So richtig gut ist das Verhältnis zwischen Marcel (Mehdi Nebbou) und seinem Teenagersohn Felix (Yoran Leicher) ja nicht. Eigentlich haben sich die beiden auch längst nichts mehr zu sagen. Felix würde sogar lieber in ein Heim ziehen, als noch länger Zeit mit seinem Vater verbringen zu müssen. Nach einem unschönen Zwischenfall, der die beiden vor Gericht führt, verdonnert die Jugendrichterin die beiden zu mehr Zweisamkeit. Marcel kommt daraufhin auf die Idee, dass die zwei doch eine gemeinsame Wanderung unternehmen könnten – von München bis zur Zugspitze. Die Begeisterung beim Nachwuchs hält sich in Grenzen, er lässt sich aber überreden. Begleitet von der Eseldame Maria machen sie sich auf den Weg, stoßen dabei aber schnell auf Hindernisse, darunter auch so manches Selbstgeschaffene …
Der Weg ist das Ziel
Ein eisernes Gesetz des Roadmovies besagt: Das Ziel ist eigentlich völlig egal. Wichtiger ist der Weg dorthin und die Zeit, welche die Protagonisten und Protagonistinnen miteinander verbracht haben. Schließlich wird dieses Genre sehr oft benutzt, um zwei ungleiche oder zumindest entfremdete Menschen einander annähern zu lassen. Bei Töchter kürzlich ging es um das Verhältnis zweier Frauen zu ihren jeweiligen Vätern, während sie quer durch Europa fahren. Bei Mein Sohn waren es ein junger Mann und seine Mutter, die sich auf dem Weg zu einem Therapiezentrum in der Schweiz miteinander und der Vergangenheit auseinandersetzen, mit Erwartungen und nicht offen ausgesprochenen Konflikten.
12 Tage Sommer nimmt nun ein Vater-Sohn-Gespann, was noch einmal eine etwas andere Dynamik erzeugt. Das Prinzip ist aber auch bei dieser Geschlechterkonstellation gleich: Ein Elternteil und ein Kind begeben sich auf eine Reise, unterwegs lernen sie die unterschiedlichsten Leute kennen, geraten in peinliche Situationen und wachsen dabei nach und nach wieder zusammen. Das soll nicht heißen, dass dies in Form eines fortlaufenden Fortschritts geschieht. Zwischendurch darf es auch mal richtig krachen. Es muss es sogar: Da hat sich so viel angestaut, nicht zuletzt weil beide Seiten nicht wissen, wie man einander zuhört. Bevor sie zusammenfinden, braucht es daher ein ordentliches Gewitter. Nur dann gibt es Sonne, zumindest in derartigen Filmen.
Eine Entwicklung ohne Entwicklung
Bei allem Verständnis für die Mechanismen eines solchen Filmes: So richtig funktioniert das hier nicht. Tendenziell gibt es später zwar mehr versöhnliche Szenen als zu Beginn. 12 Tage Sommer verpasst es aber, diese Szenen wirklich aufeinander aufzubauen. Gute Roadmovies halten die Balance aus unvorhergesehen Ereignissen und einer klaren Richtung. Regisseur Dirk Kummer (Wer einmal stirbt, dem glaubt man nicht) hat jedoch seine Schwierigkeiten damit, diese Ereignisse sinnvoll aneinanderzureihen. Zwölf Tage umfasst die Geschichte des ARD-Films, wie es der Titel bereits ankündigt. Zwölf Tage, die chronologisch aufeinander folgen. Aber es sind nicht mehr als Schnappschüsse, die nach dem Zufallsprinzip angeordnet wurden.
Das soll nicht heißen, dass der Film nichts zu bieten hätte. So sind einige der Schnappschüsse doch recht schön angesehen: Auf dem Weg zur Zugspitze kommt das Duo an den unterschiedlichsten Plätzen vorbei, die sich aber alle auf ihre Weise sehen lassen können. Die saftigen Wiesen, kräftige Wälder, zwischendurch gibt es auch eine Klamm – das sieht man sich schon gerne an. Diese idyllische Natur wird kontrastiert durch einige Elemente, die nicht ganz von dieser Welt zu sein scheinen. Ein überaus kurioser Einfall in 12 Tage Sommer: Schauspieler Michael Kranz taucht gleich mehrfach in dem Film auf, spielt aber jedes Mal eine andere Rolle. Sinn und Zweck dieses Rollenspiels? Keinen Schimmer, die Geschichte gibt keinen verwertbaren Hinweis.
Ein bisschen nichtssagend
Überhaupt nimmt man aus dem Drama nicht so viel mit, wie es wünschenswert gewesen wäre. Eben weil die besagte Entwicklung so brüchig ist, taugt sie kaum als Fundament für Erkenntnisse. Außer man empfindet die Aufmunterung, sich mehr zuzuhören und aufeinander einzugehen, als Erkenntnis. Klar ist das sympathisch. Außerdem gibt es nette Szenen mit dem Esel. Aber auch da hätte mehr geschehen können, wie der französische Kollege Mein Liebhaber, der Esel & ich demonstrierte. Trotz einzelner gelungener Einfälle bleibt 12 Tage Sommer so in der Mittelmäßigkeit stecken. Im Rahmen der deutschen TV-Filme, die jede Woche so laufen, sticht dieser zwar schon hervor. Aber es reicht nicht so wirklich, um dem Ganzen eine tatsächliche Empfehlung auszusprechen. Da hätte es schon ein griffigeres Konzept gebraucht. Immerhin: Auf übermäßigen Kitsch, wie man ihn bei solchen Geschichten immer befürchten muss, wird hier verzichtet. Viel Grund zum Ärgern gibt es daher nicht.
OT: „12 Tage Sommer“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Dirk Kummer
Drehbuch: Jacob Fuhry
Kamera: Felix von Muralt
Besetzung: Mehdi Nebbou, Yoran Leicher, Amira Demirkiran, Monika Baumgartner, Michael Kranz
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