In dem kleinen Ort Koker will ein Regisseur (Mohamad Ali Keshavarz) einen Film mit dem Titel Und das Leben geht weiter drehen, der eine Liebesgeschichte erzählt. Da Koker vor nicht allzu langer Zeit von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde, liegt der eigentliche Ort in Trümmern. Die wenigen Einwohner versuchen so gut es geht, ihre Häuser wiederaufzubauen und zu etwas wie einer Normalität zurückzukommen, während andere in der Nähe der Straße in Zelten wohnen. Da viele der Bewohner arbeitslos sind und in Armut leben, ist der Filmdreh nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern auch eine Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Mit seinem Team, vor allem der ortskundigen Mrs Shiva (Zarifeh Shiva), welche sich um den Transport des Equipments wie auch der Laiendarsteller kümmert, versucht der Filmemacher in aller Ruhe, seinen Film zu drehen, wobei ein Konflikt am Set schon bald seine volle Aufmerksamkeit verlangt. Hossein (Hossein Reza), der die männliche Hauptrolle spielt, ist zwar für die Rolle genau richtig, doch zwischen ihm und Tahereh (Tahereh Ladanian) kommt es zu Spannungen, die dazu führen, dass Szenen umgeschrieben oder noch einmal gedreht werden müssen.
Als es abermals zu Problemen kommt, versuchen erst Mrs. Shiva und schließlich auch der Regisseur, aus dem jungen Mann schlau zu werden, der ihnen schließlich gesteht, dass er vor dem Erdbeben vorhatte, Tahereh zu heiraten und schon alles mit ihren Eltern geklärt hatte. Nach der Katastrophe sind nicht nur ihre Eltern verstorben, auch seine Zukunftspläne sind dahin, da Tahereh wie auch ihre Großmutter, bei der sie nun lebt, den jungen Mann und seine wiederholten Anträge abblitzen lassen. Durch die Arbeit am Film versucht Hossein nun einen letzten Anlauf, um doch noch das Herz seiner Geliebten zu erobern.
Spannungen am Filmset
Mit dem internationalen Erfolg seines Filmes Close-Up (1990) hatte der iranische Filmemacher Abbas Kiarostami nicht nur in den Augen vieler Kritiker den Höhepunkt seiner Karriere erreicht, sondern geriet immer mehr unter Beschuss seitens der iranischen Politik und Kultur, die ihm unter anderem Verwestlichung vorwarfen und es ihm letztlich immer schwerer machten, im Iran zu arbeiten. Dennoch dachte der Regisseur nicht daran, seiner Heimat den Rücken zu kehren, verfolgte ihn doch eine Episode von den Dreharbeiten zu Und das Leben geht weiter (1992), in der es zwischen zwei Darstellern zu Spannungen gekommen war, die es ihnen unmöglich machten, eine Szene zu drehen. Diese Szene bildet den Ausgangspunkt von Quer durch den Olivenhain, in dem sich Kiarostami mit der Verbindung von Kunst und Leben befasst und wie sie einen Beitrag dazu leisten kann, Wunden der Vergangenheit zu heilen.
Doch zunächst beginnt Quer durch den Olivenhain, der den Abschluss der sogenannten Koker-Trilogie in Kiarostamis Werk bildet, mit der Entzauberung des Zuschauers, als der von Mohamad Ali Keshavarz gespielte Regisseur sich an den Zuschauer wendet und diesem grob erläutert, worum es in der nun folgenden Geschichte eigentlich geht. Dies ist ein Kniff, den sich Kiarostami erlaubt, soll es doch vor allem um die Rolle des Künstlers gehen, der in diesem Falle für den Ort und seine Bewohner eine besondere Bedeutung hat. Es sind nicht nur die Spannungen am Set, die im Mittelpunkt stehen, sondern auch dieses zerstörte Land, das wie ein Spiegelbild für das Trauma des Verlusts steht, den die Menschen durchgemacht haben. Das ist die Kulisse, die der Zuschauer bereits aus Wo ist das Haus meines Freundes? und Und das Leben geht weiter kennt, welche in diesem dritten Teil zu einer Art Geisterstadt geworden ist, wo an jeder Ecke die Vergangenheit auf einen trifft.
Immer wieder versucht der Regisseur an diese Vergangenheit anzuknüpfen, beispielsweise durch seine Behauptung Hossein gegenüber, man könne sich mit den Geistern der Verstorbenen unterhalten. Jedoch ist der Film nur ein Anfang, keinesfalls das Ende eines Prozesses. Besonders für jemanden wie Hossein, der noch einen ganz anderen Konflikt mit sich trägt.
Ein Haus bauen
Abermals sind es die poetischen, allegorischen Bilderwelten, die den Reiz von Kiarostamis Film ausmachen und in diesem Falle immer wieder Einblicke in das Leben der Menschen nach der Katastrophe geben, ihren Hoffnungen aber auch ihren Traumata. Getreu seinem Motto, seine Geschichten aus dem Leben zu nehmen und sich nicht von anderen Kunstwerken inspirieren zu lassen, besetzt Kiarostami – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch Quer durch den Olivenhain mit Laiendarstellern, die meist alle aus der Region um Koker kommen. Nicht nur gewinnt der Film dadurch an Authentizität, es verleiht ihm auch eine Wahrhaftigkeit, besonders jenen Konflikten, wie eben Hosseins Schwur, nie wieder seiner alten Arbeit als Maurer nachzugehen, da die letzten von ihm erbauten Häuser alle eingestürzt sind im Erdbeben.
Jedoch muss eine Verbindung da sein, muss ein Haus gebaut werde und muss es weitergehen, wie eben auch beim Film, bei dem es dann einfach zur nächsten Einstellung geht. Über die Kunst, so scheint es, kann dieser Prozess der Heilung stattfinden, was wahrlich eine sehr schöne Idee ist, von denen es in Kiarostamis Werk nur so wimmelt.
OT: „Zire Darakhatan Zeyton“
Land: Iran, Frankreich
Jahr: 1994
Regie: Abbas Kiarostami
Drehbuch: Abbas Kiarostami
Kamera: Hossein Jafarian, Farhad Saba
Besetzung: Farhad Kheradmand, Zarifeh Shiva, Hossein Rezai, Mohamad Ali Keshavarz
Cannes 1994
Locarno 1994
Toronto International Film Festival 1994
Locarno 1995
Locarno 2005
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