Eigentlich führt Jean Barnery (Charles Berling) das perfekte Leben. Als Erbe einer Porzellan-Dynastie in Limoges ist er ein vermögender Mann. Er hat in Nathalie (Isabelle Huppert) eine treue Frau gefunden, die ihm eine Tochter geschenkt hat. Und dennoch ist er nicht glücklich. Anstatt sich um das Unternehmen zu kümmern, will er viel lieber als Pastor in einem kleinen Dorf im Südwesten Frankreichs tätig sein. Auch seine Ehe steht auf wackligen Beinen, seitdem er einen kompromittierenden Brief von Nathalie gefunden hat. Und dann wäre da noch Pauline Pommerel (Emmanuelle Béart), der er eines Tages zufällig begegnet und die er auf Anhieb anziehend findet. Zunächst versucht er noch, dieser Versuchung zu widerstehen. Doch schon bald merkt er, dass dies auf Dauer nicht gut gehen wird …
Eile mit Weile
Manchmal braucht es ein wenig Geduld im Leben, so auch bei Liebe Last Lust. Drei Stunden lang ist das Drama um einen Porzellanerben, der auf der Suche nach Erfüllung und Glück ist, beides aber nur bedingt vorfindet. Drei Stunden ist eine Menge. Tatsächlich darf man sich fragen, ob Regisseur Olivier Assayas (Wasp Network, Personal Shopper) nicht vielleicht doch besser gleich eine Serie gedreht hätte. Stoff genug hätte es gegeben, schließlich deckt seine Adaption eines Romans von Jacques Chardonne eine Zeitspanne von dreißig Jahren ab. Dreißig Jahre, in denen sich sowohl im Leben von Jean wie auch in der Welt da draußen einiges getan hat.
Dabei hat es Assayas nicht so wahnsinnig eilig beim Erzählen seiner Geschichte. Vieles ist hier sehr zurückgenommen und ruhig dargestellt. Trotz des schon recht reißerischen deutschen Titels Liebe Last Lust handelt es sich hierbei nicht um Seifenoper-Melodram, bei dem alle paar Minuten die nächste überraschende Wendung kommt und die Menschen mit lautem Wehklagen das Ende der Welt herbeibeschwören. Jeans Klagen ist leiser, nachdenklicher, geht einher mit der Ansicht, dass irgendwie alles schief gelaufen ist. Große Gefühlsausbrüche sind nicht angesagt, eher Resignation. Selbst wenn es immer wieder Momente des Glücks gibt, die vorherrschende Stimmung ist eine recht trübe.
Sinnsuche in einer sich verändernden Welt
Das liegt auch an einer sich verändernden Welt. Muss sich der Protagonist anfangs nur mit Moralvorstellungen und den damit einhergehenden Erwartungen an sich herumplagen, kommen später noch ganz andere Herausforderungen hinzu. Der Erste Weltkrieg hinterlässt seine Spuren, die Weltwirtschaftskrise fordert ihre Opfer. Wer hat in solchen Zeiten noch das notwendige Geld, um sich Luxusware wie Porzellan leisten zu können? Zumal es die Konkurrenz versteht, deutlich günstiger zu produzieren. Liebe Last Lust erzählt also auch davon, wie Traditionen plötzlich auf den Kopf gestellt werden und vieles hinterfragt werden muss. Für Jean heißt das, eine Balance zu finden zwischen einer notwendigen Anpassung und der Aufgabe seiner Identität.
Das ist ein bisschen wie in Der Hochzeitsschneider von Athen, wo ebenfalls ein Mann sein traditionelles Familienunternehmen angesichts einer äußeren Krise anders gestalten muss. Nur dass dort die Neuorientierung mit einer neu gewonnenen Freiheit einhergeht. Bei Liebe Last Lust hält sich der Triumph hingegen in Grenzen. Der Film ist dann auch wenig geeignet, das Publikum aufzubauen oder wenigstens mitzureißen. Dafür zeigt das Drama auf, was es heißt als Paar durch dick und dünn zu gehen, tatsächlich arbeiten zu müssen, um unter diesem Druck noch als Paar zu funktionieren. Schließlich hatte sich Pauline das alles ebenfalls ein wenig anders vorgestellt. Aufgrund der zeitlichen Ausdehnung sowohl des Films wie auch des Inhalts stört es dann auch nicht weiter, wenn sich hier Unglücke häufen. Es wirkt trotz allem realistisch, gerade auch als Zeitporträt.
Ausstattung und Besetzung vom Feinsten
Zu sehen gibt es dabei einiges, bei der Ausstattung hat man nicht geknausert. Und natürlich liefert auch das hochkarätige Ensemble zahlreiche Gründe, weshalb man sich auf diese Zeitreise einlassen kann. Dabei braucht es jedoch nicht nur die angesprochene Geduld, wenn das Geschehen nur sehr langsam vom Fleck kommt. Es braucht auch ein wenig Mut zur Lücke. Trotz der ausufernden Laufzeit springt Liebe Last Lust manchmal von Thema zu Thema, von einem Jahr zum nächsten. Entwicklungen werden dabei vorgesetzt statt wirklich erarbeitet. Da mussten bei der Adaption dann doch Prioritäten gesetzt werden, weshalb manches kürzer ausfällt oder auch schon mal abgebrochen wird. Dadurch werden die Ereignisse nicht nur für die Figuren zu einer Herausforderung. Dem Publikum geht es da nicht anders.
OT: „Les Destinées sentimentales“
Land: Frankreich, Schweiz
Jahr: 2000
Regie: Olivier Assayas
Drehbuch: Olivier Assayas, Jacques Fieschi
Vorlage: Jacques Chardonne
Musik : Nicolas Bomsel
Kamera: Eric Gautier
Besetzung: Emmanuelle Béart, Charles Berling, Isabelle Huppert, Olivier Perrier, Dominique Reymond, André Marcon
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Cannes | 2000 | Goldene Palme | Nominierung | |
César | 2001 | Bester Hauptdarsteller | Charles Berling | Nominierung |
Beste Hauptdarstellerin | Emmanuelle Béart | Nominierung | ||
Beste Kamera | Eric Gautier | Nominierung | ||
Bestes Szenenbild | Katia Wyszkop | Nominierung |
Cannes 2000
Toronto International Film Festival 2000
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