Es ruhiger angehen lassen? Das kommt für Corey (Alain Delon) nicht in Frage. Zwar wurde er gerade erst wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Doch das bedeutet nicht, dass er sich deswegen in Zukunft brav ans Gesetz halten will. Stattdessen plant er schon seinen nächsten Coup: Ein Einbruch in einem vornehmen Juweliergeschäft soll ihn zu einem vermögenden Mann machen. Unterstützung erhält er dabei durch den Ganoven Vogel (Gian Maria Volontè) sowie Jansen (Yves Montand), einen Ex-Polizisten und Scharfschützen mit Hang zum Alkohol. Dabei ahnen sie nicht, dass ihnen bereits Kommissar Mattei (André Bourvil) auf der Spur ist, der alles daran setzt, den flüchtigen Vogel einzufangen …
Ein Meister des Verbrechens
Auch wenn Jean-Pierre Melville natürlich noch andere Werke gedreht und andere Genres bedient hat, so bringt man ihn doch vorrangig mit seinen Gangsterfilmen in Verbindung. Von Drei Uhr nachts (1956), in dem er einen gescheiterten Kriminellen ein Casino ausrauben lässt, bis zu Der Chef (1972), in dem ein Polizei-Kommissar einen räuberischen Nachtclubbesitzer jagt: Der französische Regisseur hat uns eine Reihe spannender und sehenswerter Genrebeiträge hinterlassen. Sein Magnum Opus ist dabei aber ohne jeden Zweifel Vier im roten Kreis (1970), das seinerzeit erfolgreich in den Kinos läuft und heute als einer der großen Klassiker des Krimi- und Thrillerbereiches gilt.
Dabei erinnert Vier im roten Kreis schon an das besagte Frühwerk Drei Uhr nachts, bei dem Melville erstmals in die Welt der Verbrecher hinabstieg. In beiden Fällen folgen wir drei Männern, die einen großen Raubzug planen, dabei jedoch von einem Polizisten gejagt werden – ohne sich dessen bewusst zu sein. Beide Fälle sind zudem auch von einer fatalistischen Note geprägt. Anders als der Kollege Bob aus dem Krimidebüt ist Corey zwar kein Getriebener, der auch wegen mangelnden Glücks einen Raub plant. Und doch ist es auffällig, wie sehr die Geschichte durch Zufälle vorangetrieben wird. Ob es die Anfänge des Plans sind, die auf eine Idee eines anderen zurückgehen, oder die erste Begegnung von Corey und Vogel: Das hätte alles ganz anders laufen können. Bis zum Schluss sind die drei nie wirklich Herren ihres Schicksals.
Ein ungleiches Duell
Dem entgegengesetzt ist der minutiöse Plan des Trios, wie es an das Vermögen im Juweliergeschäft kommen will. Melville gibt sich und seinen Protagonisten viel Zeit bei der Vorbereitung. Wie bei Heist Movies üblich, geht es erst einmal darum, die notwendigen Komplizen zu finden und alles vorzubereiten. Höhepunkt von Vier im roten Kreis ist dann die rund 20-minütige Einbruchssequenz, die ohne Worte auskommt – was Erinnerungen an einen anderen großen französischen Genrevertreter Rififi weckt, dessen Safeknack-Szene legendär ist. Aber auch sonst ist das hier kein übermäßig gesprächiger Film. Das Notwendige ist schnell geklärt, den Rest der Geschichte erzählt der Filmemacher allein durch seine Bilder. Actionszenen sind ebenfalls eher rar.
Die Spannung besteht vielmehr darin, wie sich das Netz um die drei immer enger zieht. Kommissar Mattei, der vierte Protagonist, hat die Spur der Einbrecher aufgenommen. Die Frage ist daher: Wer wird am Ende schneller sein, die Kriminellen oder der Polizist? Anders als heutige Heist Movies, die Verbrecher gerne mal heroisieren, indem sie gegen andere Verbrecher vorgehen, würde keiner Corey, Vogel und Jansen als Helden bezeichnen wollen. Sie sind aber auch keine eindeutigen Schurken: Alle Menschen seien schuldig, sagt an einer Stelle der Polizeipräsident zu seinem Untergegebenen. Und nimmt damit die Ambivalenz vorweg, die den Film begleitet. Das wiederum bedeutet, dass es bei Vier im roten Kreis bis zum Schluss offen bleibt, wie das Ganze ausgeht, wer von beiden Seiten siegreich ist – und ob es überhaupt Sieger gibt.
Die Tragik abseits des Spektakels
Passend zu der düsteren Geschichte wird das Geschehen in düsteren, oft unterkühlten Bildern dargestellt. Auch wenn der Film nicht in Schwarzweiß gedreht wurde, die blassen Farben erzeugen eine Stimmung vergleichbar zu den klassischen Vertretern des Film noir. Mit ihnen gemeinsam hat Vier im roten Kreis das Abgründige und Reduzierte, das Distanzierte auch. Die Schauspieler treten zurückhaltend auf, geben Einblicke in die Motivationen ihrer Figuren und bleiben doch – nicht zuletzt wegen der besagten Sprachlosigkeit – Fremde, denen wir aus der Ferne folgen. Das ist bis heute sehr sehenswert, sofern man sich eben auf diese ruhige Art einlassen kann, wie man sie inzwischen bei solchen Geschichten eher selten findet. Hier gibt es eben nicht das große Spektakel, sondern die kontinuierliche Arbeit an etwas Großem, bei dem man insgeheim weiß, dass das alles nicht gut ausgehen kann.
OT: „Le Cercle Rouge“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1970
Regie: Jean-Pierre Melville
Drehbuch: Jean-Pierre Melville
Musik: Eric de Marsan
Kamera: Henri Decaë
Besetzung: Alain Delon, André Bourvil, Yves Montand, Gian Maria Volontè, François Perier, André Ekyan
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