In dem Animationsfilm Happy Family erzählte Holger Tappe die Geschichte einer unglücklichen Familie, die sich in Monster verwandeln und erst ihr Glück finden müssen, um in ihre alte Gestalt zurückkehren zu können. Nun steht mit Happy Family 2 die Fortsetzung an, bei der es noch mehr bekannte Monster zu sehen gibt. Zum Kinostart am 4. November 2021 unterhalten wir uns mit dem Regisseur über die Arbeit an dem Film, die Suche nach dem Glück und den Stand des deutschen Animationsfilms.
Die Tage startet dein Film Happy Family 2 im Kino. Wenn du auf die Anfänge zurückblickst, was hatte dich beim ersten Teil gereizt, Teil des Projekts zu werden?
Ich finde es schade, dass Animationsfilme in Deutschland immer auf Kinderbüchern basieren. Das war bei uns damals bei Urmel aus dem Eis so. Dieses Jahr hatten wir Die Schule der magischen Tiere und Die Olchis – Willkommen in Schmuddelfing. Dabei bewundere ich die Kollegen in den USA, gerade Pixar, die immer auch den Eltern etwas bieten. Als ich David Safier kennengelernt habe, war sein Buch „Happy Family“ noch gar nicht erschienen und wir haben uns über etwas komplett anderes unterhalten. Wir haben uns dabei dann so gut verstanden, dass er mir eine Vorabversion von Happy Family geschickt hat und mich gefragt hat, ob man daraus einen Kinderfilm machen könnte. Das war dann genau das, was ich suchte. Wir haben danach ein Jahr gebraucht, um den Stoff kinderfreundlich umzuschreiben und dabei dennoch dem Roman treu zu bleiben. Das war ziemlich schwierig. Denn mir war es wichtig, dass die Leute, die den Roman gelesen haben, sagen konnten: Das ist der Film dazu.
David Safier hat nicht nur die Vorlage geschrieben, sondern auch am Drehbuch gearbeitet. Wie sah es beim Film selbst aus? War er da involviert oder hat er dir völlig freie Hand gelassen?
Er war schon noch involviert. Das hat dann aber nichts damit zu tun, dass er die Kontrolle behalten wollte. Er hatte einfach viel Spaß mit der Geschichte. Wenn wir uns treffen, dann ist das immer eine Mischung aus Freundschaft und Arbeitsmeeting. Das macht dann Lust auf mehr. Tatsächlich wollte er schon, während wir noch an Happy Family saßen, einen zweiten Teil machen. Das fand ich aber kein besonders gutes Omen. Ich wollte da doch lieber einmal abwarten, wie der Film so läuft. Im Nachhinein hätten wir das besser getan, dann wäre die Arbeit an Happy Family 2 weniger stressig geworden. So aber haben wir gewartet, bis unser Weltvertrieb das nötige Geld aufgetrieben hatte. Als es dann losging, mussten wir erst einmal eine neue Geschichte finden, da es keinen zweiten Roman gab, den wir verfilmen konnten. Und unser Anspruch war, dass wir mit unserem Film auch tatsächlich etwas aussagen und nicht einfach nur die erste Geschichte wiederholen. Uns ist natürlich klar, dass wir mit unserem Film nicht die Welt verändern können. Aber wir wollten zumindest einen kleinen Denkanstoß geben. Am Ende kamen wir auf die Idee, unseren Perfektionsdrang, den wir gerade auch in sozialen Medien haben, wo wir uns als besser darstellen wollen, als wir sind, kindgerecht aufzuarbeiten.
War es dann insgesamt schwieriger oder einfacher, einen zweiten Teil zu machen?
Es war total anders. Man findet bei der Arbeit an einem Film immer neue Probleme, bei denen man im Vorfeld gar nicht dachte, dass sie kommen können. Dadurch kann ich das so pauschal gar nicht beantworten. Was ich sagen kann: Ich fand den zweiten Teil schöner, weil ich Originalgeschichten lieber mag. Du kannst da eine Geschichte entwerfen, die wirklich auf das Format zugeschnitten ist. Bei einer Buchverfilmung hast du eigentlich immer das Problem, dass der Stoff zu viel ist für anderthalb Stunden, wenn es jetzt nicht gerade ein Kinderbuch ist. Das bedeutet schon auch eine Einschränkung. Bei einer Originalgeschichte kannst du ganz anders rangehen. Bei Happy Family 2 konnten wir gerade bei den Schauplätzen so richtig aus dem Vollen schöpfen und eine große Bandbreite nutzen, von Unterwasserwelt bis zu Szenen im All. Das ist schon toll.
Dann kommen wir noch auf den Inhalt des Films zu sprechen. Happy Family endete damit, dass die Familie glücklich ist, weswegen sie sich auch in Menschen zurückverwandeln konnte. Bei Happy Family 2 sehen wir jetzt: So richtig toll läuft es immer noch nicht. Warum fällt es der Familie so schwer, auch einfach mal glücklich zu sein?
