Auf seinem Süd Tiroler Weingut führt Matteo DeCanin (Tobias Moretti) mit seiner Frau Stefania (Ursina Lardi) und Tochter Laura (Antonia Moretti) ein glückliches und friedliches Leben. Der Wein läuft gut, die Familie ist in der Gegend geschätzt. Nichts scheint diese Idylle stören zu können. Doch dann taucht eines Tages Nino Sorrentino (Fabrizio Romagnoli) auf, mit dem Matteo eine Vorgeschichte verbindet, von der niemand etwas weiß. Gleichzeitig ist der Carabiniere Adrin Erlacher (Harald Windisch) an einer ganz anderen Geschichte dran, wurde doch eine junge Frau auf einer Passstraße von einem Auto erfasst. Doch dabei ist er auf sich allein gestellt, scheint sich doch niemand für diesen Fall zu interessieren …
Verbrechen überall
Auch wenn Italien natürlich deutlich mehr zu bieten hat, gesellschaftlich wie kulturell, filmisch läuft es dann doch oft darauf hinaus, wie sehr in dem Land nach all der Zeit immer noch die Mafia das Sagen hat. Zumindest hierzulande werden mit Vorliebe solche Werke aus dem Süden veröffentlicht, die sich das organisierte Verbrechen zum Inhalt nehmen. Und weil das offensichtlich nicht ausreicht, erfindet man eben selbst noch Geschichten dazu. Letztes Jahr lief der zweiteilige Tatort: In der Familie über eine Familie, die sich auf Geschäfte mit der Mafia eingelassen hat. Bei der deutsch-österreichischen Produktion Im Netz der Camorra ist es ganz ähnlich. Der Unterschied: Der Protagonist dachte eigentlich, diese Zeit längst hinter sich gelassen zu haben.
Aber wie das nun mal so ist mit der Mafia oder anderen vergleichbaren Organisation: So richtig gehen tut man nie. Wer sich einmal darauf eingelassen hat, der darf sich auf lebenslänglich einstellen. Selbst dann, wenn man es nicht kommen sieht. Regisseur Andreas Prochaska (Spuren des Bösen: Schuld) inszeniert das Ganze in Im Netz der Camorra als zwei Seiten einer Medaille, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch untrennbar miteinander verbunden sind. So mag das idyllische Weingut und der Dreck der Gewalt auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, höchst vornehme Gaumenfreuden und billige Erpressung. Und vielleicht gäbe es nicht diese Verbindung, wäre da nicht Matteo, der sich ein Leben als distinguierter Unternehmer aufgebaut hat, auf dem Fundament früherer blutiger Taten.
Das Böse in mir
Interessant ist Im Netz der Camorra deshalb vor allem als das Porträt eines Mannes, der einen Teil von sich unter Weinreben und Familienglück begraben hat. Anders als das Beispiel oben im Tatort, wo eine unbedarfte Familie sich schlicht übernahm, da zeigt uns der ZDF-Zweiteiler jemanden, dessen kriminelle Vergangenheit tatsächlich Teil von ihm ist. Es braucht auch nicht so wahnsinnig viel, um das Vergrabene wieder nach oben zu holen. Wie sich herausstellt kann Matteo selbst 20 Jahre später noch einmal zu dem Menschen werden, der er einmal war und von dem er dachte, er sei ihn losgeworden. Verbrechen und Gewalt sind dann doch wie Fahrradfahren, nur destruktiver.
Das funktioniert auch deshalb gut, weil besagte Figur von Tobias Moretti (Gipsy Queen, Die Hölle – Inferno) verkörpert wird. Er schafft es vorzüglich die beiden Seiten seiner Rolle überzeugend darzustellen, fürsorglich und bedrohlich in einem zu sein. Sein Partner in Crime Fabrizio Romagnoli hat es da schon schwerer, dafür ist seine Figur des brutalen und skrupellosen Verbrechers doch zu einseitig angelegt. Auch Ursina Lardi bekommt eher weniger zu tun. Bei ihr muss es genügen, dass ihre Figur feststellt, dass der Mann, mit dem sie so viele Jahre zusammen ist, nicht ganz der ist, der sie dachte. Das ist verständlicherweise ein Schock, als Charakterisierung jedoch ein wenig dünn. Stefania darf nie mehr als die Frau aus gutem Hause sein, die an seiner Seite ist.
Atmosphärisch und bedrohlich
Doch auch wenn Im Netz der Camorra inhaltlich sicherlich nicht der ambitionierteste Beitrag rund um die Mafia ist und man kein Epos wie aus vergangenen Tagen erwarten sollte, sehenswert ist der Thriller durchaus. Vor allem atmosphärisch ist das hier alles gut gelungen. Über allem hängt hier eine nicht immer ganz zu fassende Bedrohlichkeit. Das Gefühl, dass da noch etwas ganz Schlimmes geschehen wird. Teilweise geht es auch ordentlich zur Sache, ohne dabei jedoch in comichafte Exzesse abzugleiten. Man hat hier zumindest immer den Eindruck, dass das so möglich wäre. Und eben das ist das Furchterregende an der Miniserie: Dass das Böse direkt unter uns sein kann und wir nichts davon mitbekommen, macht nicht unbedingt Mut dazu, noch einmal rauszugehen. Da können selbst die reizvollen Weinberge nichts mehr ändern.
OT: „Im Netz der Camorra“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2021
Regie: Andreas Prochaska
Drehbuch: Ben von Rönne, Andreas Prochaska
Musik: Stefan Bernheimer
Kamera: Thomas W. Kiennast
Besetzung: Tobias Moretti, Ursina Lardi, Fabrizio Romagnoli, Harald Windisch, Antonia Moretti, Precious Mariam Sanusi, Melika Foroutan, Lukas Watzl
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