Für Emma (Isabelle Huppert) scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen, als sie die Ehefrau des kürzlich verwitweten Charles Bovary (Jean-François Balmer) erobert. Schließlich verspricht sie sich davon ein Leben in gehobener Gesellschaft. Stattdessen langweilt sie der freundliche, aber schrecklich provinzielle Dorfarzt. Als der Besuch bei einem Ball ihre Unzufriedenheit noch weiter steigert, bietet ihr Charles an, in eine größere Stadt zu ziehen. Doch auch dort wird sie nicht wirklich glücklich, beginnt Affären mit dem angehenden Notar Léon Dupuis (Lucas Belvaux) sowie dem Gutsherren Rodolphe Boulanger (Christophe Malavoy) und versucht ihren Kummer durch den Kauf verschwenderisch teurer Kleider zu vergessen …
Ein Klassiker in vielen Fassungen
Gustave Flauberts Madame Bovary gehört zu den ganz großen Romanen innerhalb der französischen Literaturgeschichte. Dabei waren die anfänglichen Reaktionen nicht durchweg positiv. Im Gegenteil: Nach einer ersten Veröffentlichung als Fortsetzungsgeschichte bemühten sich Kritiker, das Buch gerichtlich zu verbieten, mit Hinweis auf die verkommene Moral der Protagonistin. Diese Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt, der 1857 veröffentlichte Roman dafür umso mehr. Die Geschichte um eine Frau, die sich in Affären und Luxus stürzt, um ihrer langweiligen Ehe zu entkommen, wurde zu einem echten Verkaufsschlager. Kein Wunder, dass sich später zahlreiche Regisseure an einer Adaption versuchten, eine der ersten (1934) stammte immerhin vom späteren Meisterfilmemacher Jean Renoir.
Als sich 1991 der nicht minder berühmte Landsmann Claude Chabrol noch einmal des Klassikers annahm, durfte man neugierig sein, was er aus dem bekannten und vielfach verfilmten Stoff herausholen würde. Umso mehr, da der Regisseur und Drehbuchautor nicht unbedingt für Historiendramen bekannt war. Ein eigener Klassiker ist ihm damit aber nicht gelungen. Zwar wurde Madame Bovary immerhin für einen Golden Globe als bester fremdsprachiger Film nominiert, die Besucherzahlen im Kino waren aber weder in Frankreich noch bei uns berauschend. Inzwischen ist die Verfilmung auch eher in Vergessenheit geraten – und das obwohl mit Isabelle Huppert (Elle) ein echter Weltstar verpflichtet wurde, die wie gemacht ist für eine Figur zwischen Leidenschaft und Eiseskälte.
Das ungefühlte Leid
So ganz geht die Mischung hier aber nicht auf. Dass Emma Bovary mit ihrem Leben unglücklich ist, das wird zwar sehr anschaulich aufgezeigt. Das Publikum bekommt aber nur wenig Einblick in das „warum“. Chabrol bleibt in seinem Film sehr auf Distanz, beobachtet, was seine Protagonistin da treibt, beschreibt in Voice-overs das Geschehen. Es gelingt ihm aber nicht, sie wirklich so nahe heranzuholen, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen sich in ihr wiederfinden. Das Gefühl, in einer langweiligen Ehe und der Provinz gefangen zu sein, wird hier zwar angesprochen. Aber es wird nicht fühlbar. Wie sehen Bovary, wie sie Männer anhimmelt oder sich in Kleider verliebt. Was das in ihr auslöst, das bleibt jedoch hinter dem edlen Dekor verborgen, was auf Dauer langweilig bis frustrierend ist.
Hinzu kommt, dass Madame Bovary alles andere als eine Sympathieträgerin ist. Natürlich müssen Figuren nicht zwangsläufig sympathisch sein, damit man ihnen gerne zusieht. Sie sollten dann aber wenigstens interessant sein. Viel zu selten wird in dem Drama aber deutlich, dass es sich bei ihr um eine wirklich tragische Figur handelt, die zu einer Gefangenen ihrer eigenen Sehnsüchte und auch gesellschaftlicher Erwartungen geworden ist. Stattdessen geht sie mit ihrer passiv-aggressiven Art schnell auf die Nerven. Im besten Fall ist einem ihr Niedergang gleichgültig. Nicht wenige dürften sogar insgeheim eine gewisse Genugtuung dabei empfinden, wenn sie sich in den Ruin treibt – wären da nicht auch andere betroffen, die unter ihr zu leiden haben.
Eine solide Geduldsprobe
Das bedeutet aber nicht, dass Madame Bovary nicht einen Blick wert wäre. Die Ausstattung beispielsweise ist schon ein guter Grund dafür, die Kostüme wurden nicht grundlos seinerzeit für einen Oscar nominiert. Außerdem ist es mit einer gewissen Faszination verbunden, wie sich jemand ins Unglück stürzt, die Situation dermaßen eskalieren kann, ohne dass es jemand realisiert – bis auf den Schneider, der sehr gut davon leben kann, wie sich Bovary ruiniert. Und auch das Ensemble hat seinen Anteil daran, dass das Drama immer wieder sehenswerte Szenen bereithält. Mehr als solide ist das Ergebnis jedoch nicht. Aufgrund der langen Laufzeit von knapp 140 Minuten braucht es zudem recht viel Geduld, um beim wenig munteren Treiben bis zum Schluss dranzubleiben.
OT: „Madame Bovary“
Land: Frankreich
Jahr: 1991
Regie: Claude Chabrol
Drehbuch: Claude Chabrol
Vorlage: Gustave Flaubert
Musik: Matthieu Chabrol
Kamera: Jean Rabier
Besetzung: Isabelle Huppert, Jean-François Balmer, Christophe Malavoy, Jean Yanne, Lucas Belvaux, Jean-Louis Maury
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1992 | Beste Kostüme | Corinne Jorry | Nominierung |
Golden Globes | 1992 | Bester fremdsprachiger Film | Nominierung |
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