Der 6. August 1945 beginnt für die Shigematsus wie ein ganz gewöhnlicher Tag. Während sich Familienoberhaupt Shizuma (Kazuo Kitamura) zur Arbeit aufmacht und die Bahnstation in Hiroshima ansteuert, ist Nichte Yasuko (Yoshiko Tanaka) dabei, in der Stadt einige Besorgungen zu machen. Plötzlich jedoch zerreißt ein ohrenbetäubender Lärm gefolgt von einem blendenden Lichtblitz die Normalität, denn eine Bombe wurde über der Stadt abgeworfen und hunderte von Menschen machen sich nun auf, diese zu verlassen, wobei sie sich durch Trümmer, einstürzende Häuser und die vielen Toten kämpfen müssen. Da Yasuko die Detonation von der See aus beobachtete, kehrt Shizuma nach Hause zurück, um seine Frau Shigeko (Etsuko Ichihara) zu retten, mit der er sich ebenfalls aufmacht, die Stadt zu verlassen und sich wenig später mit ihrer Nichte zu treffen.
Jahre später haben sich Shigeko und Shizuma, die mittlerweile die Erziehungsberechtigen Yasukos geworden sind, in das kleine Dorf Kobatake zurückgezogen und sich dort ein Leben aufgebaut. Ihr Status als hibakushas, wie Überlebende des Atombombenabwurfs im Japanischen genannt werden, macht ihnen nichts weiter aus, auch wenn die Ausgrenzung sie bisweilen verletzt, insbesondere Shigeko. Dieser jedoch steht ihnen ausgerechnet im Wege, als sie für ihre Nichte, die mit 25 Jahren noch unverheiratet ist, einen Bräutigam suchen. Zwar macht Yasuko dies wenig aus, ist sie doch zufrieden einfach nur bei ihrer Onkel und ihrer Tante bleiben zu können, jedoch setzen diese alles daran, dass eine solche Verbindung zustande kommt, wobei sogar ärztliche Atteste vorgebracht werden, sie Yasukos Gesundheit bezeugen. Als sich bei Shigeko die ersten Anzeichen der Strahlenkrankheit bemerkbar machen, sieht Shizuma, dass ihre Zeit abläuft und will bei seiner nächsten Anstrengung, einen Mann für seine Nichte zu finden, alles auf eine Karte setzen.
Ein sehr persönlicher Film
In den 1980ern erreichte die Karriere des renommierten japanischen Regisseurs Shohei Imamura (Das Insektenweib) ein neues Kapitel, als dieser nach Verhandlungen mit der Produktionsfirma Toei eine Vereinbarung abschloss, welche drei Filmprojekte umfasste. Während sich Die Ballade von Narayama und Zegen bereits mit historischen Stoffen befasst hatten und dabei mehr als einmal scharfe Kritik am Bild der Nation nach Ende des Zweiten Weltkrieges übten, verwarf Imamura den Umweg über Metaphern für Schwarzer Regen, der wegen seiner Direktheit und Radikalität von vielen Kritikern als eine Rückkehr des Regisseurs zu seinen Filmen in den 1960er gesehen wird.
Zum einen kann (und muss) man Schwarzer Regen als einen Film betrachten, der das japanische Trauma des Atombombenabwurfs sowie dessen Folgen behandelt. Bereits nach wenigen Minuten wird der Zuschauer mittel sehr drastischer Bilder zu jenen schicksalshaften Tag versetzt, als sich die Figuren durch die Stadt kämpfen, vorbei an zerstörten Bauten und einer Vielzahl von Leichen, deren Zahl schlicht so hoch ist, dass sie den nahen Fluss letztlich gar verstopfen. Imamura belässt es, wie auch in seinen anderen Filmen, aber nicht bei der Darstellung von Gewalt, sondern beleuchtet den Einschnitt, den individuellen wie auch kulturellen, welchen eine solche Erfahrung von Gewalt und Zerstörung mit sich bringt. Neben der ausbrechenden Strahlenkrankheit sind es auch Figuren wie der traumatisierte Bomberpilot, der bei sich nahenden Schritten vor der Tür denkt, er müsse die Stadt verteidigen, welche die tiefen Narben eines Krieges zeigen, der keinesfalls verarbeitet ist, sondern vielmehr eine offene Wunde einer ganzen Nation darstellt.
Reinheit und die Familie
Jedoch geht Imamura noch einen Schritt weiter und fragt nach dem Umgang mit diesem Trauma innerhalb der Gesellschaft. Das Familiendrama, ähnlich wie bei seinem Kollegen Yasujiro Ozu, dient als Plattform für eine scharfe Kritik an gesellschaftlichen Vorgängen, in diesem Falle das Bild der Reinheit, kombiniert mit den fatalen Tendenzen der Ausgrenzung, welche den zentralen Konflikt der Shigematsus darstellen. Der schwarze Regen, den Yoshiko als Folge der Detonation abbekam, wird zu einer ganz anderen Narbe, einem sozialen Stigma, gegen welches selbst ihr mit Attesten und Versicherungen ausgestattete Onkel nicht ankommen kann. Die Tragödie der hibakusha ist nicht die Bombe, sondern vielmehr die Art der Ausgrenzung, die sie in einer Nation erfahren, die sie tabuisiert oder unter den Tisch kehrt.
Indem Imamuras Film noch Verweise macht auf die Landreformen sowie die Selbstmordpiloten der Weltkriege, scheint er auf einen Kreislauf zu verweisen, der die Tragödie anerkennt, aber den Umgang mit den Opfern scheut und deswegen das Trauma keineswegs verarbeitet hat.
OT: „Kuroi ame“
Land: Japan
Jahr: 1989
Regie: Shohei Imamura
Drehbuch: Shohei Imamura, Toshiro Ishido
Musik: Toru Takemitsu
Kamera: Takashi Kawamata
Besetzung: Yoshiko Tanaka, Kazuo Kitamura, Etsuko Ichihara, Shoichi Ozawa, Norihei Miki, Keisuke Ishida, Hisako Hara, Masato Yamada, Taiji Tonoyama
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Cannes | 1989 | Goldene Palme | Nominierung | |
Film Independent Spirit Awards | 1991 | Bester fremdsprachiger Film | Nominierung |
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