In Hannes nach dem gleichnamigen Roman von Rita Falk spielen Johannes Nussbaum und Leonard Scheicher zwei Freunde, die seit frühester Kindheit unzertrennlich sind und durch dick und dünn gehen. Doch dann machen beide eines Tages eine Motorradtour, bei der Hannes (Nussbaum) schwer verunglückt und ins Koma fällt. Moritz (Scheicher) besucht ihn daraufhin jeden Tag im Krankenhaus und und übernimmt auch die Stelle von Hannes in einem Heim für psychisch Kranke, mit denen er eine geplante Reise der beiden nach Südamerika finanzieren wollte. Zum Kinostart am 25. November 2021 unterhalten wir uns mit den beiden über Freundschaft, das Schauspielen im Moment und bereichernde Erfahrungen.
Was hat euch daran gereizt, bei Hannes mitzuspielen?
Johannes: Hans Steinbichler hat mich angerufen und mir die Rolle angeboten. „Es geht um große Freundschaft und Motorradfahren. Du liegst zwar die meiste Zeit über im Koma, aber das wird super! Dein bester Freund wird von Leonard Scheicher gespielt.“ Ich kenne Leonard aus der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin, wo wir uns sporadisch gesehen haben, weil er zwei Jahre über mir studiert hat. Da habe ich sofort zugesagt. Ich finde, dass es etwas sehr Wertvolles ist, etwas über Freundschaft zu erzählen.
Leonard: Ich könnte da jetzt genau das Gleiche erzählen. Hans hatte mir außerdem den Roman von Rita Falk zugeschickt. Den habe ich gelesen und fand die Geschichte wahnsinnig berührend. Sie ist auch sehr universell für dieses große Thema der Freundschaft. Deswegen habe ich auch sofort zugesagt.
Wie würdet ihr eure beiden Figuren beschreiben?
Leonard: Meine Figur Moritz ist ein totales Kind. Ein kleiner Junge, der noch auf recht wackligen Füßen steht. Er hat Hannes, seinen besten Freund, auf den er sich immer verlässt. Und als der aus seinem Leben fällt, holt ihn das komplett von den Beinen und er muss erst lernen wiederaufzustehen. Er hat es nicht gelernt selbstständig zu sein und muss plötzlich erwachsen werden.
Johannes: Bei Hannes hatte ich immer das Gefühl, er zieht seinen Freund mit. Das ist eine Freundschaft, die durchs ganze Leben geht. Er fühlt sich in dieser Rolle aber auch wohl, da ist schon eine Co-Abhängigkeit der beiden entstanden. Was diese Freundschaft ausmacht, ist diese Sehnsucht und dieser Wunsch, nach Südamerika zu fahren und dort diese Motorradtour zu machen. Hannes ist in der Hinsicht aber weiter als Moritz. Er sagt: „Wenn wir das wollen, dann müssen wir das uns das machen.“ Und das tut er auch. Er arbeitet in diesem Heim für psychisch Kranke und sammelt Geld.
Ihr habt beide schon gesagt, dass Freundschaft eine große Rolle spielt in dem Film. Wie würdet ihr Freundschaft definieren? Was macht eine Freundschaft aus?
Leonard: Wichtig ist sicherlich, dass man sich meldet, gerade in unserem Beruf. Ich drehe gerade ständig und das ist ein echtes Vagabundenleben. Da ist es mir sehr wichtig, Freunde zu haben, bei denen ich mich immer melden kann, die sich aber auch von sich aus bei mir melden. Du brauchst da eine Konstante in deinem Leben, auf die du dich immer verlassen kannst. Ich war gerade zweieinhalb Monate in Namibia und komme zurück und es ist alles wie immer. Ich bekomme auch keinen Vorwurf von den anderen, dass ich so oft und lange weg bin. Freunde sehen dich als der, der du bist und sind immer für dich da. Du kannst mit ihnen auch über Gefühle sprechen, ohne dich dafür schämen zu müssen.
