Nach einer langen Nacht bei ihren Freunden, während der sie vor allem in Erinnerungen an ihre Heimat, den Iran, schwelgten, machen sich Babak (Shahab Hosseini) und seine Frau Neda (Niousha Jafarian) auf den Weg nach Hause, gemeinsam mit ihren nur wenige Monate alten Kind. Bereist im Wagen kommt es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten, da es Neda gar nicht gerne sieht, wenn ihr Mann Auto fährt, nachdem er zuvor was getrunken hat, und zudem das Navigationsgerät Babak im Stich lässt, sodass sie sich immer mehr verfahren. Als sie in einer dunklen Straße einen Unfall haben, bei dem aber niemand verletzt wird, gibt Babak den Bitten seiner Frau nach und sie fahren in das nächste Hotel, was auf dem Weg liegt. In dem altehrwürdigen Hotel Normandie, im Herzen von Los Angeles, können die bei dem etwas kauzigen Rezeptionisten noch das letzte Zimmer für die Nacht mieten. Allerdings ist an Schlaf schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu denken, denn nachdem sie vom Wehklagen ihres Kindes geweckt worden sind, werden sowohl Nedia wie auch Babak Zeuge einiger merkwürdiger Vorkommnisse. Während Babak von der Vision einer ihm fremden Frau heimgesucht wird, die ihm vertraut scheint, aber an die er sich erinnern kann, egal, wie sehr er auch nachdenkt, sieht Neda einen kleinen Jungen, der durch die Hotelflure irrt und auf der Suche nach seiner Mutter ist.
Da der Rezeptionist nirgends zu finden ist und ein Anruf bei der Polizei im Sande verläuft, wollen Babak und Neda aus dem Hotel fliehen, doch die Visionen lassen sie nicht gehen. Als Neda schließlich von einem Obdachlosen angesprochen wird, der ihr davon erzählt, sie werden die Wahrheit am Morgen über sich selbst kennen, ist für Neda klar, dass sie sich ihren Dämonen stellen muss, wenn sie aus dem Hotel noch lebend heraus will. Doch Babak hat andere Pläne, er will gegen die Geister und Visionen des Hotels kämpfen.
„Was versteckst du vor mir?“
Auch wenn man das iranische Kino nicht unbedingt mit dem Horrorgenre in Verbindung bringt, ist es doch eher bekannt für gesellschaftskritische Dramen wie unlängst den Episodenfilm Doch das Böse gibt es nicht, haben sich Filmemacher wie beispielsweise Babak Anvari (Under the Shadow), Ana Lily Amirpour (A Girl Walks Home Alone at Night) oder zuletzt Kourosh Ahari in seinem Regiedebüt The Night an Horrorgeschichten gewagt. Die Koproduktion zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten lief bereits auf einschlägigen Genrefestivals wie dem Grimmfest 2021 oder dem Santa Barbara International Film Festival 2020, und stieß auf größtenteils positives Kritikerecho, wobei immer wieder Vergleiche zwischen The Night und Stanley Kubricks Shining gezogen wurden.
Die Nacht, welche die beiden Helden in The Night umgibt, ist mitnichten die Dunkelheit einer Stadt wie Los Angeles, sondern vielmehr ein Geheimnis, was die beiden Eheleute in sich tragen. Bereits während der Autofahrt oder vorher schon bei den nach außen hin ungezwungenen Gesprächen mit ihren Freunden, deuten die langen Pausen wie auch die Inszenierung Aharis dieses Unausgesprochene an, was sich letztlich einen Weg nach draußen sucht. Wie in Kubricks Film wird die Stadt und später die Flure des Hotels zu einer Metapher für den Seelenzustand der beiden Eheleute, die sich in ihrem eigenen Schweigen und ihren Lügen verrennen, vor allem aber dem Wissen, was sie selbst verdrängt haben. Sowohl Hosseini wie auch Jafarian spielen Figuren, die nach und nach einsehen, dass sie in eine schreckliche Falle getappt sind, deren Mechanismen sie ironischerweise selbst entworfen haben.
Schwarze Katze, dunkle Visionen
In seinem Regiedebüt beweist Ahari nicht nur sein Wissen um die dramaturgischen Aspekte des Genres, sondern zudem sein Talent für das Etablieren einer unheimlichen Atmosphäre. Dabei setzt er weniger auf jump scares, sondern mehr auf subtile Töne, auf Verzerrungen, Doppelungen oder das Sounddesign, womit er die Spannungsschraube immer mehr nach oben dreht. Mit einem Conjuring – Die Heimsuchung oder Insidious hat The Night daher eher weniger gemein, dafür aber mit einem Kammerspiel, in dem dunkle Visionen Vorboten einer Enthüllung sind, die nicht nur den Ehepartner, sondern auch den Zuschauer verblüffen wird.
Wie andere Rezensenten von The Night bereits schrieben, erfindet Ahari zwar nicht unbedingt etwas Neues, dafür aber liefert er unheimliches Spannungskino ab, welches in technischer wie auch darstellerischer Sicht überzeugt.
OT: „The Night“
Land: Iran, USA
Jahr: 2020
Regie: Kourosh Ahari
Drehbuch: Kourosh Ahari, Milad Jarmooz
Musik: Nima Fakhrara
Kamera: Maz Makhani
Besetzung: Shahab Hosseini, Niousha Jafarian, Leah Oganyan, George Maguire
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