Ist das jetzt lustig oder traurig? Als zu Beginn von Mein Name ist Klitoris eine Reihe junger Frauen aufgefordert werden, eine Klitoris zu zeichnen, haben diese damit sichtlich Schwierigkeiten. Und sie sind keine Ausnahme, wie eine Texttafel später verrät, der zufolge eine erschreckend große Anzahl an Jugendlichen nicht einmal weiß, was eine Klitoris ist. Das ist natürlich auch die Folge eines mangelnden Schulunterrichts, der diesen Punkt der weiblichen Anatomie lieber nicht so vor anderen Leuten ansprechen mag. Es ist vor allem aber auch als Symbol sehr aussagekräftig, wenn ausgerechnet das Organ, welches einen großen Anteil am weiblichen Orgasmus hat, totgeschwiegen wird. Denn der war lange Zeit nur Nebensache: Sex diente der Fortpflanzung, maximal der Freude der Männer. Frauen? Nur ein Mittel zum Zweck.
Das Recht aus erfüllenden Sex
Das ist inzwischen natürlich anders, in vielfacher Hinsicht ging eine Gleichberechtigungsbewegung auch mit dem sexuellen Aspekt einher: Frauen können und dürfen Spaß beim Sex haben. Und doch, die Auswirkungen dieses so lange gepflegten Ungleichgewichts lassen sich noch immer aus manchen Interviews in Mein Name ist Klitoris heraushören. Obwohl die zwölf Protagonistinnen, die hier zu Wort kommen, einer jungen Generation angehören, die deutlich offener mit dem Thema umgeht, ganz frei von der sexuellen Hierarchie vergangener Tage sind sie nicht. Da wurde zum Teil die eigene Lust dem des Partners untergeordnet und im Zweifel vorgetäuscht: Sie taten einfach so, als hätten sie einen Orgasmus, nachdem ihr Gegenüber an der Aufgabe scheiterte sie richtig miteinzubeziehen.
Ein anderes Beispiel für überholte Ansichten, die sich nicht so leicht ablegen lassen: An einer Stelle von Mein Name ist Klitoris erzählt eine der Befragten davon, wie sie offiziell als Jungfrau galt. Schließlich habe bei ihr keine Penetration stattgefunden. Dass sie dabei durchaus sexuell aktiv war, nur eben in einer anderen Form, war hierfür unbedeutend. Eine Frau ist eben nur dann eine Frau, wenn ein Mann in ihr drinsteckte. Die Regisseurinnen Lisa Billuart Monet und Daphné Leblond müssen an der Stelle oder anderen nicht viel sagen. Die Aussagen ihrer Gesprächspartnerinnen sprechen für sich, auch wenn sie einen als Zuschauer dann doch manchmal etwas sprachlos zurücklassen.
Viele Themen führen zum Gespräch
Dabei streifen die Gespräche die unterschiedlichsten Aspekte innerhalb dieses Themenkomplexes. Offen erzählen die jungen Frauen, welche Erfahrungen sie beim Sex gemacht, sei es beim ersten Mal oder allgemein. Erzählen von ihren Schwierigkeiten, dabei selbst zum Orgasmus zu kommen, oder auch homosexuellen Begegnungen. Eine solche Veranstaltung kann schnell ein wenig voyeuristisch werden, wenn etwas zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert wird. Oder man geht in die andere Richtung und versucht derart angestrengt nüchtern und neutral zu bleiben und sorgt damit für zu viel Distanz. Mein Name ist Klitoris gelingt es hingegen, die Waage aus beidem zu halten, ist informativ, aber nicht langweilig, persönlich, ohne ausbeuterisch zu werden.
Der Dokumentarfilm, der auf einer Reihe von Festivals zu sehen war, profitiert dabei enorm von den lebendigen und ungeschminkten Erzählungen der Protagonistinnen, die mal ernst, dann auch wieder heiter sein können. Angesichts der zahlreichen Gesprächspartnerinnen und Themen ist klar, dass hier am Ende nicht die eine Erkenntnis herausspringt. Das war aber auch nicht beabsichtigt. Mein Name ist Klitoris versteht sich eher als Diskussionsbeitrag und als Aufmunterung, überhaupt mal über diese Themen zu reden und ihnen die Relevanz zu verleihen, die sie haben. Als solcher ist der Dokumentarfilm eine wertvolle Bereicherung für das Kinoprogramm, ganz unabhängig vom Geschlecht des Publikums.
OT: „Mon nom est clitoris“
Land: Belgien
Jahr: 2019
Regie: Lisa Billuart Monet, Daphné Leblond
Drehbuch: Lisa Billuart Monet, Daphné Leblond
Musik: Thibaud Lalanne
Kamera: Lisa Billuart Monet
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