Der Sommer mit Anais Les amours d'Anais
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Der Sommer mit Anaïs

„Der Sommer mit Anaïs“ // Deutschland-Start: 21. Juli 2022 (Kino) // 20. Oktober 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Bei Anaïs (Anaïs Demoustier) ist gerade einiges in der Schwebe, wieder mal. Mit ihrer Arbeit an der Uni kommt sie nicht wirklich voran. Die Beziehung zu ihrem Freund hat sie auch beendet, weil die Gefühle ihr nicht ausreichten. Dafür reicht nun das Geld nicht mehr für die gemeinsame Wohnung. Dabei trifft sie eines Tages den Verleger Daniel (Denis Podalydès), mit dem sie sich auf Anhieb gut versteht. Der ist deutlich älter, was sie nicht sonderlich stört, und verheiratet, was sie schon ein bisschen mehr stört. Richtig kompliziert wird es jedoch, als sie sich in den Kopf setzt, Daniels Frau Émilie (Valeria Bruni Tedeschi) kennenzulernen, eine bekannte Autorin. Dafür reist sie ihr sogar hinterher und tut alles dafür, um ihr möglichst oft über den Weg zu laufen. Damit ist sie sogar erfolgreich, erfolgreicher als gedacht …

Die Jugend endet nie

Manche Schauspieler und Schauspielerinnen entdecken viele Jahre nach Karrierebeginn ihre Berufung dafür, auch selbst Geschichten zu erfinden und zu inszenieren. Bei Charline Bourgeois-Tacquet ging das sehr schnell. So trat sie bislang nur in einer Handvoll kleinerer Rollen auf, bevor sie anfing, eigene Kurzfilme zu drehen. Mit Der Sommer mit Anaïs folgt nun bereits der erste Langfilm, der sie auf Anhieb als eine vielversprechende neue Stimme im französischen Kino empfiehlt. Klar, eine Liebeskomödie aus der Grande Nation, das ist jetzt nicht unbedingt eine besonders seltene Kombination. Zumindest hierzulande verbindet man mit unseren Nachbarn und Nachbarinnen gern vor allem romantische, unbeschwerte Geschichten voller Charme und Witz.

Das trifft schon auch auf Der Sommer mit Anaïs zu, nur nicht ganz so, wie man es vielleicht vermuten würde. Die Komödie, die bei der Semaine de la Critique 2021 in Cannes Premiere feierte, ist dabei maßgeblich auf die Protagonistin zugeschnitten. Anaïs ist eine Frau, die mit 30 Jahren zwar nicht mehr ganz jung ist, sich aber schon noch wie ein Teenager aufführt. Sie drückt sich vor schwierigen Aufgaben, nimmt vieles nicht ganz ernst und folgt auch ihren Instinkten. Dass sie damit sich – und andere – in Teufelsküche bringt, stört sie nicht weiter. Vielleicht nimmt sie es auch nicht unbedingt wahr, man hat bei ihr immer das Gefühl, dass sie in einer versetzten Parallelwelt lebt, wo alles eigenen Regeln folgt. Oder auch gar keinen. Ihr Leben ist nicht deshalb ein Chaos, weil irgendetwas darin geschehen wäre. Sie ist vielmehr Chaos als Dauerzustand.

Die unbeschwerte Leichtigkeit des Seins

Das klingt vielleicht ein wenig anstrengend. Tatsächlich kann einen Anaïs mit ihrer flatterhaften, unbeständigen und letztendlich selbstbezogenen Art vor eine gewisse Herausforderung stellen. Nicht ohne Grund verzweifeln in dem Film gleich mehrere Leute an ihr, sei es im beruflichen oder privaten Umfeld. Mal zahlt sie ihre Miete nicht oder macht die Wohnung zu einem Desaster. Immer wieder hält sie Vereinbarungen nicht ein, die gerade erst getroffen wurden. Sie ist die Sorte Mensch, auf die man sich am besten nicht verlassen können muss. Gleichzeitig hat sie aber auch etwas sehr Erfrischendes und Mitreißendes. Gerade diese unbekümmerte Art ist es, die Der Sommer mit Anaïs so sehenswert macht, wenn hier einfach mal ausprobiert und gemacht wird, über Folgen und Konsequenzen kann man sich auch später noch Gedanken machen. Das ist in einer Zeit, die von Konflikten und Ängsten geprägt ist, schon recht wohltuend.

Und dann wäre da natürlich noch das Ensemble. Anaïs Demoustier (Alice and the Mayor) wirbelt auf eine derart mitreißende Weise durch die Gegend, dass es praktisch schon egal ist, was sie da genau tut oder nicht. Ihr Gegenstück Valeria Bruni Tedeschi (Sommer 85) tritt erst relativ spät auf, hat als blockierte Künstlerin aber ebenfalls einige sehenswerte Momente. Die Rolle von Denis Podalydès (Online für Anfänger) ist im Vergleich etwas undankbar, da er mehr das dritte Rad am Wagen sein darf, dessen man sich schon mal entledigt, wenn es nicht mehr gebraucht ist. Aber so ist das nun einmal in Der Sommer mit Anaïs: So flüchtig der Sommer mit seinen zum Aufbruch ermunternden Tagen ist, so vergänglich ist alles, wovon Bourgeois-Tacquet da erzählt: die Liebe, das Leben, die Kunst. Nicht hält hier ewig, weshalb es gilt, den Moment auszukosten – so wie es die Protagonistin eben tut.

Credits

OT: „Les Amours d’Anaïs“
IT: „Anaïs in Love“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Charline Bourgeois-Tacquet
Drehbuch: Charline Bourgeois-Tacquet
Musik: Nicola Piovani
Kamera: Noé Bach
Besetzung: Anaïs Demoustier, Valeria Bruni Tedeschi, Denis Podalydès, Jean-Charles Clichet

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben uns im Interview mit Regisseurin Charline Bourgeois-Tacquet über die Entstehung und die Dreharbeiten von Der Sommer mit Anaïs unterhalten.

Charline Bourgeois-Tacquet [Interview]

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Der Sommer mit Anaïs
Fazit
„Der Sommer mit Anaïs“ folgt einer 30-Jährigen durch ihr tägliches Chaos, wenn sie Leuten hinterherläuft oder ignoriert, immer ihren Impulsen folgt, ohne Rücksicht auf Verluste. Das macht sie etwas anstrengend, aber schon auch mitreißend, gerade auch wegen einer unbekümmert durch die Gegend wirbelnden Anaïs Demoustier, deren schauspielerische Leistung die große Konstante in einer betont flüchtig angesetzten Komödie ist.
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