Pippa (Sydney Sweeney) und Thomas (Justice Smith) können ihr Glück kaum fassen, als sie ihre neue Wohnung beziehen. Denn sie bietet alles, was man sich erträumen kann, inklusive eines tollen Ausblicks. Nur umfasst dieser Ausblick auch die Wohnung gegenüber. Dass Seb (Ben Hardy) und Julia (Natasha Liu Bordizzo) dort wie auf dem Präsentierteller leben, scheint sie nicht übermäßig zu stören. Ebenso wenig dass ihnen jeder beim Sex zusehen kann. Zunächst ist diese Situation für Pippa und Thomas ein wenig unangenehm, schließlich wollen sie ja keine Voyeure sein. Doch je mehr sie das attraktive Paar von gegenüber beobachten, umso faszinierter sind sie von den beiden. Und so beginnen sie, eine Grenze nach der anderen zu überschreiten und nicht einfach nur zu beobachten …
Der Mensch, das glotzende Tier
Es liegt ganz offensichtlich in der Natur des Menschen, dass er unentwegt in das Leben anderer schauen will. Ob es nun die Klatschblätter sind, die im Müll von Prominenten wühlen oder soziale Medien, die zu einem beliebten Stalking- und Selbstdarstellungsutensil geworden sind, im Alltag gibt es mehr als genügend Beispiele. Und auch in Filmen wird immer mal wieder mit der Faszination gespielt, in das Leben anderer einzutauchen, ohne deren Wissen, und dabei die Fantasie ein bisschen treiben zu lassen. Die Klassiker Blow up und Das Fenster zum Hof fallen einem an der Stelle beispielsweise ein. The Neighbors’ Window über ein Paar, das sich in dem Leben des gegenüber wohnenden Paars verliert, wurde 2020 sogar mit einem Oscar für den besten Kurzfilm ausgezeichnet.
Mit einem Preisregen dürfte bei dem Amazon Prime Video Film The Voyeurs wohl kaum einer rechnen. Das war aber auch nicht die Absicht. Als Erotikthriller wird das Werk verkauft, soll in erster Linie das Publikum erregen. Da wäre zum einen die attraktive Besetzung, die nur zu gern alle Klamotten fallen lässt und damit das Publikum selbst zu Voyeuren und Voyeurinnen macht. Das wird dann zwar immer mit dem Gefühl verbunden, etwas Verbotenes zu tun. Schließlich gehört sich das nicht, Fremden beim Sex zuzusehen! Aber das ist natürlich nur vorgeschoben. Die Sexszenen sind nicht einfach nur ein Bestandteil, um die Geschichte zu erzählen. Sie ersetzen oft die Geschichte und werden ausgiebig zelebriert.
Die Grenzen der Moral
Das kann man nun selbst sexy finden. Interessanter als die expliziten Szenen sind diejenigen, die sich mit der Rolle des Spannerpaares befassen. Während moralische Bedenken, ob man nun zusehen darf oder nicht, bald beiseitegeschoben werden, kommen später die Fragen: Ergibt sich aus dem Wissen um das Geschehen gegenüber auch eine Verantwortung? Darf ich in das Leben anderer eingreifen, wenn dort etwas schiefläuft? Muss ich das sogar? So richtig weit verfolgt Regisseur und Drehbuchautor Michael Mohan diese Gedanken aber nicht. Immer dann, wenn man gerade meint, The Voyeurs könnte tatsächlich inhaltlich relevant werden, schwenkt der Film wieder um und konzentriert sich auf eine recht billige Belustigung.
Sinn ergibt das Ganze höchstens zufällig mal. Für einen Film, der viel über die menschliche Natur aussagen will, versteht er relativ wenig von ihnen. Vor allem zum Ende hin erfreut sich The Voyeurs an Wendungen, von denen eine absurder ist das die vorherige. Daran darf man natürlich Spaß haben. Wer die Qualität einer Geschichte daran festmacht, wie viele Haken diese schlägt, dürfte diese hier richtig gut finden. Wer sich hingegen tatsächliche Einblicke erhofft und eine Aussage, die auf die Welt da draußen zutrifft, der muss seine Ansprüche schon sehr weit nach unten schrauben. Gerade zum Schluss hin wird das derart überzogen bis blödsinnig, dass jegliche Relevanz brutal zusammengeprügelt wird. Der Thriller wird zum filmischen Pendant dieser Groschenromane.
Auf intelligent getrimmte Dümmlichkeit
Natürlich muss nicht jeder Film intelligent sein oder ein wertvoller Beitrag zum kulturellen Diskurs. Zwischendurch einfach nur mal ein bisschen Spaß haben und etwas Nervenkitzel, das ist schon erlaubt. Aber es ist schon ein wenig dreist, wie sehr sich dieser hier überschätzt und als etwas verkauft, was er nicht ist. Das betrifft einerseits die Geschichte, andererseits die auf intelligent getrimmten, letztendlich dümmlichen Dialoge. Es ist nicht einmal so, dass The Voyeurs tatsächlich wahnsinnig spannend wäre. Vielmehr besteht der Film aus einem ewig langen Vorspiel, bevor dann ein sehr plötzlicher „Höhepunkt“ kommt – und ein groteskes Nachspiel. Immerhin: Letzteres bleibt einem in Erinnerung, auch wenn es nicht so provokativ ist, wie Mohan vermutlich dachte.
OT: „The Voyeurs“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Michael Mohan
Drehbuch: Michael Mohan
Musik: Will Bates
Kamera: Elisha Christian
Besetzung: Sydney Sweeney, Justice Smith, Ben Hardy, Natasha Liu Bordizzo
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