Zurück ans Meer
© ZDF/Marion von der Mehden

Zurück ans Meer

Inhalt / Kritik

Zurück ans Meer
„Zurück ans Meer“ // Deutschland-Start: 4. Oktober 2021 (ZDF)

Unzählige Therapien hat sie schon versucht, nichts hat geholfen. Seit 22 Jahren leidet Mara (Nina Hoger) unter dem Trauma einer brutalen Entführung. Sie bekommt noch immer heftige Panikattacken, kriegt keine Luft mehr, fällt bewusstlos zu Boden. Sämtliche Kontakte hat die Selbstmordgefährdete abgebrochen, ihr Leben besteht aus wenig mehr als reinem Dahinvegetieren. Maras Mutter Charlotte (Hannelore Hoger) lässt dennoch nichts unversucht, dem längst erwachsenen Kind zu helfen. Eine letzte Chance scheint die Klinik von Frau Dr. Sahling (Christina Große) an der Ostsee zu bieten. Dorthin zu fahren, ist schon an sich eine Leistung. Denn das Verbrechen geschah am Meer, in Dänemark. Tatsächlich kommen die Dinge in Gang, nicht allein durch die Gespräche mit der einfühlsamen Therapeutin. Mutter Charlotte glaubt nämlich, bei einer Zufallsbegegnung die Stimme des Entführers wiedererkannt zu haben. Sie gehört dem schwerreichen Baulöwen Kjell Mortensen (Jens Albinus). In der Art einer Detektivin heftet sich Charlotte an seine Fersen.

Gefangen im unsichtbaren Käfig

Für den Außenstehenden bietet die Klinik an der See beste Voraussetzungen für Maras Heilung. Licht, Weite und eine frische Brise signalisieren Freiheit statt Enge. Das großzügige Therapiezimmer bietet Raum zum Herumlaufen, wenn den Patienten die Couch oder der Sessel zu beklemmend vorkommen. Und auch im übertragenen Sinne lässt die erfahrene Therapeutin Luft zum Atmen. Es geschehe nichts, was Mara nicht wolle, erklärt sie der Verängstigten, der die Pein der Entführung ganz buchstäblich noch in den Knochen steckt. Aber Mara kann so nicht empfinden, sie fühlt sich gefangen im unsichtbaren Käfig. „Jedes Tier kann eine Schockstarre wieder auflösen, wenn die Gefahr vorbei ist“, erklärt Dr. Sahling. Ein schwer geschädigter Mensch mit posttraumatischer Belastungsstörung schaffe das nicht. Die Angst stecke im Körper fest. Unbewusst werde alles vermieden, was an den Auslöser des Schocks erinnere. Eine Belastung, die die ganze Familie in Mitleidenschaft zieht.

Es wäre interessant gewesen, einen kompletten Film über das wichtige, wenn auch vielleicht nicht Primetime-taugliche Thema zu drehen. Dann hätte das Drehbuch (Fabian Thaesler) die Information von Dr. Sahling, dass auch der Mutter eine begleitende Therapie zustehe, einfach aufgreifen und das ganze Ausmaß der Tat aus Sicht der Opfer ausbreiten können. Doch die Verantwortlichen des ZDF wollten sich die Chance wohl nicht entgehen lassen, Hannelore Hoger noch einmal in Bella Block-Manier auftreten zu lassen. Und so lehnt sie in der Figur der Buchhändlerin Charlotte das Hilfsangebot ab und stürzt sich stattdessen in die Jagd auf den vermeintlichen Täter. Dass die resolute alte Dame dabei nicht zimperlich vorgeht – danach schreit das Bella-Stammpublikum geradezu. Regisseur Markus Imboden (Der Verdingbub, 2011), der mit Hannelore Hoger fünf Bella-Episoden gedreht hat, gibt dem Krimi-Affen reichlich Zucker.

Schier unlösbares Dilemma

Wegen der Mischung aus Verbrecherjagd und Therapiefilm gerät die intensive schauspielerische Leistung von Nina Hoger manchmal in den Hintergrund. Sie hat trotz ihrer Hauptrolle zu wenig Szenen, um den schwierigen Prozess der Heilung im Detail auszuloten. Stattdessen zwingen Drehbuch und Inszenierung sie in das Klischee der Unberechenbaren und Trotzigen, die sich endlich von der Mutter lösen muss. Das ist nicht fein genug austariert, um wirklich das ganze Dilemma auszubreiten zwischen einer Tochter, die sich gefangen fühlt, und einer Mutter, die ihr Kind in einer solchen Lage gar nicht loslassen kann.

Ohne Zweifel bietet Zurück ans Meer spannende Unterhaltung und eine Prise Humor in Gestalt des widerspenstigen Anwalts Christian Johansen (Morten Sasse Suurballe). Aber was aus dem Stoff hätte werden können, wurde deutlich, als Hannelore Hoger bei der Premiere auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen an reale Verbrechen dieser Art erinnerte. Etwa an die Entführung des Literaturwissenschaftlers und Mäzens Jan Philipp Reemtsma, der wie die Schauspielerin in Hamburg lebt. Auch diese Entführung geschah schon vor deutlich mehr als 20 Jahren. Aber die Folgen reichen bis heute. „Kein Mensch kann das wegstecken“, sagte Hoger.

Credits

OT: „Zurück ans Meer“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Markus Imboden
Drehbuch: Fabian Thaesler
Musik: Mario Lauer
Kamera: Martin Langer
Besetzung: Hannelore Hoger, Nina Hoger, Morten Sasse Suurballe, Jens Albinus, Nele Mueller-Stöfen, Christina Große

Bilder



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„Zurück ans Meer“ wagt einen wichtigen Schritt, indem er ein Verbrechen nicht aus Sicht des Kommissars oder der Täter, sondern aus der Perspektive der Opfer zeigt. Aber der Film bleibt auf halber Strecke stehen und bedient das „Bella-Block“-Image von Hannelore Hoger, statt die Auswirkungen der Entführung auf die Mutter-Tochter-Beziehung genauer auszuloten.
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