Fede Álvarez ist ein uruguayischer Regisseur und Produzent, wie auch Rodo Sayagues, der mit ihm zusammen bereits an seiner ersten großen Produktion, dem Reboot der Evil Dead-Reihe arbeitete. Ihre Zusammenarbeit setzte sich bei dem Projekt Don’t Breathe (2016) fort, bei dem Álvarez inszenierte und Sayagues das Drehbuch schrieb. Wie man anhand der Projekte erkennen kann, verbindet die beiden eine große Affinität zum Thriller- und Horrorgenre, was sie in ihren bereits angekündigten Produktionen, unter anderem der Fortsetzung zu Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre (2021), weiterführen wollen.
Vorher aber folgt mit Don’t Breathe 2 das Sequel zu ihrem Überraschungshit von 2016, dessen Drehbuch sie zusammen verfasst haben und bei dem Sayagues seinen Einstand als Regisseur gibt. Darüber hinaus ist Álvarez, neben Sam Raimi und Rob Tapert, einer der Produzenten des Filmes. Die Geschichte handelt abermals von dem von Stephen Lang gespielten, blinden Kriegsveteranen Norman Nordstrom, der sich einer Gruppe Angreifer erwehren muss, die seien Tochter entführt haben, wobei der Kampf für ihn auch zu einer Konfrontation mit der eigenen Schuld wird.
Im Interview reden wir mit Rodo Sayagues und Fede Álvarez über die Dreharbeiten, die Arbeit mit den Schauspielern sowie die Anspielungen auf die Welt im Jahre 2021.
In der Welt von Don’t Breathe gibt es mit der von Madelyn Grace gespielten Phoenix eine ganz neue Figur. Wie habt ihr sie für die Rolle besetzt und wie waren die Dreharbeiten mit ihr?
Rodo Sayagues: Madelyn hat uns alle durch ihre Professionalität überzeugt und überrascht. Seit ihrem fünften Lebensjahr ist sie Schauspielerin und versteht dadurch die Abläufe an einem Filmset. Ich und mein Team gaben unser Bestes, für die besonders die intensiven Szenen, von denen es besonders im Finale einige gibt, wie eine Art Spiel zu inszenieren, sodass sie beispielsweise die Szenen unter Wasser, bei denen ich im Vorfeld dachte, diese würden für sie größte Herausforderung sein, immer wieder drehen wollte. (lacht)
Fede Álvarez: Man muss dazu auch sagen, dass Kinder, wenn sie in einem Horrorfilm mitspielen, nicht das sehen, was das Publikum sieht. Während man als Zuschauer ein Blutbad sieht, hat jemand wie Madelyn einfach in die Kamera gesehen und wurde gebeten zu schreien.
Rodo Sayagues: Madelyn hat sich, sobald ich „Action“ gerufen habe, auf die Szene eingelassen und war ganz in der Welt der Geschichte drin. Dass sie diese Verwandlung vollzog und wieder ganz normal wurde, als ich „Cut“ rief, hat mich einfach umgehauen.
Am Ende des ersten Teils gibt es einen Cliffhanger, der andeutet, Norman würde sich nun an den Überlebenden rächen wollen, doch in der Fortsetzung erzählt ihr eine Geschichte, die in eine ganz andere Richtung geht. Was war der Anlass dafür?
Fede Álvarez: Wir haben das Glück, dass viele der Projekte, die wir umgesetzt haben, besonders diese im Horrorgenre, sehr erfolgreich waren und die Zuschauer sie mochten. Wenn nun die Arbeit an einer Fortsetzung beginnt, ist es relativ einfach, die Formel des ersten Teils zu wiederholen oder sich einfach darauf zu verlassen, dass die Fans des Vorgängers auch den Nachfolger sehen werden. Rodo und ich versuchen immer, nicht in diese Falle zu tappen und eine neue Geschichte mit den bereits bekannten Charakteren zu erzählen, auch wenn wir sicherlich bei der Planung irgendwann einmal diskutiert haben, wie es wäre, an das Ende von Don’t Breathe direkt anzuknüpfen. Mit Don’t Breathe 2 stellten wir uns der Aufgabe, einen Film zu machen, welcher die Atmosphäre und die Figuren des ersten Teils aufgreift, aber genauso als eine eigenständige Geschichte funktioniert.
