Als die Teenagerin Ruby Baker (Leelee Sobieski) eines Abends zu spät nach Hause kommt und Polizeiwagen in der Einfahrt entdeckt, kann sie nicht glauben, dass ihre Eltern wirklich eine Vermisstenmeldung aufgegeben haben. Klar, sie hat sich wieder einmal unerlaubt rausgeschlichen, aber man kanns doch auch echt übertreiben … Leider erfährt sie schon bald, dass die Ordnungshüter aus einem ganz anderen Grund da sind: Das Ehepaar Baker ist bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Bevor Ruby und ihr Bruder Rhett (Trevor Morgan) wissen, wie ihnen geschieht, sind sie schon in der Obhut von Terry (Stellan Skarsgård) und Dr. Erin Glass (Diane Lane), Freunde der Verstorbenen, wie es deren Wille vorsah. Die neuen Pflegeeltern geben sich fürsorglich, doch der Neuanfang wird schnell von einigen Problemen begleitet. Es dauert nicht lange, bis Ruby dahinterkommt, dass die beiden die Vormundschaft nicht aus reiner Nächstenliebe angenommen haben …
Überall Glass
Der Titel The Glass House ist ein mehrdeutiger. Zum einen referenziert er das Haus des Ehepaares Glass, von welchen die Waisen aufgenommen werden, als Unterkunft für die Jugendlichen, als wichtiger Ort für die Handlung, in seiner Eigenschaft als Besitz der Bewohner. Zum anderen referenziert er ebenfalls das Haus des Ehepaares Glass, diesmal allerdings in seiner Eigenschaft als Haus an sich, als ein Haus in Malibu, welches mit großen Glasfenstern und -türen designt ist. Nicht zuletzt spielt er auch auf den gläsernen Bürger an, fühlt sich Ruby im Hause der Zieheltern doch überwacht und ausspioniert. Der von Bruce Dern verkörperte Charakter hat ebenfalls einen sprechenden Namen, was im englischen Original allerdings etwas besser funktioniert, da es sich dabei um ein deutsches Wort handelt, welches in der deutschen Synchro, auf englisch sowieso, aber ein wenig anders ausgesprochen wird.
Die Inszenierung von The Glass House ist ein wenig holprig, wobei dieser Begriff vielleicht einen falschen Eindruck erwecken könnte. Manchmal erzählt Kameramann Alar Kivilo die Geschichte mithilfe seiner Bilder, dann wieder bekommt der Zuschauer einfach nur eine Nacherzählung der Ereignisse, ohne sie je gesehen zu haben. Es ist eine ungewöhnliche, uneinheitliche Mischung, welche seltsamerweise nicht sonderlich störend wirkt und vielleicht sogar nur besonders pingeligen Rezipienten überhaupt auffällt. Aber auch das Drehbuch selbst enthält einige Stolpersteine. So ist die Sequenz, als Ruby nach Hause kommt und sich über den Aufenthaltsgrund der Polizei zunächst noch im Unklaren ist, an sich ziemlich gut geschrieben, aber als die Beamten ihr die traurige Nachricht übermitteln, ist der folgende Dialog irgendwie unpassend; solche Brüche tauchen noch häufiger auf.
Vorhersehbar, aber spanned
Die Geschichte selbst ist eher geradlinig, richtige Überraschungen gibt es nicht. Nach etwa 42 Minuten (oder noch vor dem Einschalten, da der letzte Satz des Klappentextes bereits eine Wendung vorwegnimmt) sollten die meisten Zuschauer entschlüsselt haben, was hier passiert. The Glass House versteht es, das Publikum bei Laune zu halten, der Thriller weiß trotz Vorhersehbarkeit spannend zu sein und überzeugt nicht zuletzt mit einer gelungenen Besetzung, allen voran Leelee Sobieski. Mit der Einführung eines von Chris Noth gespielten Charakters in einer kleinen Nebenrolle stellt sich der Streifen aber leider selbst ein Bein und fällt in einige Logiklöcher, von denen es allerdings auch ohne Noth noch ein paar gegeben hätte. Das alles hindert The Glass House daran, großartig zu sein, tut dem Film im Übrigen aber kaum einen Abbruch.
Wie Bonusmaterial für Disc-Veröffentlichungen ausgewählt wird, dürfte für Außenstehende wohl immer ein Mysterium bleiben. Nun liegt The Glass House hier schon als Mediabook vor, schön hergerichtet, sieht auch gut aus im Regal, enthält ein paar Seiten interessante Trivia, wie so oft von Filmkritiker Christoph N. Kellerbach verfasst – und dann beschränken sich die Extras auf Deleted Scenes und Interviews, zusammen füllt das nicht einmal zehn Minuten. Die nichtverwendeten Szenen, ganze zwei an der Zahl, kommen immerhin mit Voiceover-Ausführungen von Regisseur Daniel Sackheim und Drehbuchautor Wesley Strick (nicht, dass das irgendwo erwähnt werden würde, aber es lässt sich aus dem Gesagten herleiten). In diesen wird einmal auf den Audiokommentar zum Film für mehr Kontext verwiesen, was erstens bedeutet, dass es einen Audiokommentar für den ganzen Film gibt, und zweitens die Frage aufwirft, wieso dieser den Käufern des Mediabooks nicht auch zugänglich gemacht wurde. Und wenn wir schon dabei sind, anders als der Klappentext einen glauben machen will, handelt es sich beim titelgebenden Gebäude nicht um ein Standhaus, sondern um ein Strandhaus.
OT: „The Glass House“
Land: USA
Jahr: 2001
Regie: Daniel Sackheim
Drehbuch: Wesley Strick
Musik: Christopher Young
Kamera: Alar Kivilo
Besetzung: Leelee Sobieski, Diane Lane, Stellan Skarsgård, Trevor Morgan, Bruce Dern
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