Den Osannolika Mördaren The Unlikely Murderer Der unwahrscheinliche Mörder Netflix
© Netflix/Johan Paulin

Der unwahrscheinliche Mörder

Inhalt / Kritik

Den Osannolika Mördaren The Unlikely Murderer Der unwahrscheinliche Mörder Netflix
„Der unwahrscheinliche Mörder“ // Deutschland-Start: 5. November 2021 (Netflix)

Als 1986 der schwedische Premierminister Olof Palme auf offener Straße erschossen wird, steht die Polizei vor einem Rätsel. Zwar ist ein Zeuge schnell gefunden: Stig Engström (Robert Gustafsson) kam zufällig am Tatort vorbei, wo er nicht nur Palmes Ehefrau zur Seite stand, sondern auch den Mörder gesehen haben will. Doch die Geschichten des Grafikdesigners führen zu nichts, sind zum Teil sogar widersprüchlich. Dabei kommt die Polizei gar nicht auf die Idee, dass der unscheinbare, kaum ernstzunehmende, irgendwie recht aufdringliche Typ mehr sein könnte als ein nerviger Wichtigtuer. Dass er vielleicht gar nicht zufällig dort auftauchte, sondern im Gegenteil sogar selbst hinter dem Attentat steckt und dieses schon länger geplant hatte …

Faszination wahres Verbrechen

Zurzeit schießt Netflix mal wieder aus allen True-Crime-Rohren. Schwerpunkt bilden dabei die zahlreichen Dokumentationen, kaum eine Woche vergeht, bei der nicht einer oder mehrere Titel aus dieser Sparte veröffentlicht werden. Hinzu kommen momentan aber auch fiktionalisierte Fassungen solcher vergangenen Verbrechen. Yara befasste sich beispielsweise mit dem Fall einer vermissten Jugendlichen und der Jagd auf den Täter. Der Film war zwar teilweise atmosphärisch, insgesamt aber schon recht langweilig. Da ist die zeitgleich veröffentlichte Miniserie Der unwahrscheinliche Mörder deutlich spannender – und das obwohl hier gar kein Mörder gesucht werden muss. Das große Rätsel besteht nicht darin, wer hinter dem Verbrechen steckt, sondern weshalb er von niemandem in Betracht gezogen wurde.

Den Fall an sich könnten auch hierzulande einige kennen: Dass ein europäischer Regierungschef auf offener Straße ermordet wird, kommt schließlich nicht so oft vor. Zumal bei Olof Palme die Spurensuche ohne nennbares Ergebnis blieb. Einen Verdächtigen hatte man zwar, doch das stellte sich später als Irrtum heraus. Erst mehr als 30 Jahre später kamen zwei Journalisten auf die Idee, dass ausgerechnet Stig Engström der Täter gewesen sein könnte, also jener Mann, der der Polizei als Zeuge gedient hatte. Entsprechend dem Motto, dass immer derjenige der Täter ist, den man am wenigsten auf dem Schirm hatte, erzählt Der unwahrscheinliche Mörder von einem Mann, der andere über viele Jahre zum Narren hielt. Einer, der von anderen als reine Witzfigur angesehen wurde und deshalb niemals für die Tat in Frage kam. Tatsächlich aufgeklärt wurde der Fall nicht, da der Verdächtige zu dem Zeitpunkt bereits tot war. Aber es ist doch die plausibelste Erklärung.

Erst Auflösung, dann Fragen

Man hätte dies im Stil der True-Crime-Dokus chronologisch erzählen können, während wir den ermittelnden Polizisten über die Schultern blicken. Stattdessen lässt die fiktionalisierte Fassung Der unwahrscheinliche Mörder nicht nur durch den Titel keinen Zweifel daran, dass Engström den Mord begangen hat. Wer sich solche Krimis allein deswegen anschaut, um selbst kräftig spekulieren zu können, was sich da zugetragen hat, dürfte hier deshalb eher weniger glücklich werden. Wie bei den Columbo-Krimis fängt die Geschichte mit der Auflösung an. Was folgt, ist einerseits eine Beschreibung der Ermittlungen. Gleichzeitig erzählt die Serie viel von Engström, beschreibt dessen Leben und leitet aus diesem mögliche Motive ab. Die schwedische Produktion ist mehr Porträt denn tatsächlicher Genrebeitrag.

Dabei provoziert der Protagonist sehr widersprüchliche Gefühle im Publikum. Auf der einen Seite ist Engström alles andere als ein Sympathieträger. Die Art und Weise, wie er ständig versucht, aus seiner Zeugenaussage zum Mord Kapital zu schlagen und sich selbst relevant zu machen, geht auf die Nerven. Er ist peinlich, erbärmlich, frei von jedweder gewinnender Charaktereigenschaft. Gleichzeitig macht Der unwahrscheinliche Mörder aber auch deutlich, dass er eine tragische Figur ist. So wurde er die ganze Zeit auf schäbige Weise gemobbt, sein gut gemeinter Ausflug in die Politik endet in einer Demütigung, was er auch versucht, er ist und bleibt ein Niemand. Der Mord bedeutete für ihn daher die Möglichkeit, endlich mal jemand zu sein, der von Bedeutung ist und etwas bewirkt.

Geschichte ohne Entwicklung

Das ist prima vom schwedischen Charakterdarsteller Robert Gustafsson gespielt, der hierzulande vor allem für die Bestseller-Verfilmung Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand und dessen Fortsetzung bekannt ist. Er hält die angesprochene Balance aus Lächerlichkeit und Tragik. Auch die Ausstattung und Atmosphäre sind ganz gut gelungen, wenn wir hier in die Vergangenheit reisen und auch mit der Polizeiarbeit von damals vertraut werden – eine Polizeiarbeit, die zuweilen einiges zu wünschen übrig lässt. Das ist manchmal unterhaltsam, manchmal traurig, manchmal auch sehr interessant, gerade als Zeitdokument. Nur das mit der Spannung haut nicht so ganz hin. Obwohl Der unwahrscheinliche Mörder mehrfach zwischen den Zeiten hin und her springt, kann sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass eigentlich gleich zu Beginn alles gesagt ist und im Anschluss nur zahlreiche Variationen derselben Themen auftauchen, weshalb die Serie trotz kurzer Laufzeit von nur fünf Folgen irgendwie zu lang ist.

Credits

OT: „Den Osannolika Mördaren“
IT: „The Unlikely Murderer“
Land: Schweden
Jahr: 2021
Regie: Simon Kaijser, Charlotte Brändström
Drehbuch: Wilhelm Behrman, Niklas Rockström
Musik: Frans Bak
Kamera: Aril Wretblad
Besetzung: Robert Gustafsson, Eva Melander, Peter Andersson, Mikael Persbrandt, Björn Bengtsson, Joel Spira

Bilder

Trailer

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„Der unwahrscheinliche Mörder“ greift den lange so rätselhaften Mord an dem schwedischen Premierminister Olof Palme auf und legt den Fokus auf den mutmaßlichen Mörder, den alle für einen wichtigtuerischen Zeugen hielten. Die Krimiserie ist damit weniger für ein Publikum geeignet, das gerne rätselt. Stattdessen handelt es sich hier vorrangig um das Porträt eines Mannes, der Witzfigur und tragische Figur in einem ist.
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