Johannes: Ich habe das Glück, dass ich solche Freunde habe, bei denen das geht. Mit denen ich über Gefühle sprechen kann, über Selbstzweifel, über Situationen, in denen man sich befindet. Das wird oft unterschätzt, wie wertvoll das ist. Ich habe einen Freund, mit dem ich alle zwei Tage telefoniere. Da muss ich aber sagen, dass er derjenige ist, der sich immer meldet. Ich melde mich schon auch, aber er steckt doch noch mehr Arbeit rein. Und das ist wichtig. Das ist wie in einer Beziehung: Du musst immer etwas investieren. Das ist gerade dann wichtig, wenn man weiter auseinander wohnt. Leonard lebt in Berlin, ich in München, ein anderer guter Freund in Wien. Da musst du schon auch die Initiative ergreifen: So, ich steige jetzt in den Zug und fahre nach Wien. Es ist ein bewusster Vorgang, sich für eine Freundschaft zu entscheiden.
Freundschaften entstehen oft dadurch, dass man eine Zeit lang den Alltag miteinander teilt. Geht das überhaupt, wenn man wie ihr als Schauspieler keinen richtigen Alltag mehr hat? Wie schwierig ist das in diesem Beruf?
Leonard: Das ist schon sauschwer. Beim Filmdreh hast du natürlich deine Filmfreunde. Johannes und ich sind auch danach gute Freunde geblieben, was für mich das größte Geschenk ist. Aber das ist die Ausnahme. Normalerweise bist du für die Zeit des Drehs richtig eng und danach verlierst du dich aus den Augen. Das ist nicht mit den Freundschaften zu vergleichen, die du außerhalb des Films aufgebaut hast. Meinen ältesten Freund habe ich seit dem Kindergarten. Die Freunde von damals, mit denen bist du durch dick und dünn gegangen und hast so viel Scheiß erlebt, da musst du nicht so viel pflegen. Es kommt vor, dass wir uns Monate nicht hören. Und trotzdem bleiben es enge Freunde.
Johannes: Bei mir ist es so, dass ich jetzt Theater spiele. Das ist ein bisschen anders, weil du natürlich längere Zeit an einem Ort bleibst. Aber auch da ist nichts ewig. Du spielst dann vielleicht vier, fünf Jahre, dann wechselt der Intendant, du ziehst in eine neue Stadt und alles geht wieder von vorne los. Das ist für längerfristige Beziehungen immer schwierig, egal ob nun Familie oder Freundschaften. Da musst du wirkliche Entscheidungen treffen und etwas dafür tun, damit ihr gemeinsame Momente teilen dürft. Aber das geht auch aus der Entfernung. In den letzten anderthalb Jahren ging zwangsläufig viel über Telefon, Zoom oder Skype. Ich hatte mit meinen besten Freundinnen Zoom-Gespräche, die über drei, vier Stunden gingen, wo jeder in seiner Küche gesessen ist, geraucht hat und Wein getrunken hat. Das ist auch ein Teilen von Zeit und Momenten.
Gehört es zu Freundschaften nicht auch dazu, dass man sich mit der Zeit mehr voneinander entfernt? Während der Schulzeit hat man oft diese romantische Vorstellung, dass man nach den neun Jahren, die man zusammen verbracht hat und die eine intensive Zeit waren, auch weiter so eng zusammen sein wird. Und dann stellt man nach zwei, drei Jahren fest, dass man ganz woanders landet und einen das Leben auseinanderbringt.
