Für den dänischen Fotografen Daniel Rye (Esben Smed) geht ein Traum in Erfüllung, als er nach Syrien reist, um dort das vom Krieg zerstörte Land in Bildern festzuhalten. Dabei zieht es ihn nicht direkt an die Front, sondern an einen kleinen Ort in der Nähe zu der Türkei, wo er sicher ist und von den Auswirkungen des Krieges auf die Bevölkerung berichten will. Zumindest dachte er das. Stattdessen gerät er in die Gefangenschaft der Terrororganisation Islamischer Staat, die in dem Ausländer einen Handlanger der CIA sehen. Während er dort mit dem amerikanischen Journalisten James Foley (Toby Kebbell) und anderen Gefangenen versucht, irgendwie durchzustehen und die Hoffnung auf Rettung zu bewahren, sucht seine Familie daheim verzweifelt nach Möglichkeiten, das notwendige Lösegeld aufzutreiben. Doch die Chancen stehen schlecht. Familie Rye kommt aus einfachen Verhältnissen, von der Politik ist auch keine Hilfe zu erwarten. Denn deren offizielle Haltung ist, mit Terroristen nicht zu verhandeln …
Ein fordernder Film
398 Tage – Gefangener des IS ist kein Film, der es dem Publikum sonderlich einfach machen würde. Da ist natürlich das Thema: Über ein Jahr in den Händen von verblendeten Terroristen zu sein, die ihre Gefangenen mit Vergnügen demütigen, teils sogar foltern, das ist schon ziemlicher harter Stoff. Zwar wird das Regieduo Niels Arden Oplev (Dead Man Down) und Anders W. Berthelsen nicht zu explizit bei der Darstellung dieser Gewalt. Die skandinavische Coproduktion schlachtet die Szenen nicht über Gebühr aus, um beim Publikum auf billige Weise für Entsetzen zu sorgen und damit eine Anteilnahme zu erzwingen. Die beiden machen aber auch nicht wirklich ein Geheimnis daraus, was es bedeutet, in den Händen der brutalen Fanatiker zu sein.
Der Fokus liegt dabei auf Rye sowie den anderen Gefangenen und wie sich die Situation auf sie auswirkt. Dabei ist es der Däne, der stellvertretend für das Martyrium der Gruppe vorgeführt wird. Wir lernen ihn zu Beginn von 398 Tage – Gefangener des IS als einen enthusiastischen jungen Mann kennen, der sich auf seine neue Aufgabe als Fotograf freut, nachdem seine Turnerkarriere vorzeitig endete. Er will mit seinen Bildern etwas bewegen, will zeigen, wie sehr die Bevölkerung in Syrien leidet. Von seinem anfänglichen Idealismus und Enthusiasmus bleibt später nicht viel übrig: Der Film demonstriert, wie er an diesen Erfahrungen zunehmend zerbricht. Besonders hart sind etwas die Szenen, in denen er sich selbst zum Esel macht, in der Hoffnung, dass dies sein Leben sichert. Das geht zu Herzen, auch wegen der guten schauspielerischen Leistung von Esben Smed (Per im Glück).
Ein bisschen lang geraten
Inhaltlich fordernder ist jedoch der parallele Handlungsstrang in Dänemark, wenn dort die Familie Daniels nach einer Möglichkeit sucht, die benötigte Summe zusammenzubekommen. Während die Rollenverteilung von Gut und Böse bei der Foltergefangenschaft eindeutig ist, baut Drehbuchautor Anders Thomas Jensen (Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice) hier eine Reihe von Ambivalenzen ein. Auf der einen Seite will man ihnen natürlich die Daumen drücken, dass sie das benötigte Geld auftreiben, nicht zuletzt weil 398 Tage – Gefangener des IS den Protagonisten zu dem Zeitpunkt als sympathischen, einnehmenden Idealisten porträtiert hat. So jemanden darf man nicht aufgeben. Gleichzeitig wird aber auch klar gesagt, dass die Familie auf diese Weise die Gefahr erhöht, dass andere von den Terroristen als Geisel genommen werden. Schließlich rentiert sich das offensichtlich. Der Film zeigt ein Szenario, bei dem es keine einfachen Antworten gibt.
Gleiches gilt für die Frage, ob das Verhalten Daniels richtig oder falsch war. Denn so leichtsinnig es einem natürlich vorkommt, sich freiwillig in eine solche Situation zu begeben, und so wenig er sein eigenes Ziel erfüllen konnte: Es braucht dann doch oft solche Wagemutigen, um zu erfahren, was in dem Land tatsächlich geschieht. So richtig tief geht der Film an der Stelle zwar nicht, er streift das Thema nur ein wenig. Zusammen mit den intensiven Szenen in der Gefangenschaft kommt aber schon genügend, weshalb sich ein Blick auf das auf einer wahren Geschichte basierende Drama lohnt. Allerdings führt diese bekannte Geschichte und auch der Titel 398 Tage – Gefangener des IS dazu, dass keine ganz große Spannung aufkommt – man weiß schließlich, wie es ausgeht. Die über zwei Stunden lange Laufzeit trägt ebenso dazu bei, dass man nicht durchgängig ganz gefesselt auf den Bildschirm starrt. Doch trotz dieser kleinen Mankos: Die Stärken überwiegen.
OT: „Ser du månen, Daniel“
Land: Dänemark, Norwegen, Schweden
Jahr: 2019
Regie: Niels Arden Oplev, Anders W. Berthelsen
Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Vorlage: Puk Damsgård
Kamera: Kevin Duggin
Besetzung: Esben Smed, Sofie Torp, Anders W. Berthelsen, Toby Kebbell, Ardalan Esmaili, Christiane G. Koch, Jens Jørn Spottag, Andrea Gadeberg, Sara Hjort Ditlevsen, Niels Anders Thorn
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