Die Luft die wir atmen
© HR/Bettina Müller

Die Luft, die wir atmen

Inhalt / Kritik

Die Luft die wir atmen
„Die Luft, die wir atmen“ // Deutschland-Start: 2. Februar 2022 (Das Erste)

Schon an einem normalen Tag sind die Herausforderungen für Dr. Sina Kunz (Neda Rahmanian), die im Frankfurter Umland ein Altersheim leitet, groß. Sie und ihr Team arbeiten bis an die Belastungsgrenze, haben eigentlich nie Zeit für sich oder ein wenig Ruhe. Und heute ist kein normaler Tag: Blitzeis bricht über den Landstrich herein, die Landstraße, welches das Heim mit der Außenwelt verbindet, ist unpassierbar geworden. Das bedeutet nicht nur für die Belegschaft, dass sie das Heim nicht mehr verlassen können. Auch die Besucher und Besucherinnen sind gezwungen, die Nacht dort zu verbringen. Da wäre Klaus (Rainer Bock), der seine Frau Sylvia (Ruth Reinecke) wieder zu sich holen möchte. Alisa (Bernadette Heerwagen) will ihren dementen Vater Martin (Gerd Wameling) dazu überreden, ihr endlich eine Vollmacht für sein Konto auszustellen. Jürgen (Thomas Loibl) sitzt am Sterbebett seiner Mutter, für die er alles geopfert hat. Und auch Marianna (Patrycia Ziolkowska) wollte sich von ihrer Mutter verabschieden, trifft aber zu spät ein …

Ein Ort voller Spannungen

Ein abgelegener, von der Zivilisation abgeschlossener Ort, den man nicht verlassen oder betreten kann, das ist eigentlich ein Setting, wie man es im Genrekino zu sehen bekommt. Gerade eingeschneite Häuser werden immer wieder gern zum Spannungsaufbau genutzt, sei es in Agatha Christies berühmten Theaterstück Die Mausefalle oder diversen Horrorfilmen. Die Luft, die wir atmen ist aber weder Krimi noch Horror. Stattdessen handelt es sich um ein Drama, welches eine andere Form von Spannung erzeugt. Hier geht es nicht darum, dass jemand Angst um sein Leben haben muss. Vielmehr zwingen die widrigen Umstände die Leute, die in dem Heim eingesperrt sind, sich mit dem Leben auseinanderzusetzen, mit ihrer Vergangenheit und verschleppten Problemen, gerade im familiären Bereich.

Eine richtige Geschichte gibt es daher nicht. Vielmehr besteht Die Luft, die wir atmen aus mehreren Parallelgeschichten, die nur aufgrund des gemeinsamen Schauplatzes zusammengehalten werden. Dabei kommt es auch zu relativ wenig Austausch zwischen den Strängen. Dann und wann kreuzen sich natürlich schon die Wege, allein schon weil man sich an einem Ort, an dem man die Nacht verbringen muss, zwangsläufig irgendwann begegnet. Und zumindest zwei der Stränge verbinden sich auch, wenn ein ähnliches Schicksal Anknüpfungspunkte bietet. Im Großen und Ganzen stehen hier aber alle für sich allein und müssen für sich eigene Antworten finden – was mal mehr, mal weniger funktioniert.

Leise und versöhnlich

Damit verbunden ist auch, dass es keine wirklichen Hauptfiguren gibt. Manche stehen sicherlich mehr im Mittelpunkt als andere. Die Luft, die wir atmen ist aber in erster Linie ein Ensemblefilm, mit dem Unterschied, dass das Ensemble wenig interagiert. Eine Art Episodenfilm also, zusammengehalten durch das Szenario. Das wird sicherlich nicht allen daheim vor den Fernsehern gefallen, umso mehr, da das ARD-Drama für eine Produktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens überraschend zurückhaltend ist. Auch wenn die Geschichten hier größtenteils traurig sind, etwa Erkrankungen und Entfremdungen umfassen, werden sie nicht ausgeschlachtet. Regisseur Martin Enlen mag es lieber etwas leiser.

Das bedeutet aber nicht, dass einem der Film, der beim Filmfest München 2021 Premiere feierte, nicht doch auch zu Herzen gehen kann. Die Luft, die wir atmen ist ein schönes, nachdenkliches Drama, dem man allenfalls vorwerfen kann, dass es ein bisschen zu versöhnlich ist. Man wollte dem Publikum nicht zumuten, dass da wirklich etwas schlimm ausgeht. Auch das inzwischen medial gut beackerte Thema der schwierigen Verhältnisse in der Pflege wird zwar angeschnitten, ohne aber zu sehr in die Materie eintauchen zu wollen. Wer diesen Anspruch nicht hat und wieder Lust auf einen sehr menschlichen Film hat, der ist hier gut aufgehoben. Trotz des nicht ganz alltäglichen Szenarios ist das hier alles so lebensnah, dass man für sich persönlich etwas daraus mitnimmt.

Credits

OT: „Die Luft, die wir atmen“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Martin Enlen
Drehbuch: Julia C. Kaiser
Musik: Dieter Schleip
Kamera: Philipp Timme
Besetzung: Neda Rahmanian, Katja Studt, Rainer Bock, Ruth Reinecke, Thomas Loib, Patrycia Ziolkowska, Bernadette Heerwagen, Gerd Wameling

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„Die Luft, die wir atmen“ spielt in einem Altersheim, in dem Belegschaft und Besucher aufgrund des widrigen Wetters festsitzen. Das Drama hat dabei keine eigentliche Geschichte zu erzählen, sondern ist eher eine Art Episodenfilm rund um die Schicksale der Menschen, die dort zusammentreffen. Das ist schön und lebensnah, zum Ende ein bisschen zu versöhnlich.
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