Johannes: Das stimmt. Aber es wäre auch seltsam, wenn Freundschaften immer völlig gleich blieben. Eine Freundschaft verändert sich ja. Du hast vielleicht zwei Jahre, in denen du die Schnauze voll hast von jemandem. Aber das ist eben auch eine Entscheidung: Willst du das das ändern? Willst du etwas dafür tun oder lässt du es einfach auslaufen? Freundschaften können in Wellen auftreten. Freundschaften können auch enden. Ich habe auch Freundschaften, die verschwunden sind. Die ganz langsam ausfaden. Das passiert ganz oft. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob es eine enge Freundschaft war. Wie viele enge Freunde und Freundinnen hat man im Leben? Bei mir ist es eine Handvoll, bei denen ich sagen würde, das sind richtig gute Freunde.
Leonard: Man muss sich dabei auch gegenseitig gönnen, sich weiterzuentwickeln und andere Interessen zu entwickeln. Und entweder diese Entwicklungen passen dann noch innerhalb dieser Freundschaft oder eben nicht. Diese Arbeit, etwas in eine Freundschaft zu investieren, hängt auch immer sehr damit zusammen, ob du noch ein Interesse für die anderen hast. Ob du wirklich wissen willst, wie es ihnen geht und was sie tun, selbst wenn es etwas ganz anderes geworden ist. Wenn sie zum Beispiel andere Hobbys haben als du.
Ein gemeinsames Hobby eurer Figuren ist das Motorradfahren. Wie war das eigentlich für euch? Fahrt ihr selbst Motorrad?
Leonard: Ich habe tatsächlich extra für den Film den Motorrad-Führerschein gemacht. Aber es ist mir zu gefährlich und ich fahre ansonsten nicht. Ich habe als Kind mal einen tödlichen Motorrad-Unfall gesehen. Das ist mir einfach zu krass.
Johannes: Same here. Ich hatte leider nicht die Zeit, den Führerschein zu machen. Sonst hätte ich es gern gemacht, weil es auch gratis gewesen wäre. Aber aufs Motorradfahren an sich habe ich keinen Bock.
Eine ganz andere Frage zum Dreh: Hannes wird nicht chronologisch erzählt, sondern springt ständig zwischen der Gegenwart und einzelnen Szenen aus der Vergangenheit herum. Hinzu kommt, dass ein Dreh ohnehin meistens nicht in der Chronologie der Szenen stattfindet. Wie behält man da noch als Schauspieler den Überblick, wo die eigene Figur gerade steht?
Johannes: Vorbereitung.
Leonard: Vorbereitung, absolut. Und dann ergibt sich alles organisch. Das hört sich jetzt vielleicht ein wenig abstrakt an. Aber du versuchst ja immer in der Vorbereitung, die Szene so zu spielen, wie sie gerade in der Situation ist. Du konzentrierst dich wirklich auf den Augenblick und bist einfach so im Strudel drin. Da ist es dann oft völlig egal, ob sie am Anfang oder am Ende steht. Es ist dann eher der Job der Filmemacher, das dann wieder so zusammenzusetzen, dass es passt. Der Regisseur muss den Überblick behalten.
Johannes: Du hast zu dem Zeitpunkt das Drehbuch auch schon einige Male gelesen. Wenn du in eine Szene gehst, weißt du, was davor geschehen ist und was danach geschehen wird. Das ist vom Gefühl her oft schon genug. Du erlebst einen Moment schließlich unabhängig von dem, was drumherum ist. Wenn ich jetzt hier im Interview sitze als Johannes, dann ist es egal, was morgen sein wird. Ich fühle mich jetzt so und werde mich morgen vielleicht ganz anders fühlen. Im Film ist es das Gleiche. Es führt nicht immer zwangsläufig ein Moment zum nächsten. Die Momente können auch für sich stehen.
Der Film spielt zu einem größeren Teil in einem Heim für psychisch Kranke. Erst hat Hannes dort gearbeitet, nach seinem Unfall hat Moritz die Stelle übernommen. Für beide ist diese Erfahrung eine ziemliche Bereicherung. Früher war es so, dass sehr viele im Rahmen des Zivildienstes solche Erfahrungen gemacht haben. Doch nach der Abschaffung des Militärdienstes ist das weggefallen. Wie steht ihr dazu? Wäre es besser gewesen, das zu behalten, anstatt auf Freiwilligkeit zu setzen?
