Theoretisch ist es kein Problem eine Geschichte von einem Medium in das nächste zu transportieren, auch wenn der Transfer nicht unbedingt in jedem Falle sinnvoll ist. Bedenkt man alleine, wie viele Romane, von Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas, Bret Easton Ellis’ American Psycho bis hin zu The French Lieutenant’s Woman von John Fowles, als nicht verfilmbar galten, ist es umso erstaunlicher, mit welchem Erfindungsreichtum nicht nur die jeweiligen Regisseure an ihre Adaptionen herangingen und das Urteil widerlegten, sondern auch, dass es nun gar Musical oder Theaterstücke zu den genannten Geschichten gibt. Regisseure wie Stanley Kubrick haben Adaptionen gar zu einer wahren Kunstform erhoben, sodass Werke wie Uhrwerk Orange, 2001: Odyssee im Weltraum oder Shining nicht nur Meilensteine der Filmkunst sind, sondern zudem ihre Vorlage qualitativ teilweise weit in den Schatten stellten.
Bei all dem Enthusiasmus, wenn es darum geht, eine Geschichte zu adaptieren, darf man natürlich nicht vergessen, dass es gewisse Stoffe oder Themen gibt, die eine besondere Herausforderung stellen. Während ein Drama wie Trainspotting für eine Umsetzung auf der Bühne gut eignet, ist ein Film oder ein Roman aus dem Science-Fiction-Genre schon eine besondere Herausforderung, bedenkt man alleine die zahlreichen Spezialeffekte, um nur einen Aspekt zu nennen. Dennoch wagte sich ausgerechnet eine Laientheatertruppe aus der Gemeinde Dorset, gelegen im Südwesten Englands, an eine Adaption von Ridley Scotts Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt, nachdem sich deren Autoren über Jahre an Lustspielen oder Komödie angearbeitet hatten. Was sich zunächst nicht nur als besonders schwierig und wenig später auch als wenig erfolgreich in der Gemeinde herausstellte, fand die Aufmerksamkeit der Dokumentarfilmer Lucy Harvey und Danielle Kummer, die nicht nur begeistert waren, von der einfallsreichen und lustigen Adaption, sondern sich mittels einer Kickstarter-Kampagne für die Theaterleute einsetzte, die unter anderem ihnen einen Auftritt im renommierten Londoner West End verdanken können.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Nach zahlreichen Vorführungen aus Filmfestivals, wie dem Fantasia Festival 2021, kommt die Dokumentation Alien on Stage von Kummer und Harvey nun auch nach Deutschland, beispielsweise im Rahmen des Filmfestivals Oldenburg. Nicht nur Fans von Alien dürften hierbei auf ihre Kosten kommen, auch jene mit einem Faible für Spartenprojekte und wie man mit Kreativität, Herzblut und ein wenig Glück eine besonders schwierige Aufgabe meistern kann. All dies findet man in der Theatertruppe, die fast ausschließlich aus Busfahrern und -fahrerinnen der kleinen Gemeinde besteht, zur Genüge, auch wenn bei den Proben nicht immer alles so läuft, wie man sich das vorgestellt hat und das Gesicht des Regisseurs, immerhin ein Mann mit einem Hintergrund in der britischen Armee, wie eine Metapher für die vielen Mühen, Ängste und Unsicherheiten wirkt. Fast wähnt man sich als Zuschauer in einer jener europäischen Komödien, die das Programm jenes Kunstkinos zu definieren scheinen und in denen etwas kauzig wirkenden Charaktere sich ein Projekt vornehmen, was ihnen zu Ruhm verhilft. Die Kamera begleitet die Truppe, bei den Proben, den Besprechungen und bei der Fahrt nach London, zeigt ihre Krisen wie auch ihren Triumph, der vor allem dank ihres Zusammenhaltes zustande kommt.
Eine besondere Erwähnung dient in erster Linie der Dokumentation, wenn es um die Sicht hinter die Kulissen geht, denn gerade in Sachen Spezialeffekte erinnert die Produktion bisweilen an die Experimentierfreudigkeit eines Low-Budget-Horrorfilms, in dem mit wenigen Mitteln eine große Wirkung erzielt werden soll. Mit einer Mischung aus Schmunzeln und Staunen wird man besonders die Umsetzung der berühmten Chestburster-Szene oder die Entstehung des Aliens begleiten, was zweifelsohne zu den Highlights dieser kurzweiligen Dokumentation zählt.
OT: „Alien on Stage“
Land: UK
Jahr: 2020
Regie: Lucy Harvey, Danielle Kummer
Kamera: Danielle Kummer
SXSW 2021
Fantasia International Film Festival 2021
Filmfest Oldenburg 2021
SLASH Filmfestival 2021
Sitges 2021
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