenn er nur auf den Balkon geht. Nur wird das eben lockerleicht erzählt, wenn der einsiedlerische Computernerd seine Hackerkenntnisse unter Beweis stellen darf, um die Lügen des angeblichen Profinachwuchses zu stützen.
Schönes Wohlfühlkino für Jüngere
Das darf man dann natürlich als verharmlosend empfinden. Später hat Lügen haben kurze Beine zudem etwas Märchenhaftes an sich. Aber da sich der Beitrag vom Schlingel Filmfestival 2019 an ein jüngeres Publikum richtet, darf das alles etwas netter und optimistischer ausfallen, als es im wahren Leben wohl der Fall wäre. Selbst wenn die Einsicht, dass Lügen falsch sind, etwas kurz ausfällt und keine Konsequenzen nach sich zieht, dürfen Kinder und Jugendliche doch zumindest etwas über familiären Zusammenhang lernen. Darüber, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein, gerade in schwierigen Zeiten. Verkehrt ist das nicht. Als kleine Erinnerung dürfte der Wohlfühlfilm aber auch so manchen Erwachsenen zu Herzen gehen.
OT: „Fourmi“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Julien Rappeneau
Drehbuch: Julien Rappeneau
Vorlage: Mario Torrecillas, Artur Laperla
Musik: Martin Rappeneau
Kamera: Pierre Cottereau
Besetzung: Francois Damiens, Maleaume Paquin, André Dussollier, Laetitia Dosch, Ludivine Sagnier, Nicolas Wanczycki, Pierre Gommé
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