Als Pneumologin am Universitätskrankenhaus in Brest sieht Dr. Irène Frachon (Sidse Babett Knudsen) jeden Tag die unterschiedlichsten Krankheiten. Als wieder einmal eine übergewichtige Patientin mit Herzklappenfehler eingewiesen wird, wird sie dennoch stutzig. Wie kommt es zu dieser Häufung? Eine Antwort meint sie in einem Diabetes-Medikament gefunden zu haben. Nur will niemand etwas von der Theorie wissen, zu beliebt ist das Medikament. Zu mächtig ist auch der Pharmakonzern, der dahinter steht. Frachon lässt sich davon aber nicht aufhalten. Gemeinsam mit ihrem Forscherkollegen Prof. Antoine Le Bihan (Benoît Magimel) setzt sie alles daran, trotz großen Widerstandes das gefährliche Medikament vom Markt nehmen zu lassen …
Der einsame Kampf gegen die Mächtigen
Das Prinzip ist eigentlich immer dasselbe: Ob nun Erin Brokovich, Giftige Saat oder Vergiftete Wahrheit, immer sehen wir darin einen einfachen Mann oder eine einfache Frau, die mehr oder weniger allein den Kampf mit einem Unternehmen aufnehmen. Dieses Unternehmen ist dabei nicht nur sehr skrupellos, wenn es um die Maximierung des eigenen Gewinnes geht. Es ist auch sehr mächtig, hat meistens die Politik oder andere Behörden finanziell gehörig gemacht, weshalb ein Kampf dagegen eigentlich sinnlos ist. Das interessiert diese aufrechten Protagonisten und Protagonistinnen aber nicht. Die sind irgendwann so sehr von ihrem gerechten Kampf besessen, dass sie dabei alles riskieren.
Bei Die Frau aus Brest ist das nicht anders. Bei dem französischen Drama ist es mal wieder die gierige Pharmaindustrie, die als Feindbild aufgebaut wird. Das ist als Thema immer wieder dankbar. Kaum eine Industrie ist schließlich in der Bevölkerung ähnlich unbeliebt. Denn so wichtig es natürlich ist, heilende oder schützende Medikamente herzustellen, zu oft überwiegt der Eindruck, dass der wirtschaftliche Nutzen überwiegt. Im Zweifel ist alles erlaubt, Hauptsache es bringt Kohle. Dafür wird dann schon mal der schädliche Aspekt ignoriert oder heruntergespielt. Ob Laboratoires Servier, das immerhin zweitgrößte Pharmaunternehmen Frankreichs, von den Risiken nichts wusste oder nur nichts davon wissen wollte, darüber kann man sich streiten. Unstrittig ist jedoch, dass es beim Verkauf des Diabetes-Medikaments Mediator über Leichen ging – wortwörtlich.
Eine anstrengende Heldin
Der Skandal war damit natürlich perfekt, in Frankreich sorgte die Geschichte für riesigen Wirbel. International dürfte man davon eher wenig Kenntnis genommen haben. Die Frau aus Brest änderte daran wenig. In Frankreich selbst lief das Drama recht ordentlich, mehr als 400.000 Besucher und Besucherinnen sahen es seinerzeit im Kino. Dazu gab es Kritikerlob, vor allem für Hauptdarstellerin Sidse Babett Knudsen (Wildland, Espen und die Legende vom goldenen Schloss), die unter anderem eine César-Nominierung als beste Hauptdarstellerin erhielt. Tatsächlich ist die Dänin beeindruckend in ihrer Darstellung der unerschrockenen Kämpferin. Frachon ist einerseits sehr um das Wohl der Menschen bemüht. Gleichzeitig ist sie für viele eine Zumutung, inklusive das Publikum, wirft ihrem Mitstreiter scheußliche Sachen an den Kopf.
Das ist schon etwas ungewöhnlich. Normalerweise leben solche David-gegen-Goliath-Geschichten davon, dass die Hauptfigur so wahnsinnig sympathisch ist, dass man ihr allein deshalb schon die Daumen drücken muss. Die Frau aus Brest macht es dem Publikum in der Hinsicht schon recht schwer, verlässt sich auf den Kampf an sich. Wer hier die gute Seite ist, wer die schlechte, daran lässt die eigentlich als Schauspielerin bekannte Regisseurin Emmanuelle Bercot (Die Familienfeier, Mein Ein, mein Alles) keinen Zweifel. Der Rest leitet sich daraus ab. Man muss hier für Frachon sein, weil sie das Richtige tut. Nicht weil sie selbst ein übermäßig überzeugendes Argument darstellen würde.
Nur keine Experimente!
Auch sonst gibt sich Bercot recht minimalistisch. Nur selten versucht sie, das Thema in einer nennenswerten Form in Szene zu setzen. Das von ihr mitverfasste Drehbuch verzichtet ebenfalls darauf, irgendwelche Experimente einzugehen. Das ist einerseits schon schade: Die Frau aus Brest ist ein eher ermüdender als packender Film, der stoisch das Format solcher Geschichten durchzieht, ohne auch mal etwas investieren zu möchten. Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden ist der Film zudem zu lang, das minutiöse Vorgehen zahlt sich nicht aus. Dennoch, sehenswert ist das Drama schon. Im Grunde erfährt man zwar nichts, was man nicht schon irgendwie wissen würde. Anlass zum Aufregen gibt es aber auch hier natürlich nicht zu wenig, dazu das Gefühl, dass zumindest manchmal die Gerechtigkeit doch siegt. Es braucht nur jemanden, der sie lautstark genug einfordert.
OT: „La Fille de Brest“
IT: „150 Milligrams“
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Regie: Emmanuelle Bercot
Drehbuch: Séverine Bosschem, Emmanuelle Bercot
Musik: Martin Wheeler, Bloum
Kamera: Guillaume Schiffman
Besetzung: Sidse Babett Knudsen, Benoît Magimel, Charlotte Laemmel, Gilles Treton, Lara Neumann, Garance Mazureck
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2017 | Beste Hauptdarstellerin | Sidse Babett Knudsen | Nominierung |
Bestes adaptiertes Drehbuch | Séverine Bosschem, Emmanuelle Bercot | Nominierung | ||
Prix Lumières | 2017 | Beste Hauptdarstellerin | Sidse Babett Knudsen | Nominierung |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)