Der Fensterputzer John (James Norton) lebt in der nordirischen Hauptstadt Belfast. Seine Frau hat ihn sechs Monate nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Michaels (Daniel Lamont) verlassen und ist über Nacht nach Russland geflohen. Seit vier Jahren erzieht er seinen Sohn nun alleine. Nachdem John Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, steht er vor schweren Entscheidungen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, um sich angemessen von seinem Sohn Michael zu verabschieden und eine neue, liebevolle Familie für den Vierjährigen zu finden.
Die Suche nach der passenden Familie
Über 280.000 Menschen leben in Belfast. Genug zu tun also für Fensterputzer John. Als Teil seiner Arbeit wird ihm täglich ein Einblick in die Leben der Menschen gewährt. Durch die Fensterscheiben der Stadt trifft er auf Kater, die wie gebannt Johns Wischbewegungen verfolgen, auf bunt eingerichtete Kinderzimmer, auf anonyme Wohnblocks wie auf stattliche Einfamilienhäuser. Obwohl ihm seine Auftraggeber einen intimen Einblick in ihr Leben geben, die sonst nur Freunde und Familie erhalten würden, bleibt die wichtigste Frage seines Lebens unbeantwortet. Was macht die ideale Familie aus? Gemeinsam mit einer Adoptionsagentur sieht sich James mit dieser Frage Woche für Woche aufs Neue konfrontiert. James ist unheilbar an Krebs erkrankt. Durch Besuche bei potentiellen neuen Familien muss er nun entscheiden, welche für seinen Sohn Michael zu einem liebevollen neuen zu Hause werden kann. Dabei scheint die Entscheidung von Besuch zu Besuch schwieriger zu werden und ein Kandidat ungeeigneter als der andere zu sein.
Die Wahl der passenden Adoptionsfamilie ist dabei nicht die einzige Entscheidung, die James treffen muss. Sein Sohn Michael und er sind ein unzertrennliches Team. Jeden Morgen bringt James seinen Sohn in den Kindergarten, liest ihm vor, geht mit ihm spazieren und beobachtet mit ihm die Lastwagen, die die Autobahn entlang rasen. James ist die einzige Bezugsperson des jungen Michaels, zu keinem anderen Erwachsenen hat der Vierjährige ein annähernd starkes Vertrauen. Umso schwerer ist es daher für James, Michael von seiner Krankheit zu erzählen. Tod ist für den Vierjährigen ein neues, sehr abstraktes Konzept und James ist sich unklar, wie er Michael seine gesundheitliche Lage erklären soll.
Ein Drama, das zu Herzen geht
Nowhere Special ist ein herzzerreißendes Drama, welches einen detailliert und emotionalen Einblick in das Leben von James und seinem Sohn Michael gewährt. James Krankheit, und die Auswirkungen die sein bevorstehender Tod auf das Leben seines Sohnes haben, schweben hierbei über fast allen Szenen im Film. Zu keinem Moment fällt es leicht, die Augen trocken zu halten. Das führt unweigerlich dazu, das man sich nach den spärlich gesäten fröhlichen Momenten im Film sehnt. Sich an der Geschichte von Michael und James satt zu sehen, bleibt dabei trotzdem schwer. Durch seine sehr direkte und ausführliche Erzählung ist Nowhere Special ein mitreißender Film, der den Zuschauer konstant im Bann hält. Besonders interessant ist dabei auch der Einblick in die potentiellen Pflegefamilien, die der Zuschauer durch James Besuche mit der Adoptionsagentur gewinnt. Die Vielzahl an Familienmodellen und Lebensweisen regen zur Reflexion der eigenen Vorstellungen über Familie an. Gleichzeitig traut sich Nowhere Special wenig narrative Offenheit zu. Gerade zum Ende des Filmes bleibt kaum eine der hochkomplexen Entscheidungen unerzählt und unerklärt. Getragen wird der Film von einem überzeugenden James Norton, dessen Durchbruch in der britischen Krimiserie Happy Valley 2015 für einen TV BAFTA nominiert wurde. Zuletzt war Norton in Greta Gerwigs Adaption des Klassikers Little Women als John Brooke auf der Kinoleinwand zu sehen.
Nowhere Special ist Uberto Pasolinis dritter Langfilm. Die Biographie des italienischen Regisseurs, Autors und Produzenten ist bemerkenswert: Vor seiner Tätigkeit im Filmgeschäft war Pasolini zwölf Jahre lang Investmentbanker in London. Bekanntheit erlangte Pasolini vor allem als Produzent der Komödie Ganz oder gar nicht. Nowhere Special hatte seine Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig 2020.
OT: „Nowhere Special“
Land: UK, Italien, Rumänien
Jahr: 2020
Regie: Uberto Pasolini
Drehbuch: Uberto Pasolini
Musik: Andrew Simon McAllister
Kamera: Marius Panduru
Besetzung: James Norton, Daniel Lamont, Eileen O’Higgins
Filmfest Venedig 2020
Filmfest Hamburg 2020
Zurich Film Festival 2020
Fünf Seen Filmfestival 2021
Filmkunstmesse Leipzig 2021
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