Johannes: Schöne Frage. Bei uns in Österreich gibt es das noch.
Leonard: Ich selbst habe es auch nicht machen müssen, das wurde direkt vor mir abgeschafft. Es wäre auf jeden Fall für viele eine Bereicherung. Manchmal muss mal Leute vielleicht dazu pushen. Klar findet man das erst einmal ziemlich doof, wenn man das machen muss und dadurch Zeit verliert. Trotzdem wäre es vielleicht nicht schlecht, das wieder einzuführen, gerade auch für die, die nach der Schule noch in einer Orientierungsphase sind und nicht genau wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Bei mir war die Situation natürlich auch eine andere, weil ich nach der Schule genau wusste, dass ich Schauspieler werden und auf die Schauspielschule gehen will.
Johannes: Ich musste es auch nicht machen, weil ich wegen meiner Glaskörpertrübung untauglich war. Und wenn du nicht zum Militär gehen kannst, fällt auch der Zivildienst weg. Ich war einerseits froh, weil ich wie Leonard wusste, dass ich an die Schauspielschule will. Und wenn du das Gefühl hast, ein Jahr zu verlieren, dann ist das eine Katastrophe. Wobei du es natürlich nicht verloren hast. Das ich sehe ich an meinem jüngeren Bruder, der fängt jetzt in einem Krankenhaus an, macht dort Transporte und arbeitet in der Pflege. Mein großer Bruder hat das auch gemacht. Junge Leute in die Position zu bringen, sich gesellschaftlich zu engagieren, das ist total wichtig. Das Gefühl für die Gesellschaft geht heute immer mehr verloren. Das Gefühl zu haben, wie es anderen Menschen geht, wie es älteren Menschen geht oder Menschen mit Behinderung. Heute geht es oft nur darum, wie schnell man studieren oder arbeiten kann. Und das ist sehr schade.
In dem Film gibt es neben den Themen, über die wir gesprochen haben, noch eine Reihe weitere, über die man nachdenken kann. Was habt ihr für euch aus dem Film mitgenommen? Zusätzlich zu eurer Freundschaft.
Leonard: Mir hat es einfach wahnsinnig Spaß gemacht, diese Figur zu spielen. Ich habe für mich als Schauspieler bestimmte Bereiche in mir entdeckt, die ich zuvor nicht kannte, gerade im Hinblick auf die Frage, wie tief man in eine Figur einsteigen kann.
Johannes: Für mich war die Beschäftigung mit dem Thema Koma eine echte Bereicherung. Ich habe mich mit Ärztinnen und Pflegern unterhalten, die solche Menschen jeden Tag betreuen. Das war wahnsinnig eindrucksvoll. Und auch zu erfahren, wie unerforscht das alles noch ist. Ich habe mit einer jungen Patientin gesprochen, die nach zwei, drei Monaten Koma wieder aufgewacht ist. Es ist sehr spannend, was sie von dieser Erfahrung mitbekommen und welche Zustände sie durchmachen. Ich habe eine wahnsinnig emotionale Geschichte gehört von einem Pärchen, das einen Motorrad-Unfall hatte. Sie ist dabei ins Koma gefallen. Da die Eltern nicht wollten, dass der Junge sie sehen darf, haben die Pfleger ihn heimlich ins Krankenhaus gebracht, damit er ihr vorsingen und Gitarre spielen konnte. Und der Arzt berichtete, wie viel sich bei ihr währenddessen verändert, was dann schon ein Hinweis ist, dass sie ein Gefühl für die Situation haben. Die Pfleger ermutigen immer dazu, Sachen mitzunehmen und ihnen Wärme zu bringen. Denn das merken die. Das war für mich eine ganz wertvolle Erfahrung.
Vielen Dank für das Gespräch!
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