Als Forscher wie auch Fachmann ist der Gehirnchirurg Sewon (Lee Sun-kyun) einer des besten auf seinem Gebiet und ermutigt sich und andere, neue Wege zu finden und Technologien auszuprobieren. Doch seine Akribie haben dem Autisten einen gewissen Ruf eingebracht, wie auch seine antisozialen Tendenzen. Was keiner ahnt, ist, dass hinter seiner neuesten Idee, dem Übertragen von Erinnerungen mittels eines Gehirnscans, nicht nur Forscherethos steckt, sondern vielmehr der Drang, etwas zu verstehen, was ihm bis heute verschlossen bleibt: das letzte Bild seiner Mutter. Deren Unfalltod musste er als kleines Kind mitansehen und wurde daraufhin von einem Gehirnchirurgen untersucht. Auch seine unmittelbare Vergangenheit steht in Verbindung zu Sewons Forschung, denn nach mysteriösen Tod seines Sohnes und dem Unfall seiner Frau, hofft er, mittels der Erinnerung das Rätsel um seinen Sohn lösen zu können.
Zur großen Freude Sewons verlaufen die ersten Tests vielversprechend, auch wenn sich herausstellt, dass das Testsubjekt tot sein muss, damit die Übertragung der Erinnerungen ein Erfolg wird. Als seine Chefin ihm einen Versuch an einer menschlichen Leiche untersagt, macht sich Sewon kurzerhand selbst ans Werk. Im Laufe der nächsten Tage wird der Arzt geplagt von seltsamen Visionen sowie Ticks, die bislang noch nie Teil seiner Persönlichkeit waren. Als er dann auch noch Verdächtiger in einer Mordermittlung wird und er Visionen hat vom gewaltsamen Tod eines Mannes, der scheinbar in Verbindung stand zum Liebhaber seiner Frau, glaubt er sich der Lösung des Rätsels um seinen Sohn ein Stück näher, ahnt aber nicht, in welche Gefahr er sich mit seinen eigenmächtigen Ermittlungen begibt.
Was sich hinter dem Bekannten verbirgt
Ursprünglich Mister Robin betitelt, ist Dr. Brain die Adaption des bekannten Webtoons des südkoreanischen Webportals Daum. Bereits vor einigen Jahren beabsichtige Regisseur Kim Jee-woon, dessen Namen wie kein anderer für den Erfolg des südkoreanischen Genrefilms steht, eine filmische Bearbeitung des Stoffes, doch bis das Projekt schließlich in Produktion gehen sollte, vergingen noch einige Jahre, bis schließlich unter anderem Apple TV+ sich daran beteiligte. Anlässlich des Starts des Streamingdienstes in Südkorea bildet Dr. Brain einen lukrativen Start und darüber hinaus dem Zuschauer eine Gelegenheit, Kim Jee-woons Talent im Thrillergenre einmal in Serienform bewundern zu dürfen.
Der Name Kim Jee-woon steht für ein südkoreanisches Kino, welches die Balance zu halten versucht zwischen Geschichten, die ihren Bezug zur koreanischen Kultur und Geschichte nicht verlieren, aber dennoch ein internationales Appeal haben. So gesehen ist es in mehr als nur einer Hinsicht logisch, eines seiner Projekte für den Start eines Streamingdienstes zu wählen und zugleich das ohnehin schon anspruchsvolle Angebot auf den asiatischen Markt zu erweitern. Innerhalb der sechsteiligen Serie spielt der aus Parasite bekannte Lee Sun-kyun einen Forscher, dessen Drang nach Wissen sowie einem persönlichen Rätsel auf die Spur zu kommen, ihm mehr und mehr zum Verhängnis wird und ihm scheinbar die Sicht auf die Realität versperrt. Wie andere Protagonisten in Kim Jee-wons Werk treibt ihn die Suche „nach dem, was sich hinter etwas verbirgt“ um und wird ihm zum Verhängnis. Dies verbindet das Drehbuch mit dem Autismus der Hauptfigur, seinem Unvermögen, menschliche Emotionen zu lesen und zu zeigen, wobei ihm die Forschung einen wichtigen Schlüssel weisen könnte.
Geister und Erinnerungen
Auf ästhetischer Ebene kann man Dr. Brain keinerlei Vorwürfe machen. Getreu jenem Noir-Look, der bereits Filme wie I Saw the Devil oder Bittersweet Life ausmachte, ist es eine düstere Welt, in die Kim Jee-woon seinen Zuschauer mitnimmt. Darüber hinaus vermischt er immer wieder Elemente des Geisterfilms oder des Psychothrillers, beispielsweise, wenn Sewons Visionen langsam beginnen oder er selbst zu einem Ermittler wird. Die Wahrheit ist dabei nie einfach, eine Antwort führt zu mehr Fragen, was noch erschwert wird dadurch, dass schon bald die Trennung zwischen Realität, Traum und Vision immer stärker verschwimmt. Insbesondere die Vermischung dieser Ebenen, betont durch die intensiven Farben wie auch das Spiel der Darsteller und die Kameraführung, ist durchaus ansprechend.
Was jedoch auch stimmt, ist, dass das Kino Kim Jee-woons für jene Probleme steht, unter denen das Genrekino seiner Heimat seit langer Zeit leidet. Gerade in Serienform muss sich die Geschichte den Vorwurf der Überlänge gefallen lassen, wobei noch dazu an vielen Stellen Komplexität mit Kompliziertheit verwechselt wird. Auch wenn an und für sich jede der sechs Episoden ihre spannenden Stellen hat, sind nicht durchweg alle Wendungen überzeugend und scheinen die Geschichte unnötig in die Länge zu ziehen.
OT: „Dr. Brain“
Land: Südkorea
Jahr: 2021
Regie: Jee-woon Kim
Drehbuch: Jin-A Kim, Young-Jae Koh, Jee-woon Kim
Kamera: Cheon-seok Kim
Besetzung: Sun-kyun Lee, Yoo-young Lee, Hee-soon Park, Ji-hye Seo, Jae-won Lee, Tae-goo Uhm
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