Maternal
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Maternal

Inhalt / Kritik

Maternal
„Maternal“ // Deutschland-Start: 11. November 2021 (Kino)

Lu (Agustina Malale) und Fati (Denise Carrizo) sind seit langem dicke Freundinnen. Und nicht nur das. Beide wurden schon mit 17 Mutter. Selbst eigentlich noch Kinder, leben sie mit Tochter beziehungsweise Sohn in einem religiösen Zentrum für jugendliche Mütter in Buenos Aires. Dorthin kommt auch Schwester Paola (Lidiya Liberman), eine junge Novizin, die so ganz anders ist als die älteren Nonnen. Ihr fällt es leicht, mit den jungen Müttern klarzukommen und sich ohne moralische Vorurteile in sie einzufühlen. Aber die Neue bringt das eingespielte Gleichgewicht des Wohnheims ins Wanken. Sie entwickelt eine enge Bindung zu Fati, was bei Lu zu Eifersucht führt.

Vier Jahre vor Ort recherchiert

Nicht immer schlagen sich lange Recherchen in der Qualität eines Films nieder. Aber was die Italienerin Maura Delpero zur Vorbereitung ihres Spielfilmdebüts unternahm, ist so außergewöhnlich, dass es eigentlich einen Hinweis im Vorspann verdient hätte. Vier Jahre lang besuchte sie die Heime für minderjährige Mütter, die nicht nur Hintergrund der Handlung sind, sondern so etwas wie ein weiterer Darsteller. Die Regisseurin gab dort Filmkurse. Sie zeigte ausgewählte Arbeiten, diskutierte sie mit den Teenagern und ließ sie kleine Skripts schreiben. Die genaue Kenntnis von Persönlichkeiten und Stimmungen führten zu einer Liebeserklärung an einen Ort voller Kontraste und Spannungen.

Ganz in Weiß, so schreiten die Bräute Christi durch die Gebetsräume. Farbenfroh hingegen lieben es ihre Schützlinge, die sich auskennen mit der irdischen Liebe und ihren möglichen Folgen. In einem ehrwürdigen, mit Rundbögen gezierten Gebäude leben alle unter einem Dach, im Erdgeschoss die Nonnen, im Stockwerk darüber die jungen Mütter mit ihren Kindern. Tagsüber treffen sie sich, wenn die jungen Mädchen in der Nähwerkstatt arbeiten und einige der Nonnen deren Kinder betreuen. Abends und nachts trennt sich die ungewöhnliche Gemeinschaft. Während die Nonnen in der Kapelle heilige Gesänge anstimmen, steigen die Mädchen schon mal aufs Dach. Still funkeln die Lichter der Stadt, sehnsuchtsvoll und wie aus einer anderen Welt. Das Heim bietet denen, die mit ihren Familien nicht mehr klarkommen, Geborgenheit. Es fühlt sich aber auch wie ein Gefängnis an, selbst wenn die Mädchen von Zeit zu Zeit Ausgang haben.

Delpero kommt eigentlich vom Dokumentarfilm. Die stoffliche Nähe zur Wirklichkeit würde auch für Maternal eine daran geschulte Bildsprache nahelegen. Aber statt hektischer Bewegungen bleibt die Kamera meist unbewegt, die Bildausschnitte staffeln in sorgfältiger Komposition den Raum, das Licht ist weich und verströmt eine sanfte Wärme, trotz der oft eruptiven Streits und dem rüden Umgangston unter den jungen Müttern. Und so legt sich über das realistische Fundament eine poetisch angehauchte Schicht von Blicken, Stimmungen, Reisen ins Innere.

Dabei verlässt sich der Film auf die Vielschichtigkeit seiner Charaktere, aus der leise Verschiebungen, sanfte Spannungen und angedeutete Konflikte erwachsen. Großes Drama wird daraus nicht, obwohl die zugrunde liegenden Emotionen dafür genug Stoff enthalten. Aber die 45-jährige Regisseurin lenkt den Blick lieber auf eine wehende Gardine als auf die Schmerzen einer Geburt. Eine abgenommene Nonnenhaube bedeutet ihr mehr als ein Streit mit der Mutter Oberin. Der Blick eines Kindes sagt mehr über sich anbahnende Muttergefühle als jeder Dialog.

Reizvolles Beziehungsdreieck

In einem Interview äußerte sich die Regisseurin etwas unzufrieden mit dem vom Verleih gewählten Titel. Er ist ihr zu aussagekräftig, zu direkt bezogen auf das Sujet der Mütterlichkeit. Hogar wäre ihr lieber gewesen. So heißen die Heime für alleinerziehende Teenager-Mütter in Argentinien. In der Tat funktioniert Maternal auch als Dokument, als Blick hinter die Kulissen einer sonst abgeschotteten Einrichtung. Aber man kann sich dem weiteren Assoziationshorizont kaum entziehen, den die gegen Ende fast klösterlich stillen Bilder auslösen. Wie schaffen es kinderlose Frauen, jenen beizustehen, die das Muttersein überfordert? Was geschieht mit einer jungen Nonne, wenn sie Gefühle in sich entdeckt, die sich nicht mit ihrem Gelübde vereinbaren lassen? Und was ist überhaupt eine Mutter – jenseits idealisierter Bilder, die widersprüchliche Emotionen verbieten?

Credits

OT: „Hogar“
Land: Italien, Argentinien
Jahr: 2019
Regie: Maura Delpero
Drehbuch: Maura Delpero
Musik: Vincenzo Urselli
Kamera: Soledad Rodríguez
Besetzung: Lidiya Liberman, Denise Carrizo, Agustina Malale, Isabella Cilia, Alan Rivas, Marta Lubos, Renata Palminiello

Bilder

Trailer

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„Maternal“ bewahrt den dokumentarischen Blick einer am Realismus geschulten Regisseurin, um ihn zugleich ästhetisch zu überhöhen. Maura Delpero beweist in ihrem Spielfilmdebüt einen staunenswerten Sinn für Stimmungsbilder. Und für einen leisen Humor, der allein in den Bildern liegt
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