Rodo Sayagues: Abgesehen einmal davon gibt es ja im ersten Teil die Szene, in der die Einbrecherin mit Norman vereinbart, dass beide niemals über die Ereignisse jener Nacht sprechen werden, was in gewisser Weise die Geschichte des ersten Teils abschließt. Von daher wäre es für Norman sehr riskant, aus einem Gefühl der Rache heraus, diese Vereinbarung zu brechen.
Fede Álvarez: Darüber hinaus zeigt es auch, dass Norman, selbst wenn er schreckliche Dinge getan hat, Prinzipien hat und eine solche Vereinbarung ehrt, während man als Zuschauer das Gefühl hat, die Einbrecherin würde in diesem Moment ihre Seele verkaufen. Das ist keinesfalls ein Happy End für sie.
Beide Filme zeichnen sich durch ihre dunkle Atmosphäre und ihren pessimistischen Ton aus, was man gleich in den Anfangsszenen sehen kann. Inwiefern sind diese Filme als Allegorien zu verstehen auf den Zustand der USA oder vielleicht sogar den der Welt im Jahre 2021?
Fede Álvarez: Das ist eine interessante Beobachtung. Beide Filme spielen in Detroit, einer früheren Hochburg der US-amerikanischen Autoindustrie. Heute sind ganze Abschnitte der Stadt wie leergefegt und überall sieht man Häuser, die verlassen und verlottert sind, teils sogar von der Natur wieder zurückgewonnen wurden, wenn man das so sagen kann. Wir glauben, dass diese Bilder für die USA in der Zukunft stehen könnten. Übrigens haben wir weder für den ersten noch für den zweiten Teil etwas an den Drehorten gemacht. Wenn man auf Google Street View nach dem Haus sucht, in dem Norman und seine Tochter leben, wird man es genau in dem Zustand finden, wie wir es vorgefunden haben. Ich glaube nicht, dass dies notwendigerweise pessimistisch ist, sondern lediglich eine Seite der USA ist, die man nicht so oft in Filmen sieht.
Rodo Sayagues: Die Figuren in den beiden Filmen sind Außenseiter, die ihre eigenen Regeln und Gesetze aufstellen, nach denen sie leben und die ihr Überleben sicher sollen. Das System hat sie im Stich gelassen, oder zumindest meinen sie das, sodass sie sich an diese Randgebiete zurückziehen, die wir im Film sehen. Wir glauben, dass dies die Wirklichkeit vieler Menschen reflektiert.
Da Norman blind ist, bekommt das Sounddesign in den Filmen automatisch einen besonderen Stellenwert, Könnt ihr etwas zu eurer Herangehensweise auf diesem Gebiet sagen?
Rodo Sayagues: Deswegen ist es wichtig einen Film wie Don’t Breathe oder auch die Fortsetzung in einem Kino zu sehen, denn dort ist das Erlebnis für den Zuschauer am intensivsten. Es ging uns darum, einen Eindruck von der Welt, in der Norman lebt und wie er diese wahrnimmt zu vermitteln, was viele sehr kreative Menschen in unserem Team als eine Herausforderung betrachteten, mit einer ganzen Palette von Effekten und Sounds zu experimentieren, um diesen Eindruck dem Zuschauer zu übermitteln.
Fede Álvarez: Dieser Aspekt ist essenziell für beide Filme geworden. In keinem Film wird so viel geschwiegen wie in Don’t Breathe, was vor allem daran liegt, dass wir keine Muttersprachler sind und unsere Unsicherheit was die englische Sprache angeht, geschickt überspielen wollten. (lacht) Bei der Fortsetzung haben wir noch mehr experimentiert, was hoffentlich das Erlebnis für den Zuschauer noch intensiver macht, weshalb es aber auch, wie Rodo schon sagte, wichtig ist, Don’t Breathe 2 in einem Kino mit einer guten Soundanlage zu sehen.
In Don’t Breathe 2 wechselt ihr die Rolle, denn Rodo ist zum ersten Mal Regisseur und Fede ist Produzent. Wie war dieser Rollentausch und wie fühlt ihr euch als Teil der lateinamerikanischen Kulturschaffenden, welche den Sprung nach Hollywood geschafft haben?
