Nous ne vieillirons pas ensemble Wir werden nicht zusammen alt Arte

Wir werden nicht zusammen alt

Inhalt / Kritik

Nous ne vieillirons pas ensemble Wir werden nicht zusammen alt Arte
„Wir werden nicht zusammen alt“ // Deutschland-Start: 3. Mai 1972 (Kino)

Eigentlich ist Jean (Jean Yanne) verheiratet. Doch das hindert ihn nicht daran, gleichzeitig eine Affäre mit der deutlich jüngeren Catherine (Marlène Jobert) zu beginnen. Sechs Jahre schon treffen sie sich, ziemlich offen sogar, bei ihren Eltern geht er ein und aus. Sechs Jahre, die geprägt sind von einem ständigen auf und ab. So neigt der Filmemacher zu Gewaltausbrüchen, beschimpft Catherine regelmäßig. Hinzu kommen die häufigen Trennungen, wenn er sie vom einen Moment zum nächsten sitzen lässt, nur um dann doch wieder zu ihr zurückzukommen. Sie selbst nimmt diese Demütigungen in Kauf, nimmt ihn auch jedes Mal zurück, in der Hoffnung, dass es dieses Mal besser laufen wird …

Eine Beziehung vor dem Aus

Gescheiterte oder zumindest kriselnde Ehen gibt es in Filmen wie im wahren Leben natürlich zuhauf. Zahlreiche Filmschaffende haben davon erzählt, wie zwei Menschen, die viele Jahre bereits zusammen sind, irgendwie nicht mehr so richtig miteinander können. Das kann mal auf komische Weise behandelt werden wie derzeit in Es ist nur eine Phase, Hase. Andere wählen den Weg des Dramas, um die Tragik eines solchen Auseinanderbrechens zu verdeutlichen. Wir werden nicht zusammen alt geht grundsätzlich in die zweite Richtung, wenn wir zwei Leute kennenlernen, die eigentlich nicht zusammen sein sollten. Ungewöhnlich ist dabei jedoch, dass es sich eben nicht um ein Ehepaar handelt, sondern zwei Leute, die eine Affäre haben. Zwei Leute also, die ihre Verbindung zu jeder Zeit lösen könnten.

Warum sie das nicht tun, wird auf den ersten Blick nicht klar. Vor allem die Ausdauer von Catherine wird, gerade für ein heutiges Publikum, kaum zu begreifen sein. Jean ist deutlich älter, ein – in den besseren Momenten – durch und durch unangenehmer Mensch. In den schlechteren wird er zu einem widerwärtigen Monster. Es ist nicht einmal so, dass er äußere Qualitäten hätte, die seine inneren ausgleichen würden. Eine Schönheit ist er nicht gerade. Seine Karriere als Regisseur ist schon vor einer ganzen Weile versandet. Sollte Catherine, die mal Ambitionen auf eine Schauspielkarriere hatte, sich ihm aus beruflichen Gründen an den Hals geworfen haben, fehlt auch in der Hinsicht mittlerweile ein überzeugendes Argument. Wir werden nicht zusammen alt zeigt ihn als jemanden, der nicht wirklich etwas auf die Reihe bekommen hat.

Fragmentarisch, frustrierend, faszinierend

Regisseur und Drehbuchautor Maurice Pialat (Van Gogh), der hier seinen eigenen Roman verfilmte, macht es dem Publikum nicht nur in der Hinsicht schwierig. So verzichtet er in dem Drama weitestgehend auf eine tatsächliche Entwicklung. Über lange Zeit besteht Wir werden nicht zusammen alt aus unzusammenhängenden Szenen, die zwar chronologisch aufeinander folgen, aber kaum aufeinander aufbauen. Da gibt es ein ständiges hin und her. Im einen Moment trennen sie sich lautstark, im nächsten sind sie schon wieder zusammen. Da herrscht schon akute Frustgefahr, zumal sich am Verhalten nichts ändert. Jean versucht nicht einmal, sich irgendwie zu bessern. Auch Catherine macht wenig Anstalten, die auch für sie schwierige Situation zu ändern.

Und doch ist Wir werden nicht zusammen alt sehenswert. Anders als After Love, welches eine toxische Beziehung auf befremdliche Weise romantisiert, weiß Pialat, wie hässlich die von ihm erzählte Geschichte. Weiß, wie kaputt sein Paar ist und wie wichtig ein Schlussstrich wäre. Gerade die schauspielerische Leistung sorgt dafür, dass einem dieses fragmentarische und wild um sich schlagende Drama in Erinnerung bleibt. Jean Yanne (Madame Bovary) legt eine derart intensive Performance vor, dass er bei der Premiere in Cannes 1972 mit dem Preis für den besten Schauspieler ausgezeichnet wurde. Marlène Jobert (Das Netz der tausend Augen) wiederum brilliert in der Rolle der zerbrechlichen Geliebten, die erst noch ihre innere Stärke finden muss, um diesem selbst erschaffenen Gefängnis entkommen zu können.

Credits

OT: „Nous ne vieillirons pas ensemble“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1972
Regie: Maurice Pialat
Drehbuch: Maurice Pialat
Vorlage: Maurice Pialat
Musik: Joseph Haydn, Jean-Claude Vannier
Kamera: Luciano Tovoli
Besetzung: Marlène Jobert, Jean Yanne, Christine Fabréga, Patricia Pierangeli, Jacques Galland, Harry-Max

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Cannes 1972 Goldene Palme Nominierung
Bester Hauptdarsteller Jean Yanne

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„Wir werden nicht zusammen alt“ ist ein beeindruckendes, zum Teil aber auch schwer erträgliches Drama um zwei Geliebte, die in einer toxischen Beziehung feststecken. Vor allem ihre Passivität angesichts der ständigen Misshandlungen sind eine Herausforderung, hinzu kommt die fragmentarische Erzählung. Doch die starken Leistungen des Schauspielduos sorgen für unvergessliche Momente.
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