Presumed Innocent Aus Mangel an Beweisen
© Warner Bros

Aus Mangel an Beweisen

Inhalt / Kritik

Presumed Innocent Aus Mangel an Beweisen
„Aus Mangel an Beweisen“ // Deutschland-Start: 13. Dezember 1990 (Kino)

Normalerweise ist es die Aufgabe von Rusty Sabich (Harrison Ford), andere Menschen hinter Gittern zu bringen. Darin ist er auch sehr erfolgreich, der Staatsanwalt weiß, wie er seine Fälle zu gewinnen hat. Doch bei seinem aktuellen stößt er schnell an seine Grenzen: Die Anwältin Carolyn Polhemus (Greta Scacchi) wurde ermordet und gefesselt in ihrer Wohnung aufgefunden. Pikanterweise hatte der mit Barbara (Bonnie Bedelia) verheiratete Sabich eine Affäre mit der Toten, wovon er zunächst niemandem etwas erzählt. Als die Geschichte doch noch herauskommt, ist es Sabich selbst, der in den Mittelpunkt der Ermittlungen rückt und den Gerichtssaal aus einer neuen Perspektive heraus kennenlernt – als Angeklagter in einem Mordprozess. Und ausgerechnet Sandy Stern (Raul Julia), der zuvor oft sein Widersacher war, muss ihn irgendwie aus der Sache herausboxen …

Treffpunkt: Gerichtssaal

In den 90er Jahren waren sie eine Zeit lang schwer in Mode: Gerichtsdramen. Eine ganze Reihe solcher Filme kam damals innerhalb von nur wenigen Jahren heraus. Bemerkenswert war, wie hochkarätig die Besetzung seinerzeit ausfiel. Da gaben sich schon wirklich die Stars die Klinke in die Hand, sei es bei Eine Frage der Ehre (1992) mit Tom Cruise und Jack Nicholson, Der Klient (1994) mit Susan Sarandon und Tommy Lee Jones oder Die Jury (1996) mit Sandra Bullock und Matthew McConaughey. Die Geschichten waren dabei natürlich jedes Mal ein wenig anders. Aber es ging praktisch immer um eine Art Duell, bei der mithilfe von Worten, teilweise mit psychologischen Tricks, die Gegnerseite besiegt werden musste. Das Ziel: Die Wahrheit ans Licht bringen und für Gerechtigkeit sorgen.

Bei dem bereits 1990 erschienenen Aus Mangel an Beweisen war das prinzipiell ähnlich. Eine Besonderheit war jedoch, dass der im Mittelpunkt stehende Anwalt gleichzeitig der Angeklagte war. Das führte zu einer interessanten Dynamik, wenn auf einmal der erfolgreiche Macher in eine deutlich passivere Rolle gedrängt wird. Er muss mitansehen, wie andere auf einmal das Sagen haben, was für ein Alphatier wie Rusty nur schwer zu ertragen ist. Überhaupt ist der Film gerade auch als Porträt spannend. Der Tatverdächtige ist eben nicht der strahlende Held, wie man sie in solchen Fällen häufiger zu sehen kommt. Vielmehr wird er vergleichbar zu Zwielicht als ambivalente Figur gezeigt: selbstbewusst, charmant, redegewandt … aber irgendwie auch ein Arschloch.

Wer ist der Mörder?

Das ist ungewöhnlich und eröffnet zumindest aus Zuschauersicht die Möglichkeit, dass er vielleicht doch der Täter sein könnte. Wahrscheinlich ist es nicht, aber eben auch nicht ausgeschlossen. Bei Aus Mangel an Beweisen darf man bis zum Schluss miträtseln, was da wirklich geschehen ist und wer der Mörder sein könnte. Wie bei einem klassischen Whodunnit-Krimi gibt es die unterschiedlichsten Motivationen, weshalb sie jemand ermorden wollte. Und es sind Motivationen, die alle ziemlich schäbig sind: Der Film versammelt einen Haufen Leute, bei denen praktisch alle irgendwie unangenehm sind. Sie sind moralisch fragwürdig, manchmal nervig, zum Teil wirken sie zudem nicht übermäßig kompetent. Die Frage, wem man hier eigentlich die Daumen drücken soll, ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Die Adaption eines Romans von Scott Turow setzt sich mit verschiedenen Aspekten der Schuld auseinander, die alle zu dem Tod der jungen Frau geführt haben. Und selbst nach deren Tod geht es damit weiter, wird immer mehr und weitere Schuld auf sich geladen. Aus Mangel an Beweisen bleibt da der düster-schmierigen Ausrichtung treu. Auf beiden Seiten wird mit harten Bandagen gekämpft. Um Gerechtigkeit oder Wahrheitsfindung scheint es an der Stelle noch maximal Richter Larren Lyttle (Paul Winfield) zu gehen, der die undankbare Aufgabe hat, sich mit beiden Seiten herumzuplagen. Der Rest lässt einen an der Menschheit verzweifeln. Am Rechtsstaat sowieso, wenn Anwälte, Polizisten oder auch andere Leute in diesem Umfeld mehr oder weniger tun, was ihnen gefällt. Regisseur und Co-Autor Alan J. Pakula zeigt uns eine unmoralische und korrupte Welt, aus der man nur schwer wieder herauskommt.

Ein Film voller Fragen

Dabei verzichtet er darauf, das alles zu sehr aufbauschen zu wollen. Bei Aus Mangel an Beweisen gibt es nur relativ wenige wirkliche Handlungsmomente, gibt es kaum große dramatische Szenen. Selbst vor Gericht kommt es überraschend wenig zu den Wortgefechten, die man bei einem solchen Film vermuten würde. Spannend ist das mit Genreelementen versetzte Drama dennoch. Zum einen will man natürlich wissen, was sich denn da wirklich in jener Nacht zugetragen hat und wer hinter dem Mord an der Anwältin steckt. Zum anderen sind auch die Strategien auf beiden Seiten von Interesse, verbunden mit der Frage, wer mit seiner Erfolg haben wird. Denn wenn einen der Film eines lehrt, dann ist es, dass Recht und Wahrheit nur manchmal zusammenkommen. Nur weil jemand schuldig oder nicht schuldig ist, heißt das nicht, dass die entsprechenden Konsequenzen zwingend sind.

Credits

OT: „Presumed Innocent“
Land: USA
Jahr: 1990
Regie: Alan J. Pakula
Drehbuch: Alan J. Pakula, Frank Pierson
Vorlage: Scott Turow
Musik: John Williams
Kamera: Gordon Willis
Besetzung: Harrison Ford, Raul Julia, Greta Scacchi, Brian Dennehy, Bonnie Bedelia, Paul Winfield, John Spencer, Jesse Bradford

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

In „Aus Mangel an Beweisen“ wird ausgerechnet ein erfolgreicher Staatsanwalt angeklagt, seine Geliebte ermordet zu haben. Der Film funktioniert dabei einerseits als klassischer Whodunnit-Krimi. Mehr Eindruck hinterlässt aber das Porträt einer ambivalenten Hauptfigur und eines korrupten Systems, bei dem Gerechtigkeit höchstens zufällig entsteht und alle sich auf die eine oder andere Weise schuldig machen.
Leserwertung3 Bewertungen
5.6
7
von 10