Fede Álvarez: Als ich mich dazu entschied, bei Don’t Breathe 2 nicht die Regie zu übernehmen, war uns sofort klar, dass wir erstens niemanden von außen zu diesem Projekt dazu holen wollten und darüber hinaus, dass wir einen Regisseur haben wollten, der auch gleichzeitig ein guter Geschichtenerzähler ist. An einem Set hat man idealerweise immer eine sehr talentierte Crew, die einem bei Fragen zu Kostümen oder zu Kameraeinstellung hilft, aber man muss ein Gefühl für die Geschichte und ihren Rhythmus haben. Das ist es, was zählt, in meinen Augen.
Rodo kenne ich schon eine ganze Weile und er ist einer der besten Geschichtenerzähler, die mir bekannt sind. Natürlich gab es ein paar Bedenken, weil er noch nie zuvor Regie geführt hatte, doch als wir die ersten Aufnahmen vom Set sahen und das erste Rohmaterial, gab es diese Restbedenken nicht mehr.
Was den zweiten Teil der Frage angeht, gibt es zwar schon viele Menschen aus Mittel- und Südamerika, die in Hollywood arbeiten, aber es sind bei weitem noch nicht genug. Wir suchen oft aktiv nach Leuten aus unserer Heimat, die uns bei der Verwirklichung von Projekten helfen, doch es gibt schlicht zu wenige, was, glaube ich, zum einen daran liegt, dass die US-amerikanische Filmindustrie talentierten Menschen aus diesen Kulturen nicht offen genug ist und zum anderen, weil es in ihrer Heimat einfach nicht die Möglichkeiten und die passende Förderung gibt, sodass sie ihre Talente entfalten können und mehr dazulernen könnten. Rodo und ich hoffen natürlich, dass gerade aus unserer Heimat Uruguay mehr Menschen den Weg zur Filmindustrie finden, denn es sind einfach nicht genug.
Bedenkt man alleine, die Größe und Vielfalt des lateinamerikanischen Publikums und seiner Filme, ist es verwunderlich, dass nicht genug gemacht wird, dass Menschen im Kulturbereich gefördert werden und diese dann den Weg nach Hollywood schaffen.
Die Handlung von Don’t Breathe 2 spielt sich, wie schon im Vorgänger, in kleinen oder geschlossenen Räumen, ab. Könnt ihr etwas dazu sagen, wie ihr diese Szenen inszeniert und mit eurem Kameramann vorbereitet?
Rodo Sayagues: Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe eines Regisseurs besteht wahrscheinlich darin, dass man einer Welt erschaffen muss, zusammen mit der Besetzung und der Crew. Im Falle von Don’t Breathe 2 war diese Arbeit in gewisser Weise schon abgeschlossen, da Fede im Vorgängerfilm uns diese abgenommen hat und wir uns daher auf andere Aspekte konzentrieren konnten. So haben wir viel experimentiert und uns beispielsweise Gedanken darüber gemacht, wie wir eine ähnliche Kamerafahrt wie die im ersten Teil, welche den Handlungsort einführt, machen können. Alleine für diese eine Einstellung, auf die ich mich beziehe, haben wir eine wochenlange Vorbereitung benötigt, was wir aber nur machen konnten, weil Fede und sein Team uns so viel Arbeit abgenommen hatten im ersten Film.
Fede Álvarez: Man muss natürlich dazu sagen, dass wir Hinweise zu Kameraeinstellungen und anderen Aspekten bereits im Drehbuch hatten.
Rodo Sayagues: Dennoch ist es eine Herausforderung in einem geschlossenen und engen Raum zu drehen. Zum Glück konnte ich mich, wie Fede vor mir, auf Pedro Luque, unseren Kameramann, verlassen, der eine solche Herausforderung gerne annimmt. Von daher hatte ich das beste Team, was ich mir wünschen könnte, hinter mir bei meiner ersten Regiearbeit.
Fede Álvarez: Dass Pedro so etwas gerne macht, sieht man schon an seiner Kameraführung bei Gustavo Hernández’ The Silent House, der in einer einzigen Einstellung gedreht wurde. Von daher waren die beiden langen Sequenzen in Don’t Breathe und Don’t Breathe 2 vergleichsweise einfacher zu bewältigen. (lacht)
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
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