Der Tsisikamma Nationalpark gehört wegen seiner reichen Flora und Fauna zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Südafrikas. Gabi (Monique Rickman) und Winston (Anthony Oseyemi) sind zwei von vielen Parkrangern, die darauf Acht geben, dass die reiche Natur geschützt ist. Bei einer ihrer Routinekontrollen verlieren sie eine Drohne, wobei Gabi zu deren Absturzstelle geht, während Winston die anderen Kameras im Dschungel wartet. Im Dschungel jedoch tritt Gabi in eine Falle und schleppt sich, schwer verletzt, in einer heruntergekommenen Holzhütte, die scheinbar noch bewohnt ist. Winston, der per Funkgerät davon hört, dass seine Kollegen in Schwierigkeiten ist, macht sich auf, ihr zu helfen, doch im Dschungel meint er nach einer Weile, von unheimlichen Gestalten verfolgt zu werden. In der Hütte macht Gabi derweil Bekanntschaft mit deren Bewohnern, Barend (Carel Nel) und seinem Sohn Stefan (Alex van Dyk), die schon seit einer ganzen Weile im Urwald wohnen, und sich des Nachts vor den unheimlichen Gestalten, die diesen seit langer Zeit bewohnen, verstecken. Da Gabi noch immer nicht gehen kann und im Urwald leichte Beute für die monströsen Kreaturen wäre, bleibt sie bei den beiden Männern, die ihre Wunden versorgen.
Mit der Zeit erfährt Gabi immer mehr von der Geschichte ihrer Gastgeber und von Barends Vorgeschichte als Forscher, der sich besonders im Bereich Pflanzenkunde bestens auskannte. Wie sich herausstellt, kam er mit seiner Frau in den Wald, wo Stefan auch geboren wurde, weshalb dieser noch nie außerhalb des Dschungels war. Als Gabi versucht, mehr über die Forschungen Barends herauszufinden und über den Verbleib seiner Frau, kommt sie dem Geheimnis des Dschungels auf die Spur.
Zwischen Schönheit und Horror
Besonders den Fernsehzuschauer seiner Heimat Südafrika sind die Arbeiten von Regisseur und Editor Jaco Bouwer schon bekannt, wobei er sich mit seinem neuen Film Gaia – Grüne Hölle, der auf den letzten Fantasy Filmfest Nights seine Deutschlandpremiere feierte, aufmacht, auch internationale Gefilde zu betreten. Die Inspiration für das Projekt und die Figuren kam ihm und Drehbuchautor Tertius Kapp, als sie nach einer Geschichte suchten, in der die Natur eine besondere Rolle spielen sollte, wobei die religiös-philosophischen Anspielungen des Projekts sich erst mit der Zeit ergaben. Entstanden ist dabei mit Gaia – Grüne Hölle eine betörend schöner Film, der sich, wie viele aktuelle Beiträge des Horrorgenres, in Zivilisationskritik übt.
Ästhetisch wie erzählerisch dominiert von der ersten bis zu letzten Minute das Zwischenspiel von der Schönheit des Urwaldes und dessen nicht unerheblicher, aber oft versteckter Gefahr. Die Drohenaufnahmen, welche die Rangerin Gabi macht, lassen die beiden Figuren unbedeutend und machtlos aussehen angesichts der Weite des Urwaldes, welche sich in diesen Aufnahmen zeigt. Wenn dann auch noch die Kamera sich dreht und man als Zuschauer aufgrund der Wasseroberfläche für einen Moment die Orientierung verliert, ist man bereits in den Kern von Bouwers Film vorgedrungen, der seinem Publikum eine Fremdheitserfahrung zumutet, bei der die Grenzen zwischen Schönheit und Horror, Wirklichkeit und Traum mehr als einmal miteinander verschmilzen. Neben Jorrie van der Walts Kameraarbeit, wobei insbesondere die Kamerafahrten zu nennen sind, ist es gerade das Zusammenspiel von Tim Pringles Sounddesign sowie der geheimnisvollen Filmmusik Pierre-Henri Wicombs, welche den Eindruck vermittelt, man habe bisweilen eine ganz neue Welt, einen ganz neuen, außerirdischen Planeten betreten.
Das Ende des Anthropozän
Der Horror oder vielmehr die Irritation besteht bei Gaia weniger aus den Kreaturen oder der Transformation einer Figur, sondern vielmehr darin, dass der Mensch an sich von der ersten Minute an als Eindringling stigmatisiert ist. Die wenigen Überbleibsel der Moderne, von Gabis Handy bis hin zu den an den Bäumen befestigten Kameras, wirken befremdlich und betonen letztlich die Allmacht der Natur, welche letztlich alles verschlingen wird oder für sich einnehmen wird, wie das Haus, in dem Barend und sein Sohn wohnen oder eben die Charaktere an sich, welche sich nach und nach auf schreckliche Art und Weise verwandeln. Dieser Akt der Transformation wird, wie bereits die erwähnte Eingangssequenz deutlich macht, ist ebenso verstörend wie betörend, sodass man sich mehr als einmal die Frage stellt, ob man sich in ein Monster verwandelt oder ob man der Erreichung des Ur-Zustandes zusieht.
In gewisser Weise beschreitet Bouwers Film damit einen ähnlichen Weg wie beispielsweise Ari Asters Midsommar, der ebenfalls das Dilemma des modernen Menschen aufgriff und zum Thema machte. Was bei Aster jedoch die Entscheidung zwischen dem Kollektiv und der Individualität ist, wird bei Bouwer zu einer Entscheidung für oder gegen die Natur und damit einem neuen Zeitalter, dem Ende des Anthropozän, wie es Barend an einer Stelle prophezeit. Auch wenn diese Ausflüge in den Bereich der Philosophie und Religion etwas Überhand nehmen, bereichern sie die Geschichte insgesamt um eine mythische Ebene, was durchaus beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass Gaia im Kern eigentlich ein intensives Kammerspiel zwischen nur wenigen Figuren ist.
OT: „Gaia“
Land: Südafrika
Jahr: 2021
Regie: Jaco Bouwer
Drehbuch: Tertius Kapp
Musik: Pierre-Henri Wicomb
Kamera: Jorrie van der Walt
Besetzung: Monique Rockman, Anthony Oseyemi, Carel Nel, Alex van Dyk
SXSW 2021
Fantasy Filmfest Nights XL 2021
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