Dass Edward Wilson (Matt Damon) zu Höherem berufen ist, steht schon in jungen Jahren fest. So tritt er als Student der geheimen Elite-Bruderschaft Skull and Bones bei, aus der sich die künftigen Führungskräfte der US-amerikanischen Gesellschaft rekrutieren. Für ihn geht sein Vaterland über alles, weshalb er keine Skrupel hat, seinen eigenen Professor als Nazi-Spion zu entlarven. Später wird er Teil des Geheimdienstes Office Of Strategy Service, bevor er mit anderen das CIA gründet, der zum größten und mächtigsten Geheimdienst der Welt werden soll. Während er in dieser Ausgabe aufgeht und ohne Skrupel die Feinde seines Landes jagt, leidet sein Privatleben zunehmend darunter. Vor allem die Ehe mit Margaret (Angelina Jolie), die von Anfang an eher aus der Not heraus geboren wurde, erkaltet mit jedem Tag ein Stückchen weiter …
Eine Legende auf Abwegen
Schauspielerisch hat Robert De Niro sicherlich so ziemlich alles erreicht, was man erreichen kann. Er spielte in cineastischen Meisterwerken ebenso mit wie in Blockbustern für die Massen, erhielt zwei Oscars und war für zahlreiche andere Preise im Rennen. Selbst jetzt, mit Ende 70, ist der Mime gefragt und dreht fleißig weiter. Seine Laufbahn als Regisseur ist hingegen sehr viel weniger erwähnenswert. Sein Debüt mit In den Straßen der Bronx erhielt 1993 zwar gute Kritiken, interessierte in den Kinos aber kaum jemanden. Sein 13 Jahre später veröffentlichtes Zweitwerk Der gute Hirte lief zwar um einiges besser, kostete dafür aber auch jede Menge, weshalb der Film letztendlich nicht profitabel war. Die Kritiken waren zudem überwiegend durchwachsen, der eigentlich angedachte zweite Teil kam nie zustande.
Dabei wurde hier schon richtig viel aufgefahren und keine Mühen gescheut. Vor allem das Ensemble ist geradezu absurd mit den vielen Prominenten, die sich darin tummeln. Auch wenn Damon, Jolie und De Niro als Aushängeschilder fungierten, daneben finden sich eine ganze Reihe weiterer illustrer Namen: Ob Alec Baldwin oder William Hurt, Lee Pace oder Eddie Redmayne, Joe Pesci oder Martina Gedeck, Der gute Hirte ist mit Stars prall gefüllt. Dass viele von ihnen nur verschwindend kleine Rollen haben, bleibt da nicht wirklich aus. Obwohl die Laufzeit mit knapp drei Stunden ziemlich üppig ausfällt, ist das am Ende nicht genug, um allen gerecht zu werden. Schließlich heißt es hier, nicht nur eine Figur genauer vorzustellen. Vielmehr sollte das hier ein Zeitporträt sein, welches die Ereignisse in den USA zur Mitte des 20. Jahrhunderts festhalten sollte, gerade im Hinblick auf die Außenpolitik.
Minutiöse Aufarbeitung
An Ambitionen mangelte es dem preisgekrönten Drehbuchautor Eric Roth (Der seltsame Fall des Benjamin Button, Forrest Gump) hierbei nicht. Geradezu minutiös arbeitete er auf, wie das CIA entstand, aber auch in welchem Kontext es agierte. Vor allem die Zeit während des Kalten Krieges, als die Spannungen zwischen Ost und West zunehmen und potenziell jeder ein Spion oder eine Spion sein kann, haben es ihm dabei angetan. Tatsächlich scheint es von diesen auch überall zu wimmeln. Jede Begegnung im Umfeld von Wilson könnte eine solche sein, teilweise sind sie das auch. Immer wieder kommt es vor, dass Leute, die eigentlich mehr oder weniger zufällig da zu sein scheinen, letztendlich doch anderweitige Absichten verfolgen. Kein Wunder also, dass die Hauptfigur dabei irgendwann paranoid wird.
Das klingt eigentlich recht spannend. Ist es aber nicht: Wer sich angesichts der Spionagethematik lauter brenzlige Szenen erhofft, der geht hier nahezu leer aus. Actionmomente im Sinn von Verfolgungsjagden oder Schusswechseln fehlen völlig, verborgenes Hinterherschnüffeln ist ebenso wenig angesagt. Der gute Hirte befasst sich eher mit der Frage, wie eine solche Organisation geführt wird und welche Auswirkungen diese Arbeit auf die Menschen hat. Auch daraus hätte man sicherlich etwas Packendes machen können. Das Thrillerdrama verliert sich jedoch in Details, unbeirrt werden Figuren eingeführt und neue Wendungen angestrebt, anstatt sich auf etwas konzentrieren zu wollen. Das Ergebnis ist ein Film, der gleichzeitig zu kurz und zu lang ist. Die zähe Erzählweise erfordert viel Geduld, gleichzeitig bleibt dann doch einiges unbeantwortet.
Eine Protagonist ohne Regung
Das größte Manko ist dabei vielleicht noch die Hauptfigur selbst. Während beispielsweise J. Edgar ein Porträt des langjährigen FBI-Leiters, der eigenen Behäbigkeit zumindest noch eine faszinierend widersprüchliche Persönlichkeit entgegensetzte, fehlt das in Der gute Hirte. Wilson ist so sehr auf seine Arbeit fixiert, dass alles andere zur Nebensache wird. Man findet einfach keinen Zugang zu diesem Phlegmatiker, der allem mit bleierner Miene begegnet. Das ist in späteren Szenen, wenn die CIA zur verbrecherischen Foltermaschine mutiert, noch irgendwie erschreckend. Keine Brutalität schreckt ihn mehr, solange er glaubt, es sei für das Gute. Aber es findet eben keine Auseinandersetzung damit statt. Er ist nicht mehr als ein korrektes, undifferenziertes Monster, dessen mangelnde Menschlichkeit ihn für seine Position qualifizieren, aber nicht unbedingt zu einem interessanten Protagonisten machen.
OT: „The Good Shepherd“
Land: USA
Jahr: 2006
Regie: Robert De Niro
Drehbuch: Eric Roth
Musik: Marcelo Zarvos, Bruce Fowler
Kamera: Robert Richardson
Besetzung: Matt Damon, Angelina Jolie, Alec Baldwin, Tammy Blanchard, Billy Crudup, Lee Pace, Eddie Redmayne, Robert De Niro, William Hurt
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 2007 | Bestes Szenenbild | Jeannine Oppewall, Gretchen Rau, Leslie E. Rollins | Nominierung |
Berlinale 2006
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