Eigentlich wollte Julie (Laetitia Dosch) nur eine kleine Pause in dem Café einlegen, ein bisschen was trinken und ihre Gedanken sammeln. Dabei fällt ihr Blick auf einen Brief, den jemand zuvor dort vergessen hat. Darin droht jemand damit, sich bis zum Morgengrauen umzubringen, aus Kummer über die unerwiderte Liebe. Kurzerhand entschließt sie sich, dabei nicht tatenlos rumzusitzen und macht sich auf die Suche nach der so unglücklich verliebten Person. Das Objekt der Begierde stellt sich als der Mathelehrer Matthieu (Pierre Deladonchamps) heraus, die Verfasserin ist eine seiner Schülerinnen. Zunächst ignoriert dieser das Drängen der fremden Frau, lässt sich dann aber doch darauf ein, die Schülerin aufzusuchen. Nur ist diese gerade nirgends zu finden …
Wettlauf gegen die Zeit
Zwei Menschen streifen nachts durch die Stadt, auf der Suche nach einem Menschen, der sich das Leben nehmen will – das hört sich eigentlich nach einem Thriller an. Nicht nur dass es hier um ein Menschenleben geht, das gerettet werden soll. Es ist auch noch ziemlich dringend: In dem Brief kündigt die Jugendliche an, dass sie den Selbstmord zum Morgengrauen begehen will. Es bleibt in Little Lesson of Love also nicht viel Zeit, um das Unglück zu verhindern. Zwar ist nicht ganz klar, ob die Teenagerin auch tatsächlich zu so etwas in der Lage ist oder ob da nicht überdramatisiert wird, der Brief selbst ist schon reichlich überschwänglich. Aber es bleibt doch die Sorge , dass sie diese Ankündigung in die Tat umsetzen könnte.
Allerdings hat Regisseurin und Drehbuchautorin Ève Deboise gar kein Interesse daran, das Potenzial eines düsteren Genrefilms auch nur in Betracht zu ziehen. Stattdessen ist Little Lesson of Love in erster Linie eine Komödie, mit ein wenig Drama und Romanze durchsetzt, dazu ein bisschen Roadmovie und Krimianleihen, wenn nach Spuren gesucht wird. Während dieses Wechselspiels mutet sie den Figuren schon einiges zu. Los geht es mit demütigenden Erfahrungen, welche Julie macht, als sie einfach nur einen Schwangerschaftstest zu kaufen versucht. Aber auch Matthieu gerät im weiteren Verlauf in unangenehme Situationen, mal weil sie peinlich sind, mal fallen diese sogar schmerzhaft aus. Was eben so passiert, wenn man kopflos durch die Nacht fährt und nicht unbedingt sonderlich praktisch veranlagt ist.
Mal albern, mal skurril
Übermäßig feinsinnig ist der Humor nicht gerade. Deboise vertraut da zuweilen schon auf eher alberne Späße, etwa bei den besagten peinlichen Situationen. Das ist zuweilen ein wenig irritierend, weil es nicht so recht zur Ernsthaftigkeit der Mission passt. Es führt auch dazu, dass die Dringlichkeit ein wenig auf der Strecke bleibt. Manchmal ist das Duo mit allem Möglichen beschäftigt, nur nicht der potenziellen Selbstmörderin. Über die erfahren wir ohnehin nur wenig: Little Lesson of Love zeichnet kein sehr schmeichelhaftes Porträt von Matthieu, wenn sich dieser gar nicht wirklich an seine Schülerin erinnern kann. Ausgerechnet die Zielperson bleibt eine Unbekannte, was sie schon ein wenig zu einem MacGuffin reduziert. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck für die Filmschaffende und den komischen Nachttrip ihrer Figuren.
Das darf man alles etwas fragwürdig finden. Aber es macht Spaß: Der Beitrag der Französischen Filmtage Tübingen-Stuttgart 2021 ist eine unterhaltsame Irrfahrt voll von skurrilen Figuren. An manchen Stellen verneigt sich Little Lesson of Love auch recht offensichtlich vor Woody Allen, selbst wenn die Großstadtneurosen hier nicht so ganz zum Tragen kommen. Dafür hat Deboise noch einen anderen Pfeil im Köcher, wenn die Geschichte zum Ende hin eine unerwartete Richtung einschlägt. Insgesamt lohnt es sich daher, diese etwas schrullige Komödie anzuschauen. Man sollte nur keine wirkliche Lehrstunde erwarten, wie sie der Titel ankündigt. Am Ende mag man gut unterhalten worden sein, schlauer geworden ist man sicher nicht.
OT: „Petite Leçon d’amour“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Ève Deboise
Drehbuch: Ève Deboise
Kamera: Lazare Pedron
Besetzung: Laetitia Dosch, Pierre Deladonchamps
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