7 Gefangene 7 Prisioneiros 7 Prisoners Netflix
© Netflix/Aline Arruda

7 Gefangene

Inhalt / Kritik

7 Gefangene 7 Prisioneiros 7 Prisoners Netflix
„7 Gefangene“ // Deutschland-Start: 11. November 2021 (Netflix)

Für den 18-jährigen Mateus (Christian Malheiros) scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen, als er einen Job auf einem Schrottplatz in São Paulo erhält. Mit dem vielen Geld, das er dort zu verdienen hofft, will er seine Familie unterstützen. Umso ernüchternder ist, was ihn tatsächlich dort erwartet: Er und die anderen Jungs müssen echte Knochenarbeit machen, schlafen nachts zusammengepfercht in einem Drecksloch und bekommen kaum zu essen. Vor allem aber bekommen sie kein Geld. Luca (Rodrigo Santoro), der den Schrottplatz leitet, macht ihnen klar, dass er der Familie viel für die neuen Arbeitskräfte gezahlt habe. Das, sowie die Ausgaben für die Unterkunft, müssen die Jungen erst einmal wieder reinholen. Zuerst kämpfen sie alle gegen diese widrigen Umstände an, sind fest entschlossen, das nicht mit sich machen zu lassen. Doch sie müssen schnell feststellen, dass sie Luca und ihrem neuen Leben nicht wieder entkommen können …

Moderne Form der Sklaverei

Bei dem Wort Sklaverei dürften die meisten an die durch die USA bekannten Bilder denken: Baumwollplantagen, auf denen sich die Schwarzen zu Tode schuften, während die Weißen in feinen Kleidern danebensitzen und dann und wann die Peitsche schwingen. Doch auch wenn diese Zeit bis heute nachwirkt in einer Gesellschaft, welche neue Formen der Unterdrückung gefunden hat, es geht inzwischen schon ganz anders zu. Das bedeutet aber nicht, dass es heute keinerlei Sklavenarbeit mehr gibt. Gerade im Dokumentarfilmbereich werden wir immer wieder eines Besseren belehrt. Was tun berichtet von Kinderprostitution in Bangladesch, von Mädchen, die nur mit Hilfe ihrem Schicksal entkommen können. Doch wir müssen nicht in die Ferne reisen. Eine gefangene Frau erzählt die erschütternde Geschichte einer Ungarin, die als Hausangestellte misshandelt und ausgebeutet wurde.

Der Netflix-Spielfilm 7 Gefangene nimmt das Publikum nun mit nach Brasilien, wo Sklaverei offensichtlich keine Randerscheinung ist, sondern mitten in der Gesellschaft stattfindet. Regisseur und Co-Autor Alexandre Moratto, der zuvor mit dem preisgekrönten Sócrates von sich reden machte, hat auch mit seinem neuen Drama ein Porträt der ärmlichen Bevölkerung seines Heimatlandes geliefert. Darin beschreibt er exemplarisch anhand mehrerer junger Männer, wie Leute auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrer Lage sich in eine noch viel schlimmere begeben. Da wird mit großen Versprechungen gelockt, mit der Aussicht auf Geld. Stattdessen gibt es schimmelige Matratzen, zusammengemischten Fraß und regelmäßige Demütigungen. Manchmal auch Gewalt, wenn sich jemand erdreistet, seine Menschenwürde zurückzufordern.

Kein Ausweg möglich

Die Idee, auf einem Schrottplatz eingesperrt zu sein und nicht wieder herauszukommen, ist für ein hiesiges Publikum natürlich erst einmal schwer zu vermitteln. Auch wenn Luca natürlich größer, stärker und skrupelloser ist als seine jungen Leibeigenen, dazu noch bewaffnet: Gemeinsam sollten sie eigentlich schon in der Lage sein, den Peiniger zu überwältigen. Erst nach einer Weile wird deutlich, dass die Situation tatsächlich aussichtslos ist. 7 Gefangene ist nicht die Geschichte eines Einzeltäters, sondern von einer Gesellschaft, in der systematisch mit der Ware Mensch Geld gemacht wird. Wer es schafft, rottet sich zusammen und nutzt gemeinsam andere aus. Erlaubt ist, was mich durchs Leben bringt. Der Rest? Ein Mittel zum Zweck.

Leider gilt das auch für die Figuren. Moratto geht es in seinem Film deutlich stärker darum, ein Gesellschaftsporträt zu entwerfen und damit verbundene Missstände aufzuzeigen, als konkrete Menschen zu beschreiben. Die interessanteste Figur in 7 Gefangene ist dabei noch die von Mateus, der im Laufe des Films lernt, dass man sich in einem derart ausbeuterischen System mit den Mächtigen arrangieren muss um zu überleben. Es ist die alte Leier vom Opfer, das zum Täter wird – oder zumindest mit Tätern paktiert. Während er auf diese Weise eine Entwicklung durchmacht, bleiben die anderen alle eindimensional. Bei Luca wird zwischendurch mal angedeutet, er könnte sich selbst aus prekären Verhältnissen hervorgekämpft haben, eben auf Kosten anderer. Das wird aber nicht wirklich vertieft. Richtig übel sieht es bei Mateus’ Leidgenossen aus. Nach einer Anfangsphase, die noch eine Form von Gemeinschaft darstellt, verschwinden sie völlig im Hintergrund. Auch wenn der Titel es impliziert: Es geht hier nicht um das Kollektiv.

Abstrakt und schockierend

Das Drama, welches bei den Filmfestspielen von Venedig 2021 Premiere feierte, hätte an dieser Stelle sicher mehr Tiefe gut getan. Es ist ein eher abstraktes Mitgefühl, welches der Film hier hervorruft. Kalt lässt einen 7 Gefangene aber sicher nicht. Dabei ist es zum einen der Zynismus und die Dreistigkeit, mit der die Menschen unterdrückt werden, welche schockiert. Zum anderen geht durch Mark und Bein, wie diese Sklaverei quasi am helllichten Tag geschieht, es aber keiner mitbekommt oder – was noch schlimmer ist – niemanden interessiert. Selbst wenn hier einiges schematisch bleibt, hat Moratto mit seinem zweiten Spielfilm ein Werk vorgelegt, welches betroffen macht, welches wütend macht, und dabei auch noch alle Hoffnungen raubt, es könnte wieder besser werden.

Credits

OT: „7 Prisioneiros“
IT: „7 Prisoners“
Land: Brasilien
Jahr: 2021
Regie: Alexandre Moratto
Drehbuch: Alexandre Moratto, Thayná Mantesso
Kamera: João Gabriel de Queiroz
Besetzung: Christian Malheiros, Rodrigo Santoro, Bruno Rocha, Vitor Julian, Lucas Oranmian, Cecília Homem de Mello, Dirce Thomaz

Bilder

Trailer

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„7 Gefangene“ erzählt von mehreren jungen Männern, die auf einem Schrottplatz anfangen und von einem besseren Leben träumen, dabei aber zu spät merken, dass sie zu Sklaven gemacht werden. Die Figurenzeichnung ist recht schematisch. Dennoch macht das Drama rund um systematischen Missbrauch und eine gleichgültige Gesellschaft sowohl betroffen wie wütend.
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