Sieben Jahre sind vergangen seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau während eines gemeinsamen Urlaubs, doch über diesen Verlust hinweggekommen ist der Chirurg Juha (Pekka Strang) noch lange nicht. Auf der Arbeit wirkt er oft abwesend und distanziert sich von seinen Kollegen. Auch seine Tochter Elli (Ilona Huhta) versucht zu ihrem Vater durchzukommen, der zwar all seinen Pflichten nachkommt, aber mit seinen Gedanken dennoch oft woanders ist oder traurig scheint. Als Juha seine Tochter zum 18. Geburtstag zu einem Termin bei einem Piercingstudio begleitet, begegnet er, während er neugierig das anliegende BDSM-Studio durchstreift, Mona (Krista Kosonen), eine Domina, die ihn für einen Eindringling hält und beinahe erwürgt. Die Begegnung hinterlässt einen erheblichen Eindruck bei dem Mediziner, der sich nicht nur für eine Zeit lang von seiner Trauer lösen kann, sondern zudem überhaupt wieder etwas intensiv gefühlt hat. Schon nach kurzer Zeit hat er die Nummer Monas herausgefunden und ein erstes Treffen vereinbart, bei dem sie ihn, wie abgesprochen, wie einen Hund behandelt, ihn fesselt und demütigt sowie zum Schluss so lange würgt, bis Juha für einen Moment bewusstlos wird.
Immer häufiger werden die Treffen mit Mona, was Juha schon bald nicht mehr unter einen Hut mit einem hektischen Terminplan auf der Arbeit bringen kann. Auch die Beziehung zu Elli leidet unter seiner Heimlichtuerei, doch mehr noch an den Versprechungen und Abmachungen, die er gegenüber seine Tochter nicht mehr einhalten kann. Während Juha immer weiter in die Welt des BDSM vordringt, sich ein Lack-und-Leder-Kostüm zulegt sowie andere Accessoires, bemerkt auch Mona, dass ihr neuer Kunde immer weiter gehen will, was mit der Zeit gefährlich zu werden droht und auch ihr unheimlich wird.
„Würg mich noch etwas mehr.“
Auch wenn BDSM nach wie vor eher an die Randbereiche unserer Gesellschaft abgewälzt wird, hat das Thema durchaus Eingang in die Popkultur gefunden, was Filme wie Steven Shainbergs schwarze Komödie Secretary – Womit kann ich dienen? oder William Friedkins umstrittener Thriller Cruising beweisen. Dennoch assoziiert man BDSM nicht nur mit dem Abgründigen, sondern auch mit dem Abartigen, wie man oft in Fernsehserien sieht, erklärt der finnische Regisseur J-P Valkeapää, der vielen Kinozuschauer noch durch sein Drama Der Besucher ein Begriff ist, sodass er für Dogs Don’t Wear Pants Wert auf eine andere Herangehensweise an das Thema legte. Sein Mut wurde belohnt, weshalb Dogs Don’t Wear Pants beispielsweise auf dem Sitges Film Festival sowie auf dem Austin Fantastic Fest 2019 als Bester Film ausgezeichnet wurde.
Besonders aufmerksam machen viele Kritiken des Filmes naturgemäß auf die teils sehr intensiven BDSM-Szenen zwischen den beiden Protagonisten, welche durchaus dem Zuschauer einiges zumuten dürften. Dennoch darf man nicht den Fehler begehen, Valkeapääs Film als voyeuristisch zu bezeichnen, wenn um die Darstellung von Schmerz geht, sondern vielmehr legt er Wert auf die Entwicklung seiner beiden Protagonisten, für die diese Erfahrung, der Kontrollverlust genauso wie das Ausführen von Kontrolle, eine Notwendigkeit, um nicht zu sagen, eine Obsession in ihrem Alltag geworden ist. Sowohl Pekka Strang wie auch Krista Kosonen, die für ihre Darstellung auf dem Molins Film Festival als Beste Schauspielerin geehrt wurde, spielen Menschen, für die Kontrolle eine wichtige Rolle in ihrem Beruf außerhalb des BDSM-Dungeons darstellt, die aber über den Rollentausch eine besondere Intensität erleben, welche sie in ihrem Alltag schmerzlich vermissen, weshalb sie meist wie eine Art Automat funktionieren und wie Juha oft abwesend reagieren.
„Ich hoffe, Dir geht es bald besser.“
Weniger ein Drama oder eine schwarze Komödie, obwohl deren Elemente durchaus vorhanden sind, ist Dogs Don’t Wear Pants vor allem als romantischer Film zu betrachten. J-P Valkeapääs und Juhana Lummes Drehbuch erzählt von einem Mann, der die Nähe zu seiner verstorbenen Frau vergeblich sucht, den Verlust überwinden möchte und sich dabei selbst in eine Art Scheinexistenz manövriert hat, die ihn zwar fehlerlos im Privatleben und im Beruf funktionieren lässt, ihn darüber hinaus jedoch distanziert und bisweilen wenig empathisch wirken lässt. Über den Schmerz findet er einen bedeutsamen Weg eben jene Nähe zu erlangen, diese Verbindung intensiv wieder zu fühlen, was naturgemäß seien Gefahren mit sich bringt. Bei all dem Lack und Leder, mit dem sich Juha wie auch Mona umgeben, sind diese Figuren im Herzen doch hoffnungslose Romantiker, die eben nur ihre Gefühle auf sehr intensive Art und Weise ausleben.
Auch ästhetisch weiß J-P Valkeapääs Film zu überzeugen. Insbesondere die Teilung der beiden Welten, und im weiteren Verlauf Leben Juhas und Monas, wird formal durch die Bilder von Kameramann Pietari Peltola nachvollzogen. Lichteinsatz sowie die starken Farben, gerade während der BDSM-Szenen, unterstreichen die intensive Erfahrung der beiden Hauptfiguren, genauso wie ihr eher graues, distanziertes Funktionieren im Alltag.
OT: „Koirat eivat käytä Housuja“
Land: Finnland
Jahr: 2019
Regie: J-P Valkeapää
Drehbuch: J-P Valkeapää, Juhana Lumme
Musik: Michal Nejtek
Kamera: Pietari Peltola
Besetzung: Pekka Strang, Krista Kosonen, Ilona Huhta, Jani Volanen, Oona Airola, Iiris Anttila, Ester Geislerová
Cannes 2019
NIFFF 2019
Toronto International Film Festival 2019
Fantastic Fest 2019
SLASH Filmfestival 2019
Sitges 2019
Hofer Filmtage 2019
Nordische Filmtage Lübeck 2019
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