Bill Hagmaier (Elijah Wood) ist noch recht neu beim FBI, als er einen der harten Brocken abbekommt: Er soll in Gesprächen mit dem verurteilten Serienmörder Ted Bundy (Luke Kirby) herausbekommen, wer er ist und was ihn antreibt, um dessen Verbrechen besser zu verstehen. Damit ist er Teil einer neu geschaffenen Einheit, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Psychologie solcher Mörder zu analysieren, auch um diese Kenntnisse bei künftigen Fällen einzusetzen. Doch was sich in der Theorie so einfach anhört, stellt sich als nahezu unlösbare Aufgabe heraus. Bundy ist berüchtigt dafür, dass er mit niemandem reden will, vor allem nicht mit Polizisten und dergleichen, für die er nur Verachtung übrig hat. Und das lässt er zunächst auch Hagmaier spüren …
Die Faszination der Serienmörder
So schrecklich Serienmörder und ihre Taten auch sind, so üben sie doch auf die Menschen eine ungeheure Faszination auf. Bei Netflix vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Doku zu dem Thema erscheint, auch andere sind in den lukrativen True Crime Doku Markt eingestiegen. Hinzu kommen regelmäßig Spielfilme, die sich mit dem Leben der berühmten Killer auseinandersetzen. Charles Manson (Charlie Says) steht dabei besonders hoch im Kurs, nicht zuletzt wegen der kultischen Elemente, mit denen seine Bluttaten verbunden waren. Ein weiteres Beispiel ist Jeffrey Dahmer (My Friend Dahmer), der über mehrere Jahre junge Männer und Jugendliche ermordet hat und auch wegen seiner nekrophilen und kannibalistischen Neigungen bis heute unvergessen ist.
Und dann wäre da noch Ted Bundy, der in den letzten Jahren wieder auffällig oft thematisiert wurde. Neben der obligatorischen True Crime Doku Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders erhielt er noch eine Hollywood-Adelung: Ausgerechnet Beau Zac Efron verkörperte ihn in Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile und betonte damit den Charme des Jungen von nebenan, der zufällig eben auch ein wahnsinniger Killer ist. Ted Bundy: No Man of God verzichtet darauf, diese freundliche Fassade aufrecht zu erhalten. Hier lernen wir einen der berüchtigtsten Serienmörder in seinen späteren Jahren kennen, als er bereits im Gefängnis saß. Dort musste er niemanden mehr bezaubern, um ihnen nahezukommen. Vielmehr stieß er konsequent alle von sich weg.
Fortlaufende Gespräche in karger Umgebung
Wer sich von dem Film den Nervenkitzel erhofft, den andere Produktionen zu dem Thema oft mit sich bringen, wird entsprechend enttäuscht. Hier gibt es keine brenzligen Situationen oder rauschartigen Exzesse. Stattdessen sehen wir in Ted Bundy: No Man of God einen überwiegenden Teil der anderthalb Stunden, wie zwei Männer in einem kargen Zimmer sitzen und sich miteinander unterhalten. Spektakulär ist das nicht, soll es auch gar nicht sein. Es geht vielmehr um die Annäherung an das Böse und die Frage, was es ausmacht. Die zentrale These im Selbstverständnis Bundys und damit auch des Films: Er ist nicht verrückt. Er ist niemand, der so fern ist von allen anderen Menschen, dass uns das prinzipiell nichts mehr angeht.
Stattdessen fordert das Krimidrama, welches auf dem Tribeca Film Festival 2021 Premiere feierte, das Publikum heraus, sich in Bundy wiederzusehen bzw. Bundy in einem selbst. Klar: Die wenigsten ziehen umher und bringen andere Menschen um. Und doch sucht Ted Bundy: No Man of God nach dem Gemeinsamen zwischen dem Mörder und den „normalen“ Leuten. Das geschieht über Umwege, indem Hagmaier einbezogen wird. Der auf tatsächlichen von 1984 bis 1989 geführten Gesprächen basierende Film zeigt eine besondere Beziehung zwischen einem Profiler und seinem Projekt, deren anfängliche Distanz nach und nach aufgehoben wird. Der FBI-Mann wird zu einem Vertrauten, nicht zuletzt wegen dessen ehrlichen Interesse an seinem Gegenüber und dem Versuch, dieses zu verstehen.
Gut gespielte Annäherung an ein Monster
Das wird nicht unbedingt allen gefallen. Die einen werden den Film sicherlich langweilig finden, eben weil es kaum Handlung gibt. Andere werden ihm vorwerfen, dass er letztendlich den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird und man über Bundy kaum etwas erfährt, das nicht schon bekannt ist. Und doch gibt es in Ted Bundy: No Man of God viele sehenswerte Szenen, die in erster Linie dem packend auftretenden Schauspielduo zu verdanken sind. Elijah Wood (Der Herr der Ringe: Die Gefährten) hat auch mit 40 Jahren noch etwas sehr Jungenhaftes an sich und betrachtet sein Gegenüber mit einer Mischung aus Naivität, Unbehagen und Faszination. Vor allem aber Luke Kirby (Take This Waltz) bleibt in Erinnerung mit seiner Darstellung eines Monsters, das bei anderen die böse Ahnung erweckt, keine Ausnahmeerscheinung zu sein. Tatsächlich finden sich in dem Film auch über den Fall hinausgehende Anklagen, etwa zur medialen Ausschlachtung und der Sensationsgier, welche die Frage aufwerfen, wie groß der Anteil des Publikums und der Gesellschaft ist beim Entstehen solcher Monster.
OT: „No Man of God“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Amber Sealey
Drehbuch: Kit Lesser
Musik: Clarice Jensen
Kamera: Karina Silva
Besetzung: Elijah Wood, Luke Kirby, Aleksa Palladino, Robert Patrick
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