Ihr Leben lang war Judith Albright (Barbara Hershey) eine starke, unabhängige Frau. Doch nun ist sie 70 und hat einen leichten Schlaganfall hinter sich. Den konnte sie zwar prinzipiell gut wegstecken. Dennoch: Sicher ist sicher. Und so erklärt sie sich dazu bereit, in ein Seniorenheim zu ziehen, wo im Falle eines Falles immer jemand da ist – auch wenn ihr Enkel Josh (Nicholas Alexander) nicht sonderlich glücklich über diese Entscheidung ist. Aber auch Judith kommen ihre Zweifel. Zwar findet sie recht schnell Anschluss bei drei anderen Bewohnern und Bewohnerinnen: Roland (Bruce Davison), Trsih (Jill Larson) und Ruth (Fran Bennett). Doch es gibt auch viele, die schon sehr abgebaut haben und wirres Zeug reden. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wird Judith nun selbst Zeugin eigenartiger Vorkommnisse …
Horror ohne Zugkraft
So richtig überzeugend ist die exklusiv bei Amazon Prime Video erscheinende Horrorreihe Welcome to the Blumhouse, eine Zusammenarbeit des Streamingdienstes und der Genreprofis von Blumhouse, ja nicht. Das erste Quartett, erschienen im Oktober 2020, kam nicht nennenswert über Durchschnitt hinaus, trotz vereinzelt guter Ideen. Das zweite fing mit Black as Night und Bingo Hell noch einmal deutlich schwächer an. Nun liegt auch der zweite Schwung vor, dieses Mal lauten die Titel Madres und The Manor. Aber wer gehofft hat, dass die Reihe endlich mal aus dem Quark kommt und das Versprechen einlöst, welches vor einem Jahr schon gegeben wurde, der wird erneut enttäuscht.
Dabei ist das Szenario von The Manor im Grunde gar nicht schlecht. Klar: Die Idee, dass ein großes Haus, in welches die Hauptfigur zu Beginn der Geschichte zieht, ist nicht gerade die frischeste. Vielmehr handelt es sich um das typische Haunted-House-Motiv. Regisseurin und Drehbuchautorin Axelle Carolyn (Tales of Halloween, Spuk in Bly Manor) verbindet dieses mit ein bisschen Verfolgungswahn und dem Gefühl, dass da alle ein falsches Spiel spielen. Dass unserer Protagonistin niemand glauben mag, gehört ebenfalls zum Genre-Standard. Schließlich soll diese und damit das Publikum den Eindruck haben, völlig ausgeliefert und hilflos zu sein. Wenn, dann muss Judith das selbst in Ordnung bringen, was angesichts ihrer gesundheitlichen Verfassung schon eine gewisse Herausforderung darstellt.
Verrückt oder nicht?
Gerade der Verweis auf ihren Zustand ist hier ein prinzipiell cleverer Kniff. Nicht nur, dass der Körper langsam nicht mehr mitmacht. Es steht auch der Verdacht im Raum, dass Judith mit dem Alter geistig verwirrt wurde. Dass sie vielleicht sogar Demenz hat. Das macht sie zu einer immer potenziell unzuverlässigen Zeugin. Wenn sie unheimliche Schatten sieht, könnte das schließlich nur ihrem zerbröckelnden Verstand geschuldet sein. Das ist durchaus mit Unsane – Ausgeliefert vergleichbar, das ebenfalls Paranoia in einem in sich geschlossenen Heim behandelte – dort war es eine psychiatrische Anstalt. Das Perfide ist, dass jeder Versuch, dem Mysterium auf den Grund zu gehen, als Beweis der eigenen Verrücktheit ausgelegt wird, was die Hilflosigkeit noch weiter verstärkt.
Was in der Theorie alles ganz schlüssig klingt, überzeugt in der Praxis jedoch nicht so recht. An der Hauptdarstellerin liegt das jedoch nicht. Barbara Hershey (Insidious, Black Swan) ist sogar eine der größten Stärken von The Manor. In der Rolle der Seniorin, die um ihr Leben, mindestens aber ihre Würde kämpft, zeigt sie auch jenseits der 70 ihr Schauspieltalent. Das Zusammenspiel mit Nicholas Alexander (Adam), der ihren Enkel und engsten Vertrauten spielt, funktioniert ebenfalls. Das restliche Ensemble fällt eher weniger auf, was aber auch an den kaum ausgearbeiteten Figuren liegt. Weder die Clique noch die Pflegekräfte stechen durch irgendwelche Charaktereigenschaften hervor. Der Rest der Familie ist ohnehin kaum zu sehen, spielt für die Geschichte keine wirkliche Rolle.
Zu wenig Spannung
Schlimmer ist jedoch, dass The Manor praktisch keine Spannung erzeugt. Dann und wann mal eine schwarze Gestalt im Zimmer zu platzieren, das ist nicht besonders viel. Es ist auch nicht sonderlich inspiriert inszeniert. Als reiner Horrorfilm bringt das hier kaum etwas. Etwas besser sieht es beim Mystery-Aspekt aus. Man weiß zwar früh, dass etwas am Haus nicht stimmt. Was genau das ist, wird aber erst spät verraten. Die Auflösung ist tatsächlich überraschend, gerade auch für einen Film, dem sonst nicht viel eingefallen ist. Allerdings ist das damit erkauft, dass die Geschichte nicht sonderlich viel Sinn ergibt. Vor allem beim Finale darf man ausgiebig mit den Augen rollen. Schade um die Besetzung und das Setting, das sehr viel mehr ermöglicht hätte als das, was hier geboten wird. Da war Relic – Dunkles Vermächtnis, das ebenfalls Demenz und Horror miteinander verband, ein um ein Vielfaches stärkerer Titel.
OT: „The Manor“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Axelle Carolyn
Drehbuch: Axelle Carolyn
Musik: Christopher Drake
Kamera: Andrés Sánchez
Besetzung: Barbara Hershey, Nicholas Alexander, Bruce Davison, Jill Larson, Fran Bennett, Katie A. Keane
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