Der Schock ist groß bei dem 18-jährigen Niklas (Julius Fleischanderl), als direkt vor seinen Augen sein Mitschüler Sebastian zerplatzt. Schnell macht der Vorwurf die Runde, dass Niklas selbst an dem Tod schuld sein könnte, ein Streit wegen seiner Freundin Ester (Maja Johanna Englander) zum Beispiel. Zur gleichen Zeit kehrt auch seine Schwester Lisa (Astrid Morberg) zurück, nachdem sie Jahre zuvor nach dem Selbstmord ihrer Mutter fortgegangen war. Bis heute hat sie nicht wirklich akzeptiert, was damals vorgefallen war. Die Geschichten ihres Vaters Axel (Johan Hedenberg), sie sei vorher verrückt geworden, sind ihr zu wenig. Warum will bis heute niemand darüber reden? Während sie noch versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, hat sie immer wieder eigenartige Visionen. Für die anderen gibt es jedoch dringendere Themen, denn es bleibt nicht bei dem einen blutigen Vorfall …
Ein rätselhafter Tod
Offensichtlich scheint es bei Jugendlichen eine weit verbreitete Krankheit zu sein, spontan einfach mal so zu zerplatzen. Zumindest war es auffällig, in welchem kurzem Abstand letztes Jahr zwei Titel erschienen, die nahezu denselben Einstieg haben: Sowohl in Zerplatzt wie auch Cryptid beginnt die Geschichte damit, dass in der Schule ein junger Mensch vor den Augen der anderen explodiert und eine abstoßende Blutmasse hinterlässt. Doch trotz der Ähnlichkeiten, unterschiedlicher könnten der US-amerikanische Film und die schwedische Serie kaum sein. Schon die Präsentation des Vorfalls ist sehr verschieden: Der erstgenannte Titel kommentierte den Spontantod mit erstaunlich viel Humor, der zweite will in dem Moment nicht nur die Figuren der Serie, sondern auch die Leute daheim vor den Bildschirmen schockieren.
Vor allem aber ziehen beide Werke völlig unterschiedliche Schlüsse aus der Prämisse. Zerplatzt machte daraus eine hinreißende Coming-of-Age-Tragikomödie rund um den Umgang mit Schicksalsschlägen und eine Sinnsuche in einer unberechenbaren Welt. Cryptid wird deutlich düsterer, ist letztendlich eine Mischung aus Mystery und Horror. Anders als bei den Leidgenossen jenseits des Atlantiks legen die Skandinavier tatsächlich großen Wert darauf, das Rätsel um die Todesfälle zu lüften. Zumal es nicht das einzige ist. Immer wieder kehrt die Serie auf die verstorbene Mutter zu sprechen, welche eigenartige Texte und Zeichnungen in ihren Unterlagen hinterließ. Aber selbst außerhalb der Familie geht das nicht mit rechten Dingen zu.
Ein unheimlicher Ort in leuchtenden Farben
Tatsächlich scheint in der Kleinstadt Mörkstad vieles etwas seltsam zu sein, auch weil die Erwachsenen ganz offensichtlich über nichts reden wollen. Offen bleibt dabei lediglich, ob sie nichts merken, einfach nur konfliktscheu sind oder etwas zu verbergen haben. Zumindest anfangs ist das auch gut spannend, woran das Setting nicht ganz unschuldig ist. Immer wieder kehrt die Geschichte zum See zurück, auf dessen Grund die Lösung zu warten scheint. Dass undurchsichtige Wassermassen, gerade in abgelegenen Gegenden, ein prima Hintergrund für Mysterygeschichten ist, das ist kein Geheimnis. Sie liefern auch Material für schöne Bilder. Das bewiesen zuvor beispielsweise The Returned und Curon, bei Cryptid ist das nicht anders. Zudem hat die Bevölkerung des Ortes eine offensichtliche Vorliebe dafür, vor allem nachts an den See zu gehen, was die Stimmung noch einmal verstärkt.
Subtil ist das natürlich nicht. Das ist Cryptid aber ohnehin nicht wirklich. Vielmehr wird bei allem immer ein bisschen mehr gemacht als nötig, sei es in den Dialogen, den Bildern oder auch der Musik. Auffällig sind dabei jedoch die starken Farben, die zum Einsatz kommen. Immer wieder werden die Szenen in leuchtende Blau-, Grün- oder Rottöne gebadet. Wer skandinavische Produktionen vor allem ihrer Zurückhaltung und ungeschminkten Anmutung wegen schätzt, muss sich hier ziemlich umgewöhnen. Leider sind auch die Hinweise, in welche Richtung das Ganze geht, nicht sonderlich versteckt. Nicht zuletzt der Titel sagt eigentlich klar, was einen erwartet, selbst wenn das irgendwie nicht so recht zum explosiven Anfang passt.
Enttäuschung zum Schluss
Das ist dann auch das größte Problem der schwedischen Serie: Sie wirkt irgendwie zusammengestückelt. Man wartet hier die ganze Zeit darauf, dass die verschiedenen jeweils mysteriösen bis erschreckenden Ereignisse sinnvoll zusammengeführt hat. Das passiert aber nicht. Stattdessen führt Cryptid zum Schluss noch ein weiteres Rätsel ein, um sich die Möglichkeit einer zweiten Staffel offen zu halten. Ohnehin ist das Ende eine Enttäuschung, wenn es auf einmal irgendwie ziemlich albern wird. Selbst innerhalb des Mystery-Genres ergeben die Handlungen der Figuren so gar keinen Sinn mehr. Das ist schade um die streckenweise gute Atmosphäre und das eine oder andere Spiel mit den Abgründen, an dessen Boden nicht so viel zu finden ist, wie man es gern gehabt hätte. Dafür ist die Staffel schnell rum: Zehn Folgen à etwa 20 Minuten, das ist fix angeschaut.
OT: „Cryptid“
Land: Schweden
Jahr: 2020
Regie: David Berron
Drehbuch: David Berron, Henrik Jansson-Schweizer, Morgan Jensen
Musik: Anders Niska, Klas Wahl
Kamera: Matti Eerikäinen
Besetzung: Julius Fleischanderl, Maja Johanna Englander, Beata Borelius, Johan Hedenberg, Angelina Håkansson, Arvin Kananian, Oscar Zia, Amanda Lindh, Jacques Karlberg, Astrid Morberg
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