Die Überraschung ist groß bei Karla Lorenz (Natalia Wörner), als sie von einem kleinen Mädchen erfährt, welches Karlas Telefonnummer auf dem Arm haben soll. Das Mädchen stellt sich als Manja (Rena Harder) heraus, Tochter des deutsch-russischen Journalisten Kolja Petrow (Beat Marti), mit dem die Diplomatin seit ihrer Jugend befreundet ist. Das Wiedersehen findet jedoch unter wenig erfreulichen Umständen statt: Petrow wurde vom russischen Geheimdienst am Berliner Flughafen entführt und wird nun in der russischen Botschaft gefangen gehalten. Während sich Lorenz’ Freund Jan Horava (Alexander Beyer) um das Mädchen kümmert, geht sie den Vorwürfen nach, Petrow habe seine Frau ermordet – und kommt dabei einem großen Geheimnis auf die Spur …
Ein Krimi am Puls der Zeit
Eines muss man dem Team hinter Die Diplomatin: Mord in St. Petersburg ja zugestehen: Selten sieht man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen Krimi, der sich derart stark auf das aktuelle politische Geschehen bezieht. Zwar spielt der Film, dem Titel zum Trotz, überhaupt nicht in Russland. Wenn aber davon erzählt wird, wie der russische Geheimdienst auf fremden Boden einfach mal so Leute kidnappt, dann ist das schon ein recht deutlicher Kommentar zum Geschehen der letzten Jahre. Noch heftiger wird es, wenn zu einem späteren Zeitpunkt davon die Rede ist, wie Russland die anstehenden Wahlen in Deutschland beeinflussen und anderweitig hinter den Kulissen agieren. Eine Woche vor der deutschen Bundestagswahl einen solchen Film auszustrahlen? Das muss man sich erst einmal trauen.
Dabei ist der sechste Teil der ARD-Krimireihe Die Diplomatin keine bloße Rückkehr zu den Zeiten des Kalten Krieges. Klar: Sonderlich gut kommen die Russen hier nicht weg, da wird schon ein gewisses Feindbild aufgebaut. Die Geschichte von Mord in St. Petersburg ist dann aber doch komplexer, als es die Anfangssituation einen glauben lässt. Wie in einem „echten“ Krimi muss die titelgebende Diplomatin die Wahrheit herausfinden, muss Spuren nachgehen, falsche Fährten und Lügen aufdecken, von denen es in dem Fall nicht zu wenige gibt. Anders als man es in dem Genre aber gewohnt ist, kann sie nicht direkt tätig werden: Ihre Waffen sind ihr Verhandlungsgeschick und ihr Verstand. Actionszenen, wie man sie in Krimis um Polizisten und Polizistinnen sieht, sind deshalb auch selten.
Spannende Patt-Situation
Ganz auf diese wollte man aber nicht verzichten, mit gemischtem Ergebnis. Vor allem zum Ende hin versucht der genreerfahrene Regisseur Roland Suso Richter (Der Zürich-Krimi: Borchert und die Zeit zu sterben) noch einmal etwas aufzudrehen. Es gelingt ihm aber nicht, die entsprechenden Szenen wirken wie Fremdkörper. Nötig gewesen wäre das Ganze ohnehin nicht, genügend Spannung war auch so da gewesen. Gerade das Szenario von Die Diplomatin: Mord in St. Petersburg, wenn ein Mann in einer Botschaft gefangen gehalten wird, ist schön gemein. Die Russen können ihn nicht außer Landes bringen, die Deutschen können gleichzeitig nicht in die Botschaft. Eine typische Pattsituation also, bei der beide Seiten einander misstrauisch beäugen und darauf bedacht sind, dem Gegner keinen Raum zu lassen.
Zudem darf sich das Publikum auf einige Überraschungen freuen, wenn die Geschichte ein paar Haken schlägt. An der Darstellung von Natalia Wörner (Um die 50) lässt sich ohnehin nicht meckern: Sie spielt eine souverän auftretende, in brenzligen Situationen nervenstarke Heldin, die sich selbst dann der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet fühlt, wenn diese unangenehm sind. Nachteil ist jedoch, dass neben ihr viele etwas blass aussehen. Vor allem auf der deutschen Seite wuseln so viele Leute umher, die wohl alle etwas zu sagen haben, die aber zu wenig Kontur entwickeln. Trotz dieser Mängel ist Die Diplomatin: Mord in St. Petersburg aber einer der interessanteren TV-Krimis der letzten Zeit.
OT: „Die Diplomatin: Mord in St. Petersburg“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Roland Suso Richter
Drehbuch: Rebecca Mahnkopf
Musik: Chris Bremus
Kamera: Max Knauer, Andrés Marder
Besetzung: Natalia Wörner, Alexander Beyer, Beat Marti, Anna von Haebler, Thomas Heinze, Michael Ihnow, Philippe Reinhardt, Alessija Lause, Rena Harder
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