Im 12. Jahrhundert ist die Stadt Córdoba für viele Menschen ein Wahrzeichen einer multikulturellen Gesellschaft, in welcher Toleranz und Religionsfreiheit herrschen. Der Herrscher Kalif el-Mansour (Mahmoud Hemida) genießt bei seinem Volk großes Ansehen, hat aber auch viele politische Rivalen. Besonders eine Personalie sorgt für Kontroversen, denn ausgerechnet der Gelehrte Averroes (Nour El-Sherif), im Arabischen Ibn Rushd, wird als oberster Richter und Ratgeber besetzt. Die Vertrautheit, welche der Philosoph, der in Frankreich als Ketzer verschrien ist, am Hofe des Kalifen genießt, ist vielen ein Dorn im Auge und erst recht seine Lehren, die auf einer weltoffenen Auslegung des Koran basieren.
Während seine jungen Schüler die Richtersprüche und Ideen des Intellektuellen begierig studieren und aufschreiben, formiert sich Widerstand in Gestalt einer radikal-fundamentalistischen Sekte, die immer mehr an Einfluss in Andalusien gewinnt. Nicht nur Averroes, sondern auch der Kronprinz Nasser (Khaled El Nabawy) beobachten die Entwicklung mit großer Sorge, besonders nach einem beinahe tödlichen Angriff auf den Liedermacher und Sinti Manwar (Mohamed Mounir). In seiner Rolle als Ratgeber versucht Averroes Einfluss auf den Kalifen zu nehmen, doch dieser sieht sich immer mehr unter Druck gesetzt durch die Sekte sowie die christlichen Herrscher, deren Vormachtstellung auch in Córdoba immer deutlicher wird und denen die Lehren seines Beraters ein Dorn im Auge sind.
Die Unfähigkeit zu reagieren
Während seiner langen Karriere war Regisseur Youssef Chahine (Die Rückkehr des verlorenen Sohnes) immer wieder Zielscheibe von Attacken, besonders seitens der Zensur seines Heimatlandes Ägypten wie auch religiöser Fundamentalisten. Dies beeindruckte ihn jedoch keinesfalls, wie sein Kommentar auf seine Kollegen in Ägypten zeigt, deren Arbeiten er als ohne jedes Niveau bezeichnete und die in seinen Augen sich nicht trauen würden, wirklich relevante Themen anzusprechen. Dabei sei es gerade die Kunst, die sich trauen müsste, Grenzen überschreiten müsste und Zustände anprangern dürfe, was Chahine mehr als einmal in seinem Werk tat. So auch in Das Schicksal, ein Drama, welches in erster Linie die problematische Verbindung von Politik und Religion behandelte sowie vor der Gefahr einer religiös motivierten Radikalisierung spricht.
Auf der einen Seite mag ein Film wie Das Schicksal als ein Historiendrama gesehen werden, doch, auch im Hinblick auf die Statements des Regisseurs, sollte man dieses Werk, wie viele seiner anderen Arbeiten, durchaus in Beziehung zur Gegenwart setzen. Dabei geht es, selbst wenn viele Zuschauer von Das Schicksal diesen so interpretieren, weniger um einen Aufruf zur Gegenwehr oder gar Revolution, sondern eher um einen Kommentar auf jene Menschen, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Position, welche zu feige oder gar unfähig sind, auf gewisse Umstände zu reagieren. Der von Schauspieler Nour El-Sharif gespielte Averroes nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, nicht nur als Symbol für eine weltoffene Auslegung des Koran und eine nach Wissen strebende Gesellschaft, sondern auch, wen es darum geht, jene Werte, die er seinen Schülern predigt, in die Praxis umzusetzen. Mehr als einmal zeigt Chahine ihn, wie auch andere Figuren, als Menschen, die zur Passivität verdammt sind, blind sind für die Folgen ihres Handelns oder in einem Zwiespalt gefangen sind zwischen Pflicht und Neigung.
„Du hast dir die Hölle auf Erden bereitet.“
Innerhalb der Handlung verweben Chahine und Koautor Khaled Youssef in ihrem Drehbuch viele weitere Geschichten, beispielsweise jene des aus Frankreich geflohenen Youssef oder die Liebe zwischen Nasser und der Tochter Marwans. Auch Elemente des Musicals schimmern immer wieder durch, gerade wenn Mohamed Mounirs Figur zu einem seiner lebensbejahenden Lieder, was anfangs vielleicht etwas irritieren mag, doch durchaus passend ist im Kontext einer Geschichte, bei der es immer mehr um die Expansion einer neuen Radikalität und damit einer Form der Zensur kommt. Dennoch gleitet die Handlung an vielen Stellen in etwas arg melodramatische Gefilde, was sehr auf Kosten der eigentlich zentralen Erzählung geht und bei einem ohnehin schon über zwei Stunden andauernden Drama unnötig viel Platz einnimmt.
Andererseits darf man die Aktualität von Das Schickal nicht unterschätzen. Vor dem Hintergrund heutigen religiösen Fundamentalisten und deren radikaler Auslegung von Schriften wie dem Koran wirken viele Einstellungen beinahe prophetisch, wie beispielsweise die Geschichte um den Bruder des Kalifen, der sich durch die Indoktrinierung in der Sekte seine eigene „Hölle auf Erden“ bereitet hat, wie ihm die Frau Marwans an einer Stelle vorwirft.
OT: „Al-Massir“
Land: Frankreich, Ägypten
Jahr: 1997
Regie: Youssef Chahine
Drehbuch: Youssef Chahine, Khaled Youssef
Musik: Yehia El Mougy, Kamal El Tawil
Kamera: Mohsen Nasr
Besetzung: Nour El-Sherif, Mahmoud Hemida, Safia El Emari, Mohamed Mounir, Khaled Nabawy, Hani Salama, Seif Abdelrahman, Ahmed Fouad Selim
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