Im Jahre 2029 ist die politisch-gesellschaftliche Lage in Deutschland mehr als angespannt, denn nachdem eine rechtspopulistische Partei die Macht im Staat an sich gerissen hat, kommt es immer wieder zu Konflikten mit linksgerichteten Bewegungen und Aktivisten. Auch die freie Meinung ist bedroht und Andersdenkende werden gar mit Berufsverbot belegt, wie der Journalist Johann Hellström (Tobias Moretti), der nach einem systemkritischen Artikel von seinem Verleger nahegelegt bekommt, für eine Weile unterzutauchen. Zähneknirschend reist er mit seiner Frau Lucia (Valery Tscheplanowa) in ihr abgelegenes Wochenendhaus, ein Smarthome, welches von einer künstlichen Intelligenz gesteuert, sich ganz den Vorlieben und Bedürfnissen seiner Bewohner anpasst. In dieser Abgeschiedenheit versucht sich Hellström über das Schreiben über die Zustände im Land im Klaren zu werden.
Mit der Zeit wird die Beziehung der beiden Eheleute immer angespannter, da sie jeweils anders über die Politik und besonders über den Anschlag nachdenken, dessen Urheber von Johann hart verurteilt werden, während Lucia eine weitreichende Verschwörung hinter allem wittert. Zudem kommt es immer wieder zu Störungen im Haus an sich, sodass die beiden einmal ausgeschlossen werden oder über Dateien, Bilder oder gar Filme stolpern, welche die Treue des Ehepartners infrage stellen. Als dann auch noch zwei mit Lucia befreundete Aktivisten im Haus Unterschlupf suchen, eskaliert die Situation.
Über Menschen und Menschlichkeit
Bisweilen wird man als Kunstschaffender von der Aktualität eines Themas oder einer Geschichte derart überfahren, dass es schon fast unheimlich ist, wenn Kunst und Realität auf einmal so viel gemeinsam haben. Diese Beobachtung machte auch Regisseur Rick Ostermann, dessen Dreh zu Das Haus, einer Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte von Dirk Kurbjuweit, aufgrund der Coronakrise eine Pause aufgezwungen wurde, welche er, wie auch sein Team, dazu nutzte, um sich im Klaren darüber zu werden, inwiefern sich die Realität der letzten Jahre in der Dystopie widerspiegelt. Der Film, welcher in diesen Tagen in den deutschen Kinos anläuft und unter anderem auf dem Filmfest Hamburg zu sehen ist, befasst sich nämlich mit der politisch aufgeladenen Lage Europas genauso wie mit den Ängsten einer Gesellschaft angesichts der stetig voranschreitenden Digitalisierung.
Im Fokus steht jedoch eine Geschichte über „Menschen und Menschlichkeit“, wie es Ostermann selbst beschreibt in seinem Statement zu Das Haus. Wie üblich bei einer Geschichte, die sich unter anderem als Dystopie und Science-Fiction begreift, geht es um eine Sichtweise auf den Menschen in dieser Zukunft, was ihn ausmacht, wie er sich in der Welt bewegt und wie die Gesellschaft beschaffen sein wird, in der er lebt und die er mitgestaltet. Mit dem von Tobias Moretti gespielten Journalisten Johann Hellström und seiner von Valery Tscheplanowa dargestellten Ehefrau Lucia kommt es zu einer interessanten sowie im zunehmenden Verlauf der Handlung explosiven Kombination, einem Kammerspiel, bei dem sich letztlich Handlungsmuster oder gar Ideologien begegnen, wie nun mit dieser neuen Welt umzugehen sei. In dem von Patrick Brunken und Rick Ostermann geschriebenen Drehbuch bekommt dies eine spannende Dynamik, welche durch das Zusammenspiel Morettis und Tscheplanowas betont wird, geht es doch um weit mehr als ihre Beziehung, sondern um das Zusammenleben aller Menschen und welche Verantwortung man als Einzelner hat. Oder ob man den eigenen Ansprüchen überhaupt gewachsen ist.
„Das Haus kennt mich einfach besser.“
Während der eine Teil der Handlung die gesellschaftlich-politischen Aspekte beleuchtet, befasst sich der andere Teil näher mit der Technologie und dem Menschen. Das Haus wird dabei, handlungstechnisch wie ästhetisch, zu einem weiteren Protagonisten der Geschichte, welches mit seiner breiten Glasfront wie eine Metapher auf jenes Bild des gläsernen Menschen wirkt, das sie CEOs von Facebook und Google schon seit Jahren propagieren. Architektonisch immer nahe am Antiseptischen erinnert es an jene Handlungsorte in Alex Garlands Ex Machina, wobei das rote Auge der Künstlichen Intelligenz Vergleiche mit dem Bordcomputer HAL 9000 aus Stanley Kubricks 2001: 2001: Odyssee im Weltraum zulässt. Nicht nur spielt die Technik die Menschen gegeneinander aus, immer wieder stellt sich auch die Frage, wer hier eigentlich noch wen kontrolliert oder ob man die Kontrolle stillschweigend an die ohnehin kompetentere künstliche Intelligenz abgegeben hat.
Über weite Strecken ist Das Haus eine sehr spannende Geschichte, die besonders von ihren Darstellern und den Bildern lebt. Mögen die Themen, besonders auf das Thema Technik bezogen, nur bedingt inhaltliches Neuland beschreiten, so bleibt in erster Linie die Auflösung hinter den Erwartungen und überrascht lediglich mit ihrer Plattheit.
OT: „Das Haus“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Rick Ostermann
Drehbuch: Patrick Brunken, Rick Ostermann
Vorlage: Dirk Kurbjuweit
Musik: Stefan Will
Kamera: Stefan Ciupek, Matthias Bolliger
Besetzung: Tobias Moretti, Valery Tscheplanowa, Lisa Vicari, Max von der Groeben, Hans-Jochen Wagner, Samir Fuchs, Daniel Krauss, Alexander Wipprecht
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