Bei „Happy Family“ war es damals so, dass David von seiner eigenen Familie inspiriert wurde. Klar, bei ihnen gibt es keine Werwölfe oder Vampire. Aber er hat seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in der Familie genommen und diese zugespitzt. Seine Aussage war: Im Grunde sind wir alle Monster. Daraus hat er dann den Roman gemacht. Außerdem ist es natürlich so, dass du irgendwelche Konflikte brauchst, wenn du eine Geschichte erzählen willst. Wenn alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, dann wird da einfach kein spaßiger Film draus. Ich wünsche natürlich allen Familien, dass sie glücklich sind. Aber als Zuschauer ist es schon langweilig, wenn es da keine Höhen und Tiefen gibt. Deswegen mussten wir unsere glückliche Familie wieder ins Unglück stürzen.
In dem Film wird auch darüber gesprochen, was Glück überhaupt bedeutet und was uns glücklich macht. Wie würdest du diese Frage beantworten?
Das ist eine ganz tolle Frage. Ich bin inzwischen über fünfzig und suche noch immer nach einer Antwort. Ich glaube, dass wir uns am Ende oft selbst im Weg sind. Das ist bei unserer Happy Family auch so. Aber daran kann man ja arbeiten. Und wir wollten mit unserem Film zeigen, dass es sich lohnt, daran zu arbeiten.
In euren Filmen zeigt ihr eine Reihe von Monstern, die sehr alt sind, aber noch immer sehr beliebt. Da haben wir Werwolf und Vampir, im zweiten Teil kommen Nessi und Bigfoot hinzu. Also alles Klassiker. Was macht diese Monster so beliebt? Es gab im Laufe der Geschichte viele andere Monstererzählungen, die aber nicht vergleichbar in Erinnerung geblieben sind.
Das wüsste ich auch gerne. Spannend ist dabei, wenn du ins Ausland schaust, wo es zum Teil ganz andere Monster gibt. Wir haben auch mit dem Gedanken gespielt, ob wir nicht unbekanntere Monster nehmen sollten. Letztendlich ist der Vorteil bei den Monstern, die wir genommen haben, dass du da nichts groß erklären musst und wir uns auf die Geschichte konzentrieren konnten. Das war uns am Ende wichtiger.
Aber was macht deiner Meinung nach ein interessantes Monster aus?
Was wir bei unseren Monstern zeigen wollten, ist dass sie – von Dracula einmal abgesehen – alle gute Facetten haben. Nehmen wir Baba Yaga aus dem ersten Teil. Viele denken bei einem Monster erst einmal, dass sie unbedingt böse sein sollten. Das wollten wir mit dem Film ein Stück weit revidieren. Uns ging es darum zu zeigen, dass ein erster Eindruck täuschen kann, bei Monstern wie auch bei Menschen. Und dass es sich lohnen kann, sich mit jemandem auch mal etwas näher zu beschäftigen, anstatt nur dem ersten Eindruck zu folgen.
Die Verwandlungen in Monster bringt in Happy Family durchaus auch Vorteile mit sich. Wenn du dich in ein beliebiges verwandeln könntest, so für einen Tag, welches würdest du aussuchen?
Ich muss schon sagen, dass mir Frank ziemlich gut entspricht. Wenn man mit wenigen Worten viel ausdrücken kann, das hat schon was für sich. Den könnte ich mir gut vorstellen.
Wir hatten es vorhin kurz vom Thema Animationsfilme. Weshalb drehst du überhaupt solche und keine Realfilme?
Für mich empfinde ich es so, dass ich bei einem Animationsfilm sehr viel weniger Limits habe als bei einem Realfilm. Als ich damals damit angefangen habe, war es außerdem einfach sehr spannend, diese Techniken kennenzulernen. „Back to Gaya“ war der erste CGI-Animationsfilm aus Deutschland, das war schon etwas Besonderes. Und jetzt können wir damit einfach so viel umsetzen.
Warum sind Animationsfilme in Deutschland eigentlich so schwierig? Wenn man nach Frankreich schaut, dann gibt es deutlich mehr und auch sehr vielfältige Animationsfilme. Warum geht das in Deutschland nicht?
Das frage ich mich auch. Wobei es schon beim Filmkonsum als solchen losgeht. Der durchschnittliche Franzose geht vier Mal im Jahr ins Kino, der Amerikaner sogar sechs Mal. Bei uns sind es 1,3 Mal im Jahr. Es gibt also in Frankreich und den USA schon eine ganz andere Affinität zum Medium Film. Bei uns zählt Kino oft nicht als Kultur. Und dann ist Animation noch mal ein Spezialfall. Aus irgendeinem Grund werden Animationsfilme bei uns als Kinderkram angesehen. Und wenn ein Genre nicht richtig funktioniert, traut sich da keiner mehr weiterzumachen. Wir sind eine Gesellschaft, die in einer solchen Situation lieber zu sparen anfängt. Und das ist bei Filmen der falsche Ansatz. Du kannst keine Träume erschaffen wollen und dich gleichzeitig gesundsparen. Also werden lieber die Sachen gemacht, die bewährt sind und funktionieren. Und das finde ich sehr schade.
Vielen Dank für das Gespräch!
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