Antlers
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Antlers

Inhalt / Kritik

Antlers
„Antlers“ // Deutschland-Start: 28. Oktober 2021 (Kino)

Nach dem Tod ihres Vaters beschließt Julia Meadows (Keri Russell), in ihre alte Heimat zurückzukehren, die sie seinerzeit überstürzt verließ und vergessen wollte. Doch der Neuanfang gestaltet sich schwierig. So ist das Verhältnis zu ihrem Bruder Paul (Jesse Plemons), bei dem sie derzeit lebt, angespannt. Den der fühlte sich damals im Stich gelassen. Auch sonst wird sie immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt, vor allem von den Erinnerungen an ihren Vater. Dabei hat sie mit der Gegenwart eigentlich mehr als genug zu tun. Vor allem ihr Schüler Lucas Weaver (Jeremy T. Thomas) bereitet ihr Sorgen, vermutet sie doch, dass dieser in der Familie mindestens vernachlässigt wird, wenn nicht gar Schlimmeres. Dabei ist die Wahrheit ganz anders, denn dessen Vater Frank (Scott Haze) ist nach einem Zwischenfall in der Mine nicht mehr er selbst …

Begegnung mit einer unbekannten Gefahr

So langsam kommen auch die letzten Filme aus der Versenkung, die zuvor im Zuge der Corona-Pandemie verschwunden sind. Antlers zum Beispiel hätte eigentlich schon im Frühjahr 2020 in die Kinos kommen sollen, wurde anschließend aber mehrfach verschoben und erscheint nun anderthalb Jahre später. Pünktlich zu Halloween, dem mittlerweile meistbegehrten Termin für Horrorfilme. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass das Werk sein Publikum finden wird, nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Konkurrenz. Die einzigen anderen Genrekollegen in der Zeit sind Halloween Kills sowie eine Wiederaufführung von Zombie – Dawn Of The Dead. Wer also eine tatsächlich neue Geschichte aus diesem Bereich auf der großen Leinwand sehen möchte, für den führt eigentlich kein Weg hieran vorbei.

Und zumindest anfangs macht Antlers auch einen sehr guten Eindruck. Wenn wir dort zwei Männer sehen, die in einer verlassenen Mine unterwegs sind, bis sie einem gefährlich knurrenden Etwas begegnen, dann ist das klassisches Genrematerial. Wenn dann auch noch nicht so ganz zu identifizierende Schutzmechanismen angebracht sind, die auf eine unbekannte Gefahr hinweisen, dann schlägt nicht nur das Herz von Horrorfans höher. Dass der Film die konkrete Bedrohung nicht zeigt, ist dabei kein Nachteil. Vielmehr macht Regisseur Scott Cooper (Feinde – Hostiles, Black Mass) neugierig auf das, was da noch so alles kommen mag. Zusammen mit der sehr düsteren Stimmung, die in dem verregnet-matschigen Niemandsland herrscht, verspricht das ein echtes Highlight zu werden.

Ein Monster als Missbrauchs-Metapher

Bald wird jedoch klar, dass Antlers nur bedingt in die Horrorschublade passt. Stattdessen handelt es sich um einen der zuletzt so populär gewordenen Vertreter, der das Genre nutzt, um über etwas ganz Anderes zu sprechen. Genauer verwendet die Adaption der Kurzgeschichte The Quiet Boy von Nick Antosca (Brand New Cherry Flavor) das Szenario um ein Monster, das in einer Mine umherstreift, um eine Geschichte über Missbrauch zu erzählen. Das Monster, das sich da vor unseren Augen aufbaut, das im Titel angesprochene Geweih inklusive, steht stellvertretend für die menschlichen Monster, die Teil unseres Lebens sein können. Menschen, die anderen Schmerzen zufügen, mal beabsichtigt, mal unbewusst, und dieses Trauma von Generation zu Generation weitergeben.

Die Idee als solche ist sehr interessant. Die Umsetzung selbst ist es nur zum Teil. So ist die Atmosphäre von Antlers vielmehr bedrückend als wirklich spannend. Auch wenn das Monster irgendwann sehr beeindruckend ist, es entsteht daraus kaum ein Gefühl von Bedrohung. Während sich das durch die Verlagerung auf den Drama-Part noch entschuldigen lässt, ist die Art und Weise, wie die Aussage des Films mit dem Publikum geteilt wird, recht plump. Schon die Dopplung der beiden Schicksale, die jeweils mit Missbrauch durch den Vater zu tun haben, hätte so nicht sein müssen. Dass die besagte Aussage dann auch noch bis zum letzten Buchstaben ausformuliert wird, macht die Geschichte sogar zu einem kleinen Ärgernis. Wenn man schon einen anspruchsvolleren Arthouse-Horror vorlegen will, dann sollte man darauf vertrauen, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen das auch selbst verstehen, anstatt sie wie kleine Kinder zu behandeln. Damit einher gehen ein paar andere Faktoren, welche das Finale so frustrierend machen. Da stimmt einfach die Mischung nicht.

Kunstvoll und frustrierend

Das ist auch deshalb schade, weil zuvor vieles so gut gemacht war. Das Zuhause des Jungen ist schaurig-schöner Außenseiterabfall. Allgemein gelingt es dem Film gut, das Gefühl zu vermitteln, von allen und jedem verlassen worden zu sein. Und dann wäre da noch der mythologische Aspekt, wenn Antlers auf alte Legenden verweist, welche von den indigenen Völkern überliefert wurden. Das sind also schon einige Stärken, die den Film sehenswert machen. Nicht zuletzt die kunstvollen Bilder, die zusammen mit der Musik von Javier Navarrete (Pans Labyrinth) eine märchenhafte Atmosphäre erzeugen, liefern immer wieder Gründe, warum man sich in der abgeschiedenen, abgründigen Gegend verlaufen möchte – wenn nicht gerade einer dieser frustrierenden Momente ansteht.

Credits

OT: „Antlers“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Scott Cooper
Drehbuch: C. Henry Chaisson, Nick Antosca, Scott Cooper
Vorlage: Nick Antosca
Musik: Javier Navarrete
Kamera: Florian Hoffmeister
Besetzung: Keri Russell, Jesse Plemons, Jeremy T. Thomas, Graham Greene, Scott Haze, Rory Cochrane, Amy Madigan

Bilder

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Antlers
fazit
„Antlers“ ist einer dieser Filme, die ein Horror-Gerüst nutzen, um eigentlich eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Die Analogie aus Missbrauch und Bestie, menschlichen wie mythologischen Monstern, ist interessant, wird aber recht plump umgesetzt. Gerade zum Ende hin gibt es mehrfach Anlass zum Ärger. Dafür entschädigen kunstvolle Bilder und eine Atmosphäre, die zwischen märchenhaft und bedrückend wechselt.
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von 10