Die Trauer um ihren verstorbenen Sohn lässt Sophia (Catherine Walker) keine Ruhe mehr, sodass sie in ihrer Verzweiflung den Kontakt zum Okkulten sucht, in der Hoffnung, so noch einmal Kontakt zu ihm aufnehmen zu können. Ihre letzten Ersparnisse gibt sie deswegen für ein abgelegenes Haus, mitten in der walisischen Natur aus, wo sie mithilfe des Okkultisten Jospeh Solomon (Steve Oram) ein dunkles Ritual durchführen will. Basierend auf dem Buch Abramelin gehorcht dieser Prozess einem strengen Ablauf, die die beiden von der Außenwelt abschneidet und einen Schutzengel beschwören soll, welcher wiederum sowohl Sophia wie auch Joseph einen Wunsch gewähren soll. Darüber hinaus werden sie nicht nur mit unzähligen Dämonen kämpfen müssen, sondern vor allem Sophia muss viele Entbehrungen, Kälte, Entzug und lange Perioden des Fastens in Kauf nehmen, was sie mehr als einmal an den Rand ihrer körperlichen wie auch emotionalen Grenzen bringt.
Als nach einiger Zeit die Schmerzen für sie zunehmen, doch sich keine Ergebnisse zeigen, wird auch Sophia langsam ungeduldig mit Jospeh, der seine eigenen Gründe hat, warum er das Ritual vollziehen will. Lediglich auf seine Interpretation von Ereignissen und Symbolen angewiesen, fällt es ihr immer schwerer, ihm zu vertrauen, bis es schließlich zum offenen Konflikt zwischen ihnen beiden kommt. Gerade aber, als Sophie bereit ist, aufzugeben und das Ritual zu beenden, zeigen sich erste Ergebnisse, Stimmen und Geräusche im Haus, die immer konkreter werden und den Kontakt mit Sophie zu suchen scheinen.
Horror und Realismus
In jedem Genre ist der Versuch, etwas Neues zu erzählen oder zu thematisieren, vielleicht eine der Königsdisziplinen, welche nicht immer mit Erfolg gesegnet sind, bedenkt man, welchen Einfluss der Geschmack der Masse hat. So erinnert sich Regisseur Liam Gavin beispielsweise an eine Unterhaltung mit einem Produzenten, welcher beklagte, dass der moderne Horrorfilm nur noch von Vampiren und Besessenen erzählen würde, aber keine neuen Themen mehr anpacken würde. Als Gavin wenig später eine Dokumentation über ein Ritual, durchgeführt von dem englischen Okkultisten Aleister Crowley sah, hatte er eine Idee, welche das Fundament für sein Regiedebüt A Dark Song bildete, welcher beispielsweise auf dem Sitges Film Festival mit dem New Visions Award ausgezeichnet wurde und im Oktober 2021, passend zu Halloween, in die deutschen Kinos kommt.
In einem Mainstream-Kino und bei einem Publikum, welches einen neuen Conjuring – Die Heimsuchung oder A Quiet Place erwartet, dürfte es Gavins Regiedebüt durchaus schwierig haben. Dies hat nichts mit der Qualität von A Dark Song zu tun, der wohl als einer der Geheimtipps in diesem Kinojahr 2021 gesehen werden darf, sondern in erster Linie mit dem Erzähltempo des Filmes zu tun haben sowie dem Schwerpunkt auf Realismus, den das Drehbuch wählt. Sucht man einen Vergleichsmoment, wird man diesen eher bei einem Drama wie Hans-Christian Schmids Requiem finden, der dich dem Thema Besessenheit dokumentarisch annäherte und dabei, wie auch Gavins Film, sich auf seine Darsteller und deren intensivem Spiel verlässt. Mit großer Akribie wird schon die Vorbereitung auf das Ritual beschrieben sowie die eigentliche Durchführung, welche mit der Zeit, wie bei Sophia, eine gewisse Erwartungshaltung nach sich zieht, jetzt möge doch bitte eine jener Erscheinungen folgen, von denen Joseph gesprochen hat. Statt einer Sensation oder eines jump scares folgt die ernüchternde Realität, die immer wieder auf die Konflikte der beiden Figuren zurückführt, die wahrlich beide einen Grund haben, eine höhere Macht um einen Gefallen zu bitten und alleine wegen ihrer Motivation sich angenehm abheben von der oft stereotypen Charaktercollage so manch anderer Genreproduktion.
Es geht nicht um Angst, sondern um Wissen.
Um den von Steve Oram (Sightseers) gespielten Joseph zu zitieren, geht es nur sekundär um die Angst, denn in erster Linie geht es um Wissen, wenn man ein solches Ritual vollzieht. Diese und viele andere Dialogzeilen unterstreichen das Besondere von A Dark Song, der Okkultismus nicht als einen reinen thematischen Farbanstrich behandelt, sondern sich ernsthaft mit diesen Konzepten auseinandersetzt. Besessenheit hat weniger mit Schockeffekten zu tun, denn im Zentrum steht das Wissen, was man erlangen kann, ähnlich wie Clive Barkers Hellraiser –Das Tor zur Hölle, bei dem das Spiel mit dem unheilvollen Zauberwürfel in erster Linie an den Wunsch nach Wissen geknüpft ist. So erklären sich dann auch die zahlreichen Symbole und Zeichen, welche den Handlungsort, wie auch die ganze Welt der beiden Hauptfiguren, verwandeln und mit der Zeit zu einem Ort machen, in dem die Anwesenheit des Bösen wie auch einer höheren Macht wahrscheinlich wird.
Neben der Inszenierung, die auch dank der Kameraarbeit Cathal Watters und der stimmungsvollen Musik Ray Harmans funktioniert, gebührt nicht zuletzt Catherine Walker und Steve Oram großes Lob. Der als Kammerspiel angelegte Film steht und fällt mit ihren Leistungen wie auch ihrem Zusammenspiel, was über die Laufzeit hinweg immer spannend und intensiv ist.
OT: „A Dark Song“
Land: Irland, UK
Jahr: 2016
Regie: Liam Gavin
Drehbuch: Liam Gavin
Musik: Ray Harman
Kamera: Cathal Watters
Besetzung: Catherine Walker, Steve Oram, Mark Huberman, Susan Loughnana, Nathan Vos
Sitges 2016
Filmfest Braunschweig 2017
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